Prost ohne Reue

Wie alkoholfreies Bier besser schmecken könnte

07:24 Minuten
Ein leerer Bierkrug aus Glas vor einem schwarzen Hintergrund wird golden angeleuchtet.
Mit oder ohne? Immer öfter kommt hierzulande auch alkoholfreies Bier in den Krug. © pexels / Pixabay
Von Eva Huber |
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Trinken ohne Prozente liegt im Trend. So steigt seit Jahren der Absatz von alkoholfreiem Bier. Beim Geschmack ist da für viele aber noch Luft nach oben. Forschende der TU München in Weihenstephan setzen genau da an – und wollen das ändern.
Ein kleiner Kühlraum voller Bier – nur zu Forschungszwecken. Kai Büchner sucht ein paar Flaschen alkoholfreies Bier zusammen.
„Was wir jetzt hier machen, ist die Probenvorbereitung. In der Probenvorbereitung werden wir so, dass die Verkoster das natürlich nicht mitkriegen, ein paar der Flaschen mit Menthol versetzen“, erklärt er.

Minimale Beimischung von Menthol

Menthol, ja, in Bier! Seit zwei Jahren arbeitet Kai Büchner daran, den meist eher laschen Geschmack von alkoholfreiem Bier zu verbessern. Der 32-Jährige ist Doktorand am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie der TU München in Weihenstephan. Gleich kommen die Verkoster.

Im Idealfall sollten die Leute merken, dass etwas anders ist, dass das Bier an sich ein bisschen wohlschmeckender ist, weil der zu süße, zu malzige Geschmack des alkoholfreien Biers überdeckt ist, aber sie sollten nicht merken, dass da Menthol drin ist, dass es bewusst nach Minze schmeckt.

Kai Büchner

Die Verkoster machen dafür einen Dreieckstest. In zwei Gläsern bekommen sie normales, alkoholfreies Bier. Und im Dritten die Bier-Mentholmischung.
Kai Büchner füllt in die Bierflaschen genau 100 Mikroliter einer Menthollösung, also sehr wenig. Rausschmecken sollten die Verkoster das Menthol nämlich nicht. Denn Kai Büchner geht es nicht um die Geschmacksnerven, die das Süße, Salzige oder Bittere schmecken. Ein anderer Nerv steht im Fokus, „der trigeminale Nerv“, erklärt er.

Das Gehirn austricksen

Der Trigeminus ist ein Nerv im Gesicht, er zieht sich auch durch den Mund. Mit dem Trigeminus spüren wir zum Beispiel die Schärfe aus einer Chilischote, das Prickeln von Kohlensäure oder Kühlendes vom Menthol.
Damit will Kai Büchner beim Biertest das Gehirn austricksen. Es muss viele Reize gleichzeitig verarbeiten und soll keine Zeit haben, sich auf den zu süßen oder leeren Geschmack von alkoholfreiem Bier zu konzentrieren.
„Wenn wir gleich noch einen weiteren, einen trigeminalen Effekt mitschicken, dass wir dann mehr oder minder davon ablenken können, dass dieses alkoholfreie Getränk irgendeine Eigenschaft hat, die wir als Konsumenten gar nicht so toll finden“, erklärt er.
Ein Ablenkungsmanöver. Aber funktioniert es auch? Und mit welchen Stoffen? Kai Büchner hat verschiedene ausprobiert, zum Beispiel Senföl: „Das Zeug stinkt, und zwar ziemlich ekelhaft“, erklärt er. Oder Eukalyptus: „Wenn man es salopp sagt, mehr Hustenbonbon als Bier“, sagt er. Also erst mal viele Sackgassen.
Jetzt kommen die Verkoster für den heutigen Test. Sie nehmen in kleinen weißen Kabinen Platz. Vorne ist eine Luke, durch die ein Mitarbeiter ihnen jetzt drei Tassen mit alkoholfreiem Bier reicht, eins davon ist mit Menthol versetzt.

Alkoholfreies Bier liegt im Trend

In den letzten Jahren ist der Absatz von alkoholfreiem Bier rasant gestiegen, erzählt Professor Thomas Becker, Institutsleiter in Weihenstephan und Kai Büchners Chef: „Natürlich gibt es einen Trend, der über allem drüber schwebt“, sagt er.

Dass man mit Bier ohne Alkohol den gleichen sensorischen Eindruck hinbekommt wie mit Bier, normalen Bier: Ich glaube, das wird verdammt schwer.

Thomas Becker

Es gibt verschiedene Verfahren, um alkoholfreies Bier herzustellen, alle haben Problemstellen: Eine Methode setzt bei der Hefe an, die im Jungbier gärt und so den Alkohol produziert. Durch ein Kälteverfahren wird die Hefe gestoppt, wenn der Alkoholgehalt bei 0,5 Prozent liegt. Das gilt noch als alkoholfrei.
Das Problem: Das Bier hat dann auch wenig der typischen Aromastoffe, schmeckt sehr süß-malzig. Eine andere Methode entfernt den Alkohol im Nachhinein: Beispiel wird er bei niedrigen Temperaturen verdampft oder durch eine Membran gefiltert. Oft gehen dabei viele Aromastoffe mit verloren. Das Bier schmeckt schnell säuerlich-leer.
Im Moment arbeiten verschiedene Projekte in Weihenstephan daran, diese Verfahren zu verbessern, erzählt Professor Becker. Kai Büchners Versuch ist eher exotisch.

Welche Probe schmeckt am besten?

Zurück bei den Verkostern: Erkennen sie, welche der drei Tassen das Menthol-Bier enthält? „Ich würde sagen, dass diese Probe abweichend ist, weil ich da einfach das Gefühl habe, da ist mehr Kohlesäure drin“, lautet ein Urteil. „Eine Probe ist auf jeden Fall vom Mundgefühl unterschiedlich“, ein anderes.
Jetzt darf ich selbst auch probieren. Ich setze mich in eine der Kabinen und setze eine Nasenklammer auf. Ich soll das Menthol nicht riechen, sondern nur spüren, wie sich das Bier im Mund anfühlt. Kai Büchner schiebt drei Tassen durch die Luke.
Durch die Nasenklammer kann ich die Aromastoffe nicht riechen, die viel vom Biergeschmack ausmachen. Das Bier in der zweiten Tasse schmeckt „ein bisschen nach mehr“, meine ich. Erraten. „Das stimmt, die 302 war absolut richtig“, löst Kai Büchner auf.
Danach probiere ich das gepanschte Bier noch ohne Nasenklammer. Es schmeckt ganz okay, riecht aber ein bisschen seltsam – könnte am Menthol liegen.

Erste Etappen der Grundlagenforschung

Insgesamt hat Kai Büchner am Ende des zweijährigen Forschungsprojekts zwei geeignete Stoffe gefunden: Menthol, das kühlt, und Capsaicin, das Scharfe in Chilischoten – es erzeugt in kleinen Dosen ein warmes Gefühl im Mund.
Beide Stoffe hätten den Geschmackseindruck von alkoholfreiem Bier leicht verbessert, sagt Büchner. Doch das alles sei noch Grundlagenforschung. Dass nächstes Jahr ein Bier mit Menthol auf den Markt kommt, ist eher unwahrscheinlich.
Büchner hat nämlich auch Tests ohne Nasenklammer gemacht: „Wir haben sehr gemischtes Feedback bekommen. Das heißt einige Laienverkoster haben gesagt, super Produkt, würde ich so, wie es ist, im Laden sofort kaufen. Und andere haben uns den Rat gegeben, doch noch etwas an der Rezeptur zu feilen.“

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