Allersberg in Franken

Amazon spaltet eine Kleinstadt

05:37 Minuten
Symbilbild: Ein Sortierzentrum des Onlineversandhändlers Amazon nachts.
So ein Sortierzentrum des Onlineversandhändlers Amazon könnte auch bald in Allersberg stehen - wenn die Einwohner dafür stimmen. © imago images / photothek / Florian Gärtner
Von Tobias Krone |
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Im fränkischen Allersberg will Amazon ein Logistikzentrum errichten. Das hat heftigen Streit hervorgerufen. Die einen hoffen auf Geld für Kitas und Schwimmbad, die anderen warnen vor dem Ausverkauf. Nun können die Allersberger abstimmen.
Um gleich einmal mit einem Gerücht einzusteigen: Amazon soll demnächst nach Allersberg kommen. Bis jetzt gibt es aber nur ordentlich Stunk um ein großes Feld, vom Örtchen Allersberg nur getrennt durch die Autobahn A9 und die ICE-Strecke München-Nürnberg. Thomas Schönfeld von der örtlichen CSU steht auf dem Feld, das seiner Meinung nach gerne bald mit weißen Industriehallen vollgestellt werden darf – nur eben nicht von Amazon.
"Definitiv. Amazon geht gar nicht."
Seit Wochen tobt unter den gut 8000 Einwohnern von Allersberg ein Streit. Ein Streit um ein globales Unternehmen, das sich offiziell zu etwaigen Plänen auf dieser Wiese nicht äußern möchte. Dessen Name sich aber bis heute auf offiziellen Erschließungsplänen des künftigen Industrieparks im Internet finden lässt: Amazon. Alles nur ein Verschreiber beim Ingenieurbüro, glaubt Norbert Reeg.
"Das war vielleicht von dem Planer gar nicht so gewollt. Sondern er hat es zum Beispiel erwähnt. Weil ihm vielleicht ein anderer gerade nicht eingefallen ist."
Also kein anderer Großbetrieb, der hier auch auf die grüne Wiese ziehen könnte. Norbert Reeg von der "Bürgerinitiative für Fortschritt und Entwicklung in Allersberg" und Thomas Schönfeld von der CSU trennt nicht viel. Aber die Frage nach Amazon hat einen Keil zwischen sie getrieben – und noch viele andere. Am Wochenende entscheiden die Menschen in Allersberg, ob Allersberg ein großes Gewerbegebiet bekommt, auf dem theoretisch auch ein Logistikzentrum von Amazon Platz hätte. Oder ob es auch anders geht.

Wie bekommt Allersberg Geld in die Kasse?

Zwei Bürgerinitiativen kämpfen gerade um jede Stimme. Und um die Wahrheit. Die kennt gerade nur der Bürgermeister Daniel Horndasch, der mit interessierten Unternehmen verhandelt und deshalb nichts sagen darf. Er sei im Urlaub, heißt es im Rathaus, und daher auch nicht für ein Interview verfügbar. Bei Norbert Reegs Bürgerinitiative "Fortschritt und Entwicklung" unterstützt man die Pläne des Bürgermeisters weitgehend, weil es jetzt schnell gehen sollte. Mitstreiter Rudolf Lauber redet da nicht lange herum.
"Wir müssen Gewerbe herbringen, damit wir richtige Gewerbesteuereinnahmen haben." Denn sonst könne man nichts im Ort. "Egal ob das die Grundschule ist, ob das der Kindergarten ist, ob das das Freibad ist. Uns fehlt hinten und vorne das Geld."
Das leuchtet hier allen ein. Auch das Gilardi-Haus, ein prachtvolles Palais aus dem 17. Jahrhundert im Besitz der Stadt, bröckelt vor sich hin. Mit den Schulden müsse Schluss sein, findet Norbert Reeg und seine Bürgerinitiative. So schnell wie möglich.
Ortsansicht von Allersberg in Franken: im Vordergrund der Spitalweiher, dahinter der Torturm und das ehemalige Spital.
Durchaus idyllisch, diese Ortsansicht von Allersberg. Doch anderswo muss saniert werden - dafür braucht es Geld.© picture alliance / imageBROKER / Martin Siepmann
Das müsse der Gemeinderat entscheiden, wer da hinkommt. "Da muss einfach die Fläche verwirklicht werden", so Reeg, "um mit der Vermarktung der Flächen wieder Geld in die Kasse zu kriegen, um schon mal die Altschulden wegzukriegen."

Eine Million Euro für Vorplanungen

Egal wie. Fakt ist, dass auf jeden Fall die Gemeinde alle Schulden los wäre mit einem Großverkauf. Und dass die Mehrheit im Gemeinderat aus unabhängigen Listen ihrem Bürgermeister folgen würde, bei diesem Verkauf. Das machte wiederum seine Gegner skeptisch, die sich zur Bürgerinitiative "Lebenswertes Allersberg" formierten – und auch den CSU-Politiker Thomas Schönfeld, der mit ihr sympathisiert. Denn hier kommt wieder die Amazon-Frage ins Spiel. Das Unternehmen mietet seine Logistik-Zentren nämlich gern beim Unternehmen P3. Und das scheint zumindest schon gut in Verhandlungen zu stehen.
"Mittlerweile ist auch schon eruiert worden, dass in Luxemburg schon eine Firma gegründet wurde, die den Namen ‚P3 Allersberg‘ trägt."
Offenbar ist sich diese Partner-Firma von Amazon ihres Zuschlags so sicher, dass sie nicht nur ein Subunternehmen mit dem Namen Allersberg in Luxemburg gründete, sondern nach eigenen Angaben auch gleich noch eine knappe Million Euro in Vorplanungen investierte. Dass P3 das Feld für Amazon bereitet, möchte man im Unternehmen nicht bestätigen.

Lieber kleine produzierende Unternehmen

Carsten Hüglin von den Amazon-Gegnern fürchtet aber, dass es so kommt. Und fürchtet um die Gewerbesteuer: "Mit Amazon, das weiß jeder, da wird der Gewinn kleingerechnet – versteuert, weiß der Teufel wo." Die Gemeinde habe durch die Konstellation, wenn P3 hier gekauft hat, keinerlei Einfluss, wer auf das Gelände komme – und wo die Steuern bezahlt würden, so Hüglin.
Carsten Hüglin und seine Unterstützenden wollen auch ein Gewerbegebiet, aber eher kleine produzierende Unternehmen – mit möglichst gut bezahlten Jobs. Dafür wären sogar auch die Grünen. Ein schneller Großverkauf der Flächen dagegen sorge dafür, "dass dann vielleicht ein guter Betrag in der Kasse ist – und danach dann einfach nichts mehr kommt." Das mache ihm richtig Angst: "Dass dann irgendwann unsere Kinder und Enkelkinder dastehen und sagen: Ihr habt die letzten möglichen Flächen veräußert ohne Zukunftsperspektiven."
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