Alkoholsucht

„Deutschland macht bisher viel zu wenig“

07:49 Minuten
Eine Hand hält einen Plastikbecher mit dunklem Bier.
Bier, Wein und Schnaps ist in Deutschland günstig und überall verfügbar. © picture alliance / NurPhoto / Artur Widak
Jakob Manthey im Gespräch mit Julius Stucke |
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Die Zahl der Beschäftigten, die exzessiv Alkohol konsumieren, ist laut einer Studie angestiegen. Mediziner Jakob Manthey fordert daher höhere Steuern auf Alkohol: „Wir haben mindesten 45.000 Alkoholtote jedes Jahr, das ist eigentlich nicht akzeptabel.“
Bier und Schnaps auf der Weihnachtsfeier, ein Glühwein auf dem Wintermarkt und dann noch all die anderen feuchtfröhlichen Zusammenkünfte: In der Adventszeit fällt es vielen schwer, auf Alkohol zu verzichten.
Doch eine Studie der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) mag Ernüchterung bringen: Laut dieser hat die Alkoholsucht unter Beschäftigten in den vergangenen zehn Jahren deutlich zugenommen. Die Zahl der KKH-versicherten Berufstätigen mit exzessiven Alkoholkonsum sei von 2011 bis 2021 um rund ein Drittel gestiegen, heißt es, in der Altersgruppe der 35- bis 39-Jährigen sogar um knapp 90 Prozent.

Anstieg der alkoholbedingten Mortalität

Die Zahl der Alkoholkranken nimmt also laut der Studie unter Beschäftigten zu. Insgesamt werde aber trotzdem weniger getrunken, sagt Jakob Manthey von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsklinik Leipzig. In den letzten zehn Jahren sei der Trend zu beobachten, dass der Alkoholkonsum leicht zurückging.
„Mit der Coronapandemie sehen wir aber auf unterschiedliche Art und Weise, dass dieser langfristige Trend möglicherweise wieder gebrochen wird“, so Manthey. Viele hätten während er Lockdowns weniger getrunken, weil es wenige soziale Anlässe dazu gab. „Aber diejenigen, die schon vor der Pandemie Probleme hatten, die schon viel getrunken haben, die haben während der Pandemie auch mehr getrunken und dementsprechend auch mehr gesundheitliche Probleme entwickelt.“ Das zeige auch der Anstieg der alkoholbedingten Mortalität.“ 2020 sehen wir insbesondere bei den Frauen zehn Prozent mehr Todesfälle aufgrund von Alkohol.“

Alkohol ist günstig

Angesichts des Problems verweist Manthey auf die politische Dimension und Verantwortung. Alkohol sei in Deutschland sehr erschwinglich. „Im europäischen Vergleich gibt es kein Land, wo so viel Alkohol für ein durchschnittliches Monatseinkommen gekauft werden kann.“ Das sei ein großer Anreiz. „Da müssen wir auch als Gesellschaft gegensteuern, denn wir haben mindesten 45.000 Alkoholtote jedes Jahr, und das ist eigentlich nicht akzeptabel.“
Ähnlich wie bei Tabak sollte auch auf Alkohol höhere Steuern erhoben werden, fordert Manthey. Bisher fielen auf eine Flasche Bier gerade einmal fünf Cent Verbrauchssteuern an. Würde die Alkoholsteuer verdoppelt werden, könnten seinen Schätzungen zufolge jährlich 200.000 Krankenhausaufenthalte und 3000 Todesfälle vermieden werden.

Verfügbarkeit einschränken

Darüber hinaus könnte als Maßnahme die Verfügbarkeit von Alkohol eingeschränkt werden. „Das ist auch von der Weltgesundheitsorganisation empfohlen. Aber Deutschland macht bisher viel zu wenig oder eigentlich nichts.“
(lkn)
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