Alkohol am Viktualienmarkt

CSU wendet sich gegen "Saufgelage" in München

Michael Watschinger möchte jeden Tag am Viktualienmarkt sein Bier trinken und Freunde treffen, doch die örtliche CSU wendet sich gegen "Saufgelage".
Michael Watschinger möchte jeden Tag am Viktualienmarkt sein Bier trinken und Freunde treffen. Die örtliche CSU will die Gruppe nicht mehr dulden. © Tobias Krone
Von Tobias Krone |
Der Viktualienmarkt ist eine Attraktion in München. Doch es gibt Streit: Eine Gruppe von Biertrinkern trifft sich dort am Liesl-Karlstadt-Brunnen, zum Leidwesen der Marktfrauen. Die Lösung wäre ein selektives Alkoholverbot, meint die CSU.
Sechs Uhr auf dem Viktualienmarkt, die Sonne taucht den Platz in ein spätsommerliches Orange. Die Standlfrauen, wie sie hier genannt werden, machen zu und ziehen ihre Zeltplanen herunter. Die Touristen widmen sich ihrer Maß im Biergarten nebenan. Am Brunnen steht der Watschi und macht sich ein neues Bier auf:
"Mein Name ist Michael Watschinger, ich bin ein Österreicher, ich bin Frühpensionist und treffe mich mit meinen Freunden hier am Brunnen."
Michael Watschinger, den hier am Liesl-Karlstadt-Brunnen jeder nur Watschi nennt, hat eine knollige Nase und einen Hut voll mit Anhängern: Geschenke seiner Freunde aus aller Welt, die er hier am Brunnen kennenlernt:
"Ob arm oder reich, großer oder klein, dick oder dünn, schwarz oder weiß, jede Hautfarbe – jede Religion, außer Extreme, schwul, lesbisch, hetero, alle willkommen."
Wer nett ist, gesellt sich dazu und stellt sein Bier im Brunnen kühl, findet Michael Watschinger. So weit, so gemütlich. Doch die Idylle des kleinen Mannes und seiner Clique scheint gerade bedroht – und zwar von der CSU.

Ein Instrument für Platzverweise schaffen

"Grundsätzlich ist es ja ein wundervoller Markt für Bürger und für die Touristen, wo man sich extrem wohl fühlt", sagt Hans Theiss, der Vize-Vorsitzende der CSU-Fraktion im Münchner Stadtrat. "Aber es gibt ab und zu eine kleine Gruppe, die sich da am Brunnen trifft, die dort auch übermäßig Alkohol konsumiert, die offensichtlich auch die Händler teilweise belästigt. Und da wollen wir uns natürlich auch hinter die Händler stellen. Dass der wundervolle Charakter dieses Marktes auch erhalten bleibt."
Hans Theiss hat den Eil-Antrag im August eingebracht: Darin ist von "Saufgelagen" die Rede und von einer "Belagerung" der Marktfrauen.
"Es geht nur darum, ein Instrument zu schaffen, mit dem im Prinzip die Stadt, das Kommunalreferat auch durchgreifen kann, Platzverweise ausstellen kann. Da wollen wir das Instrumentarium schaffen."
Die CSU plant eine Art selektives Alkoholverbot für die Gruppe rund um Michael Watschinger. Ein Eilantrag mitten in der Sommerpause. Das lässt aufhorchen. Entwickelt sich der Touri-Hotspot zum sozialen Brennpunkt?
Alles Schmarrn, findet einer der Brunnen-Gäste: "Ich habe 43 Jahre meine Firma gehabt, bin jetzt in Rente. Da gibt’s nichts Elendes, alles okay. Ich gehe jetzt zum Donisl rüber, werde noch einen schönen Schweinsbraten essen, trinke noch zwei, drei Halbe und dann fahre ich wieder heim. Also mit Elend, also ... naa."
Für Reinhard Müller, der hier den Spitznamen Blitzie hat, weil er früher mit seiner Firma die Blitzgeräte der Fotostudios reparierte, ist der Brunnen nur einer von mehreren Stammtischen. Wie ein Sozialfall oder gar ein Obdachloser sieht hier niemand aus. Und manche trinken noch nicht mal viel.
"Ich trinke zum Beispiel das Münchner Wasser – so. Ich trink zwar Bier, a Leichte oder wie auch immer, weil ich nicht so viel trinken kann, aber... das wissen die wenigsten, dass das das beste Wasser ist. Kostet nix."

Kontaktbörse für Hilfesuchende

Der Rentnerin Bobbi Rüdel geht es um das Miteinander. Der Liesl-Karlstadt-Brunnen ist für sie und Michael Watschinger eine Kontaktbörse:
"Wir kennen überall irgendwelche Leute, die werden helfen, wenn man irgendwas braucht. Oder das Handy funktioniert nicht, der Computer geht nicht. Ich weiß ungefähr, was die Leute beruflich tun, ungefähr. Und schicke dann die Leute... Red' doch mit dem oder mit der und so weiter. Und es wird geholfen."
"Es reicht ja schon, wenn einer 25 ist, dann weiß ich auch, dass er was vom Handy versteht. Dann geh ich zu dem hin und sage dem: Du, hilf mir mal. So einfach ist das."
Bei den acht Leuten am Liesl-Karlstadt-Brunnen wirkt alles in bester Ordnung, doch heute habe es schon wieder einen Konflikt mit der Betreiberin des benachbarten Pilzstands gegeben, klagen sie. Worum es ging? Die Händlerin gibt sich verschlossen, auch von der Interessensgemeinschaft Viktualienmarkt, zu der sich die meisten der Geschäftsleute hier zusammengetan haben, ist nichts zu erfahren: Man sei verängstigt. Schließlich sei vor einem Jahr eine Zeltplane an einem Stand zerschnitten worden, kurz nachdem der Streit so eskaliert war, dass sogar Polizisten den Liesl-Karlstadt-Brunnen umstellten. Die Münchner Polizei selbst bestätigt den Einsatz. Doch die Leute vom Brunnenschätzt man in Polizeikreisen allgemein als "harmlos" ein. Warum die Händler sie trotzdem weghaben wollen – da hat Bobbi Rüdel am Brunnen ihre Theorien:
"Das ist der Neid, der pure Neid, denn die müssen ackern, zwölf Stunden am Tag. Ist ja logisch. Ich achte das, ich respektiere das und ich bin ja immer grundsätzlich so, dass ich sage: Hallo, so wie einer auf mich zugeht, so gehe ich auch mit dem Anderen um. Und das ist ja auch das Prinzip von München oder von der Geselligkeit: Leben und leben lassen. Und wenn mir einer blöd kommt, dann gebe ich blöd zurück."

Kontrolle dürfte schwierig sein

Leben und leben lassen. Auch die CSU fühlt sich auf das Stadtmotto verpflichtet. Es ginge ja nur um diese kleine Personengruppe, versichert CSU-Stadtrat Theiss. Seine Kollegin Ulrike Boesser von der SPD findet das Anliegen ihres Kollegen zwar nachvollziehbar, stellt aber klar:
"Die Umsetzung halten wir für sehr problematisch. Weil ein Alkoholverbot oder begrenztes Alkoholverbot auf dem Viktualienmarkt quasi nicht durchsetzbar ist. Dort gibt es Freischankflächen, dort gibt’s einen großen Biergarten, dort gibt’s Cafés, es gibt dort Menschen, die kaufen auch Alkohol in Flaschen ein. Es dürfte unglaublich schwierig sein, das zu kontrollieren."
Abgesehen von der Kontrolle gehe es hier vor allem um die soziale Frage, findet Michael Watschinger vom Brunnen. Denn viele seiner Stammgäste seien Rentner, denen mit 800 Euro monatlich der Weg in den Biergarten verwehrt bleibe:
"Ich habe viele, wie gesagt, Pensionistinnen da, die würden normalerweise alleine zu Hause sitzen. Nachher bekommt man Depressionen, es geht einem schlecht, und so weiter. Allerdings, diese Leute, sie werden hier willkommen geheißen von allen Personen: Bussi links, bussi rechts. Sie werden mit Namen angesprochen und sie wissen, dass hier für ein paar Stunden ein Zuhause haben. So ist das Leben."
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