Allein und arbeitslos
Eine verwitwete Frau Ende vierzig, 19 Jahre lang war sie Verkäuferin, dann wird sie gefeuert: Anna Weidenholzer beschreibt das Schicksal einer Arbeitslosen - und ihr Abdriften in die soziale Isolation.
Anna Weidenholzer greift ein Thema auf, das Millionen von Menschen betrifft und das sich doch kein Unbetroffener wirklich vorstellen kann: Arbeitslosigkeit. Als Romanheldin wählt Weidenholzer mit großer Umsicht eine Frau, wie sie einerseits durchschnittlicher nicht sein könnte, was das Exemplarische ihres Schicksals unterstreicht, stattet diese Frau aber andererseits mit genügend skurrilen Absonderlichkeiten aus, um sie als Person für den Leser interessant zu machen.
Diese Maria Beerenburger ist eine verwitwete Frau Ende vierzig, eine Verkäuferin im Textilfachhandel, die 19 Jahre lang in einer Boutique gearbeitet hat, nur um vom Juniorchef mit schnöden Worten gekündigt zu werden: "Freuen Sie sich, es ist nicht selbstverständlich, in diesem Alter noch die Möglichkeit zu bekommen, sein Leben neu zu gestalten. Sehen Sie es positiv, Sie haben jetzt die Freiheit, von vorn zu beginnen."
Der Roman enthüllt auf jeder Seite den Zynismus dieser Worte: Marias Arbeitsplatzverlust in dieser Branche und in diesem Alter bedeutet die finale Verabschiedung aus dem Erwerbsleben. Jeder Ratschlag, jede Umschulungsmaßnahme, die Maria im Folgenden zuteil werden, können ihr Elend nur vertiefen, im Wissen, für immer aussortiert zu sein und den Lebenssinn eingebüßt zu haben. Das führt folgerichtig zum Verlust der Sozialkontakte, der ohnehin nicht sehr große Radius dieses Lebens wird immer mehr eingeschränkt, und der erzwungene Müßiggang sucht einen Ausweg im Absonderlichen: Maria zieht daheim eine Kaulquappe auf, um später einen Frosch als Haustier zu haben, der ihr aber beim Überwinterungsexperiment im Kühlschrank wegstirbt.
In vielen genau gesehenen Details beschreibt die Autorin das Abdriften ihrer Heldin in die soziale Isolation. Maria bricht den Kontakt zu Freundinnen und ehemaligen Arbeitskolleginnen ab, sie wechselt die Straßenseite, um Bekannten nicht zu begegnen, weil das geheuchelte Normalitätstheater sie zunehmend überfordert, sie führt am Handy Scheintelefonate, um beschäftigt zu erscheinen. Dem permanenten sinnlosen Bewerbungsdruck seitens des Job-Centers begegnet sie mit passiver Resistenz: Sie schwänzt die Kontrolltermine, was zur Kürzung der Arbeitslosen-Bezüge führt.
Die besondere Struktur des Romans unterstreicht die Zukunftslosigkeit dieser Existenz: Weidenholzer erzählt Marias Leben von der Gegenwart zurück bis zum Anfang. So spult sich Marias Werdegang in 54 teils ganz kurzen Kapiteln rückwärts ab, ihre misslungene Ehe vom Tod des Mannes zurück bis zum Kennenlernen, die große Liebe zu einem anderen Mann von dessen Verrat zurück zum ersten Liebesversprechen. Die Erzähltechnik im Krebsgang versperrt Marias Leben alle alternativen Ausgänge, betont aber auch die fatale Zufälligkeit ihrer Begegnungen und Entscheidungen. Als stilistische Verstärker baut die Autorin Originalsätze aus Ratgeberbüchern und gestanzte Belehrungssätze der Job-Berater in die Erzählung ein, die Marias Lage Hohn sprechen. All dies macht den Roman zur kunstvollen Grisaillenmalerei: grau in grau.
Besprochen von Sigrid Löffler
Anna Weidenholzer: Der Winter tut den Fischen gut
Residenz Verlag, Sankt Pölten 2012
237 Seiten, 21,50 Euro
Diese Maria Beerenburger ist eine verwitwete Frau Ende vierzig, eine Verkäuferin im Textilfachhandel, die 19 Jahre lang in einer Boutique gearbeitet hat, nur um vom Juniorchef mit schnöden Worten gekündigt zu werden: "Freuen Sie sich, es ist nicht selbstverständlich, in diesem Alter noch die Möglichkeit zu bekommen, sein Leben neu zu gestalten. Sehen Sie es positiv, Sie haben jetzt die Freiheit, von vorn zu beginnen."
Der Roman enthüllt auf jeder Seite den Zynismus dieser Worte: Marias Arbeitsplatzverlust in dieser Branche und in diesem Alter bedeutet die finale Verabschiedung aus dem Erwerbsleben. Jeder Ratschlag, jede Umschulungsmaßnahme, die Maria im Folgenden zuteil werden, können ihr Elend nur vertiefen, im Wissen, für immer aussortiert zu sein und den Lebenssinn eingebüßt zu haben. Das führt folgerichtig zum Verlust der Sozialkontakte, der ohnehin nicht sehr große Radius dieses Lebens wird immer mehr eingeschränkt, und der erzwungene Müßiggang sucht einen Ausweg im Absonderlichen: Maria zieht daheim eine Kaulquappe auf, um später einen Frosch als Haustier zu haben, der ihr aber beim Überwinterungsexperiment im Kühlschrank wegstirbt.
In vielen genau gesehenen Details beschreibt die Autorin das Abdriften ihrer Heldin in die soziale Isolation. Maria bricht den Kontakt zu Freundinnen und ehemaligen Arbeitskolleginnen ab, sie wechselt die Straßenseite, um Bekannten nicht zu begegnen, weil das geheuchelte Normalitätstheater sie zunehmend überfordert, sie führt am Handy Scheintelefonate, um beschäftigt zu erscheinen. Dem permanenten sinnlosen Bewerbungsdruck seitens des Job-Centers begegnet sie mit passiver Resistenz: Sie schwänzt die Kontrolltermine, was zur Kürzung der Arbeitslosen-Bezüge führt.
Die besondere Struktur des Romans unterstreicht die Zukunftslosigkeit dieser Existenz: Weidenholzer erzählt Marias Leben von der Gegenwart zurück bis zum Anfang. So spult sich Marias Werdegang in 54 teils ganz kurzen Kapiteln rückwärts ab, ihre misslungene Ehe vom Tod des Mannes zurück bis zum Kennenlernen, die große Liebe zu einem anderen Mann von dessen Verrat zurück zum ersten Liebesversprechen. Die Erzähltechnik im Krebsgang versperrt Marias Leben alle alternativen Ausgänge, betont aber auch die fatale Zufälligkeit ihrer Begegnungen und Entscheidungen. Als stilistische Verstärker baut die Autorin Originalsätze aus Ratgeberbüchern und gestanzte Belehrungssätze der Job-Berater in die Erzählung ein, die Marias Lage Hohn sprechen. All dies macht den Roman zur kunstvollen Grisaillenmalerei: grau in grau.
Besprochen von Sigrid Löffler
Anna Weidenholzer: Der Winter tut den Fischen gut
Residenz Verlag, Sankt Pölten 2012
237 Seiten, 21,50 Euro