"Alle Superlative passen zu Marcel Reich-Ranicki"
Bei der Filmadaption seines Bestsellers "Mein Leben" sei Marcel Reich-Ranicki alles andere als anstrengend gewesen, erzählt der Regisseur Dror Zahavi. Der nun verstorbene Literaturpapst habe sich nicht eingemischt, sondern in vertrauensvollen Vorgesprächen atmosphärischen Input geliefert.
Gabi Wuttke: Ein Original, nicht nur im Tonfall. Ein Leben, in dem er so viel Leid ertragen musste und sich trotzdem nicht unterkriegen ließ. Marcel Reich-Ranicki, der Literaturkritiker, der Holocaust-Überlebende, der Spitzzüngige, der Sturkopf, das Temperamentsbündel - 93 Jahre ist er geworden. Er war gerade 88, als Dror Zahavi anfing, aus seiner Autobiografie einen Spielfilm zu machen, der kein Jahr später im Ersten Deutschen Fernsehen zu sehen war. Jetzt ist der Regisseur am Telefon. Einen schönen guten Morgen, Herr Zahavi!
Dror Zahavi: Guten Morgen!
Wuttke: Was hat Sie an diesem Mann, an seinem Leben am meisten beeindruckt?
Zahavi: Das ist sehr, sehr schwer, jetzt in zwei Worten so was zu sagen …
Wuttke: Machen Sie es in dreien!
Zahavi: Es ist eine Riesenpersönlichkeit, ein Literaturpapst in Deutschland – ich meine, alle Superlative passen zu Marcel Reich-Ranicki. Und das ist so, wie Sie gesagt haben, die Generation, die den Holocaust überlebt hat, die noch gekämpft hat um ihre Existenz, aber danach auch um ihre Karriere. Er ist einer, der in zwei Welten aufgewachsen ist. Alles ist interessant.
Wuttke: War Ihr gemeinsamer Glaube für Sie beide bei Ihren Begegnungen wichtig?
Zahavi: Nein, ich glaube, wir haben uns beide diesbezüglich ziemlich ähnlich definiert. Wir sind beide nicht gläubig, wir sind Juden, aber nicht religiöse Juden, nicht praktizierende Juden. Wir haben den Begriff Judentum, glaube ich, ein bisschen anders verstanden oder mehr hineininterpretiert als die bloße Religion.
Wuttke: Bei den Vorarbeiten zum Drehbuch haben Sie sich ja kennengelernt, kolportiert ist, dass sich Marcel Reich-Ranicki mächtig eingemischt hätte. Haben Sie ihn als Ratgeber oder als Lehrmeister für sich erlebt?
Zahavi: Nein, da muss ich was richtigstellen. Er hat sich überhaupt nicht eingemischt, im Gegenteil, er hatte Vertrauen zuallererst zu der Produzentin Katharina Trebitsch und zu der Redakteurin Buhl gehabt. Dann kam ich dazu, und er hatte sehr schnell Vertrauen zu mir auch gefunden, und er hat uns eigentlich machen lassen. Also das stimmt nicht, dass er sich eingemischt hat.
Wuttke: Welche Ratschläge hat er Ihnen gegeben, wie haben Sie da beide zusammengesessen?
Zahavi: Wir saßen da ein paar Mal bei ihm zu Hause. Und auch mit den Schauspielern Matthias Schweighöfer und Katharina Schüttler. Eher um Details, um eine Atmosphäre, um einen Alltag vom Warschauer Getto zu bekommen. Ich weiß noch, dass er uns mit auf den Weg gegeben hat, einen Satz, den ich nie vergessen werde. Er hat gesagt, dass alles, was Sie sich jetzt vorstellen, wie schlimm es war, es war noch viel, viel schlimmer. Und das sind die Worte, die uns begleitet haben bei den Dreharbeiten.
Wuttke: Sie sind Jahrgang 1959, ein Altersunterschied von fast 40 Jahren zum Literaturpapst Deutschlands. Sagen Sie, hatten Sie Muffensausen, bevor Sie ihn das erste Mal trafen, oder haben Sie einfach nur mal ganz kräftig und tief durchgeatmet?
Dror Zahavi: Guten Morgen!
Wuttke: Was hat Sie an diesem Mann, an seinem Leben am meisten beeindruckt?
Zahavi: Das ist sehr, sehr schwer, jetzt in zwei Worten so was zu sagen …
Wuttke: Machen Sie es in dreien!
Zahavi: Es ist eine Riesenpersönlichkeit, ein Literaturpapst in Deutschland – ich meine, alle Superlative passen zu Marcel Reich-Ranicki. Und das ist so, wie Sie gesagt haben, die Generation, die den Holocaust überlebt hat, die noch gekämpft hat um ihre Existenz, aber danach auch um ihre Karriere. Er ist einer, der in zwei Welten aufgewachsen ist. Alles ist interessant.
Wuttke: War Ihr gemeinsamer Glaube für Sie beide bei Ihren Begegnungen wichtig?
Zahavi: Nein, ich glaube, wir haben uns beide diesbezüglich ziemlich ähnlich definiert. Wir sind beide nicht gläubig, wir sind Juden, aber nicht religiöse Juden, nicht praktizierende Juden. Wir haben den Begriff Judentum, glaube ich, ein bisschen anders verstanden oder mehr hineininterpretiert als die bloße Religion.
Wuttke: Bei den Vorarbeiten zum Drehbuch haben Sie sich ja kennengelernt, kolportiert ist, dass sich Marcel Reich-Ranicki mächtig eingemischt hätte. Haben Sie ihn als Ratgeber oder als Lehrmeister für sich erlebt?
Zahavi: Nein, da muss ich was richtigstellen. Er hat sich überhaupt nicht eingemischt, im Gegenteil, er hatte Vertrauen zuallererst zu der Produzentin Katharina Trebitsch und zu der Redakteurin Buhl gehabt. Dann kam ich dazu, und er hatte sehr schnell Vertrauen zu mir auch gefunden, und er hat uns eigentlich machen lassen. Also das stimmt nicht, dass er sich eingemischt hat.
Wuttke: Welche Ratschläge hat er Ihnen gegeben, wie haben Sie da beide zusammengesessen?
Zahavi: Wir saßen da ein paar Mal bei ihm zu Hause. Und auch mit den Schauspielern Matthias Schweighöfer und Katharina Schüttler. Eher um Details, um eine Atmosphäre, um einen Alltag vom Warschauer Getto zu bekommen. Ich weiß noch, dass er uns mit auf den Weg gegeben hat, einen Satz, den ich nie vergessen werde. Er hat gesagt, dass alles, was Sie sich jetzt vorstellen, wie schlimm es war, es war noch viel, viel schlimmer. Und das sind die Worte, die uns begleitet haben bei den Dreharbeiten.
Wuttke: Sie sind Jahrgang 1959, ein Altersunterschied von fast 40 Jahren zum Literaturpapst Deutschlands. Sagen Sie, hatten Sie Muffensausen, bevor Sie ihn das erste Mal trafen, oder haben Sie einfach nur mal ganz kräftig und tief durchgeatmet?
"Riesenrespekt gegenüber dieser Persönlichkeit"
Zahavi: Nein, ich hatte einen Riesenrespekt gegenüber dieser Persönlichkeit. Ich habe einen Vater, der ist 91 Jahre alt, wird jetzt im November 91. Und das ist die Generation, ja. Die Biografien dieser Generation ähneln sich. Meine Familie stammt auch aus Europa und lebte auch unter dem Zweiten Weltkrieg und wurde zum größten Teil vernichtet. Also ich konnte mich sehr gut hineinversetzen in sein Leben.
Wuttke: Aber sagen Sie mir jetzt nicht, dass es nicht manchmal auch anstrengend war. Denn das weiß jeder Zuschauer des Literarischen Quartetts, da war unheimlich viel Energie.
Zahavi: Es tut mir leid, dass ich das Klischee jetzt nicht erfüllen kann, aber ich hatte angenehme Begegnungen mit ihm …
Wuttke: Das kann ja durchaus auch sehr angenehm sein.
Zahavi: … und auch nicht anstrengend, aber das liegt, glaube ich, daran, dass er wirklich sich nicht eingemischt hat und dass er wirklich sehr, sehr zufrieden war mit dem Film, den er dann zu sehen bekommen hat. Deswegen hatten wir, die Leute, die das gemacht haben, die den Film gemacht haben, sehr gute Erfahrungen mit ihm gemacht. Andere Leute, die sein Leben begleitet haben, beruflich wie auch privat, werden bestimmt andere Erfahrungen haben, das ist aber meine Erfahrung.
Wuttke: Sie haben ja auch gesagt, daraufhin haben Sie Ihren Film auch zugeschnitten, dass die Literatur immer das war, was Marcel Reich-Ranicki geholfen hat im Leben. Als Sie mit ihm zusammengearbeitet haben, da lebte ja seine Frau Teofila noch. Glauben Sie, nach Ihrem Tod hat die Literatur ihm wieder geholfen, zumindest ein Stück weit?
Zahavi: Ich glaube nicht. Wir waren, als wir bei ihm zu Hause waren, war Tosia da und ich hab sie kennengelernt, eine wunderbare Frau. Nein, noch vor dem Tod von Tosia – ich glaube, das war 2010 – hat er mir am Telefon gesagt, dass er nicht mehr liest, dass er keine Kraft und keine Lust mehr hat zu lesen. Es hat mich sehr, sehr überrascht, denn für mich war es auch so, dass es sein Leben war. Aber ich glaube, es ging ihm schon damals nicht mehr so gut und es fiel ihm schwer, und er hat nicht so viel gelesen.
Wuttke: Dror Zahavi, der die Autobiografie von Marcel Reich-Ranicki verfilmte, über seine Begegnung mit einem außergewöhnlichen und gar nicht anstrengenden Menschen. Herr Zahavi, ich danke Ihnen!
Zahavi: Ich danke Ihnen!
Wuttke: Schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Wuttke: Aber sagen Sie mir jetzt nicht, dass es nicht manchmal auch anstrengend war. Denn das weiß jeder Zuschauer des Literarischen Quartetts, da war unheimlich viel Energie.
Zahavi: Es tut mir leid, dass ich das Klischee jetzt nicht erfüllen kann, aber ich hatte angenehme Begegnungen mit ihm …
Wuttke: Das kann ja durchaus auch sehr angenehm sein.
Zahavi: … und auch nicht anstrengend, aber das liegt, glaube ich, daran, dass er wirklich sich nicht eingemischt hat und dass er wirklich sehr, sehr zufrieden war mit dem Film, den er dann zu sehen bekommen hat. Deswegen hatten wir, die Leute, die das gemacht haben, die den Film gemacht haben, sehr gute Erfahrungen mit ihm gemacht. Andere Leute, die sein Leben begleitet haben, beruflich wie auch privat, werden bestimmt andere Erfahrungen haben, das ist aber meine Erfahrung.
Wuttke: Sie haben ja auch gesagt, daraufhin haben Sie Ihren Film auch zugeschnitten, dass die Literatur immer das war, was Marcel Reich-Ranicki geholfen hat im Leben. Als Sie mit ihm zusammengearbeitet haben, da lebte ja seine Frau Teofila noch. Glauben Sie, nach Ihrem Tod hat die Literatur ihm wieder geholfen, zumindest ein Stück weit?
Zahavi: Ich glaube nicht. Wir waren, als wir bei ihm zu Hause waren, war Tosia da und ich hab sie kennengelernt, eine wunderbare Frau. Nein, noch vor dem Tod von Tosia – ich glaube, das war 2010 – hat er mir am Telefon gesagt, dass er nicht mehr liest, dass er keine Kraft und keine Lust mehr hat zu lesen. Es hat mich sehr, sehr überrascht, denn für mich war es auch so, dass es sein Leben war. Aber ich glaube, es ging ihm schon damals nicht mehr so gut und es fiel ihm schwer, und er hat nicht so viel gelesen.
Wuttke: Dror Zahavi, der die Autobiografie von Marcel Reich-Ranicki verfilmte, über seine Begegnung mit einem außergewöhnlichen und gar nicht anstrengenden Menschen. Herr Zahavi, ich danke Ihnen!
Zahavi: Ich danke Ihnen!
Wuttke: Schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.