Alles ist im Wandel, nur die Queen bleibt
Zwei Jubiläen begehen die Briten in diesem Jahr: das Kronjubiläum der Königin und den 200. Geburtstag von Charles Dickens. Der britische Politikwissenschaftler Anthony Glees meint, dass Dickens wohl sehr gern über die Queen und ihre Zeit geschrieben hätte.
Was ist mit uns Briten los? 2012 ist ein gutes Jahr, diese Frage zu stellen. Es ist das Jahr der Olympischen Spiele und die Welt wird uns besuchen. Es ist aber auch das Jahr von zwei sehr wichtigen Jubiläen. Die Königin regiert seit 60 Jahren und Charles Dickens wurde vor 200 Jahren geboren.
Außer William Shakespeare, der 200 Jahre zuvor gestorben war, hat keiner mehr als Dickens definiert, was es bedeutet, ein Engländer zu sein. Charles de Gaulle schrieb in seinen Memoiren, dass sein ganzes Leben von einer "gewissen Idee von Frankreich" geprägt war. Dickens, wie vor ihm Shakespeare, gab uns Briten "eine gewisse Idee" des Britisch-seins.
Um ganz genau zu sein, er gab uns "eine gewisse Idee von England", denn damals meinte man mit "England" Großbritannien. Und Großbritannien war England. Das Unionsgesetz von 1707 machte die britischen Inseln zum "Vereinigten Königreich" Großbritannien, nicht weil wir so wunderbar oder mächtig waren, sondern um es zu unterscheiden von "Kleinbritannien", von der Bretagne in Frankreich, die uns mal gehörte.
Man könnte sagen, dass William Shakespeare England durch die Monarchie, durch Gebrauch und Missbrauch politischer Macht, definierte. Charles Dickens dagegen erklärte England, indem er über Familienleben, Freundschaft, Komisches und Männergeselligkeit schrieb, über Industrialisierung und Armut, darüber, was mit den Menschen geschah, als einige Leute auf einmal sehr reich wurden, ohne Rücksicht auf die Armen und Schwachen in der Gesellschaft zu nehmen.
Wie Shakespeare sah Dickens schon ein, dass die Monarchie die zentrale Rolle in der Gesellschaft spielt, blieb aber selbst vom Rummel um Königin Viktoria unbeeindruckt, ja er mied die Royals.
Dickens’ "gewisse Idee von England" prägt auch heute noch unsere Gesellschaft. Wir empfinden Politiker als unehrlich, ja unfähig, die Armut zu bekämpfen. Wir sind tief unsicher darüber, was eigentlich unsere Werte sind, was uns als Gesellschaft zusammenhält, ob es sie überhaupt noch gibt. Wir haben kein festes Konzept für Ehe, Familie, Religion.
Mehr als irgendwann seit den dunklen Tagen von 1940 ist Großbritannien voll der Ungewissheit. Wenn Schottland für Unabhängigkeit stimmt, wird Wales folgen. Ohne sie aber kann es ein Vereinigtes Königreich nicht mehr geben. Im Dezember versuchte Premier David Cameron, den Euro zu untergraben. Die Mehrheit seiner konservativen Parteigenossen, vielleicht sogar seiner Landsleute, würde gern ganz aus der EU austreten.
Aber wirklich erstaunlich ist, dass inmitten des ganzen Wirbels das britische Volk, die Engländer einfach weiter machen und - vor allen Dingen - dass die Königin nicht nur weiter macht, sondern sich freudiger, energievoller denn je in der Öffentlichkeit zeigt. Sie wird auch überall begeistert aufgenommen. Damit will die Königin sagen: "Was auch kommen mag, die Monarchie wird bleiben."
Dickens und Shakespeare hätten über diese Ironie gern geschrieben. Alles ist im Wandel, nichts bleibt. Nur das bleibt bestehen, was schon Julius Cäsar auf den Inseln vorfand: eine Idee von England, durch das Königtum definiert.
Anthony Glees, geboren 1948 in Oxford, ist Professor für Politikwissenschafen an der Universität Buckingham. Er studierte in Oxford, Bonn und Göttingen, lehrte ebenfalls in Oxford, aber auch in Warwick und Brunel. Glees beschäftigt sich wissenschaftlich mit den britisch-deutschen Beziehungen, der Europapolitik und nationalen Sicherheitsfragen (Terrorgefahren, Geheimdienstarbeit), und schrieb sechs Bücher sowie Artikel für Zeitungen und Hörfunk.
Außer William Shakespeare, der 200 Jahre zuvor gestorben war, hat keiner mehr als Dickens definiert, was es bedeutet, ein Engländer zu sein. Charles de Gaulle schrieb in seinen Memoiren, dass sein ganzes Leben von einer "gewissen Idee von Frankreich" geprägt war. Dickens, wie vor ihm Shakespeare, gab uns Briten "eine gewisse Idee" des Britisch-seins.
Um ganz genau zu sein, er gab uns "eine gewisse Idee von England", denn damals meinte man mit "England" Großbritannien. Und Großbritannien war England. Das Unionsgesetz von 1707 machte die britischen Inseln zum "Vereinigten Königreich" Großbritannien, nicht weil wir so wunderbar oder mächtig waren, sondern um es zu unterscheiden von "Kleinbritannien", von der Bretagne in Frankreich, die uns mal gehörte.
Man könnte sagen, dass William Shakespeare England durch die Monarchie, durch Gebrauch und Missbrauch politischer Macht, definierte. Charles Dickens dagegen erklärte England, indem er über Familienleben, Freundschaft, Komisches und Männergeselligkeit schrieb, über Industrialisierung und Armut, darüber, was mit den Menschen geschah, als einige Leute auf einmal sehr reich wurden, ohne Rücksicht auf die Armen und Schwachen in der Gesellschaft zu nehmen.
Wie Shakespeare sah Dickens schon ein, dass die Monarchie die zentrale Rolle in der Gesellschaft spielt, blieb aber selbst vom Rummel um Königin Viktoria unbeeindruckt, ja er mied die Royals.
Dickens’ "gewisse Idee von England" prägt auch heute noch unsere Gesellschaft. Wir empfinden Politiker als unehrlich, ja unfähig, die Armut zu bekämpfen. Wir sind tief unsicher darüber, was eigentlich unsere Werte sind, was uns als Gesellschaft zusammenhält, ob es sie überhaupt noch gibt. Wir haben kein festes Konzept für Ehe, Familie, Religion.
Mehr als irgendwann seit den dunklen Tagen von 1940 ist Großbritannien voll der Ungewissheit. Wenn Schottland für Unabhängigkeit stimmt, wird Wales folgen. Ohne sie aber kann es ein Vereinigtes Königreich nicht mehr geben. Im Dezember versuchte Premier David Cameron, den Euro zu untergraben. Die Mehrheit seiner konservativen Parteigenossen, vielleicht sogar seiner Landsleute, würde gern ganz aus der EU austreten.
Aber wirklich erstaunlich ist, dass inmitten des ganzen Wirbels das britische Volk, die Engländer einfach weiter machen und - vor allen Dingen - dass die Königin nicht nur weiter macht, sondern sich freudiger, energievoller denn je in der Öffentlichkeit zeigt. Sie wird auch überall begeistert aufgenommen. Damit will die Königin sagen: "Was auch kommen mag, die Monarchie wird bleiben."
Dickens und Shakespeare hätten über diese Ironie gern geschrieben. Alles ist im Wandel, nichts bleibt. Nur das bleibt bestehen, was schon Julius Cäsar auf den Inseln vorfand: eine Idee von England, durch das Königtum definiert.
Anthony Glees, geboren 1948 in Oxford, ist Professor für Politikwissenschafen an der Universität Buckingham. Er studierte in Oxford, Bonn und Göttingen, lehrte ebenfalls in Oxford, aber auch in Warwick und Brunel. Glees beschäftigt sich wissenschaftlich mit den britisch-deutschen Beziehungen, der Europapolitik und nationalen Sicherheitsfragen (Terrorgefahren, Geheimdienstarbeit), und schrieb sechs Bücher sowie Artikel für Zeitungen und Hörfunk.