Chinas intelligenter Schule entgeht nichts
Kameras registrieren, ob die Schüler in der Mensa gesundes Essen ordern, welche Bücher sie ausleihen, ob sie zu spät kommen und welchen Gesichtsausdruck sie im Unterricht machen. In China ist eine solche Rundum-Überwachung schon Wirklichkeit.
Kein Geld, keine Essensmarken, keine Mensakarte: Wenn die 16-jährige Meng Jinyang in die Schulmensa der Oberschule Nummer Elf in Hangzhou zum Mittagessen geht, reicht das Gesicht. In Schuluniform mit blauem Rock und weißer Bluse stellt sie sich für wenige Sekunden vor einen Hochkant-Monitor. Ihr Gesicht wird gescannt, ihr Menü vorbereitet.
"Früher hatten wir die Mensakarte mit, die hat man aber ab und zu auch vergessen. Jetzt läuft das mit Gesichtserkennung. Das ist deutlich bequemer. Das Gesicht wird gescannt, und dann gibt es Essen. Das System weiß durch die Gesichtserkennung, was wir für heute bestellt haben."
Ein Ernährungsbericht geht an die Eltern
Für jeden Einzelnen sind die Menü-Bestellungen gespeichert. Jeweils bis Freitag wählen die Schüler ihr Essen für die kommende Woche. Das System generiert dabei Daten zum Thema Ernährung, erzählt Lehrerin Zhu Zhiyao.
"Nach jeder Bestellung werden die Daten gesammelt. Nach einiger Zeit können wir daraus Schlüsse ziehen. Auch die Eltern bekommen die Informationen. Wir können dann sehen, wie viele Proteine, Kohlenhydrate und frittiertes Essen die Kinder im Monat gegessen haben. Wir erhalten so einen Ernährungsbericht."
Und der Computer spuckt dann Vorschläge zur Ernährungsoptimierung aus. Wer sich zu viel an süßen Nachtischen oder Getränken vergreift, fällt sofort auf. Kaum etwas bleibt an der Oberschule Nummer Elf in Hangzhou unbemerkt. Wenn morgens jemand zu spät auf dem Schulhof eintrudelt, wird Lehrerin Zhu per Kurznachricht auf dem Smartphone informiert.
"Wenn jemand später kommt, ist der Haupteingang geschlossen. Dann müssen die Schüler durch ein Gesichtserkennungssystem eintreten. Und wir Lehrer können dann auf dem Wechat-Konto der Schule sofort sehen, wer sich heute verspätet hat."
Schaut der Schüler unaufmerksam, registriert das die Kamera
Auch im Klassenraum der Hangzhou-Oberschule hängen intelligente Kameras. Sie können das Verhalten jedes einzelnen Schülers erfassen, Daten sammeln und analysieren. Auch die 16-jährige Jinyang hat dadurch schon Hinweise zu ihrem Lernverhalten bekommen.
"Im Unterricht im Klassenzimmer wurde die Gesichtserkennung auch schon eingesetzt. Unsere Gesichtsausdrücke während des Unterrichts können so ausgewertet werden. Und die Schule weiß dann, wie gut wir uns im Unterricht konzentrieren. Wir erhalten Tipps, wenn wir nicht aufmerksam waren. Um sich dann künftig mehr anzustrengen. Gerade in den Fächern, auf die wir keine große Lust haben, sollen wir uns verbessern."
Die Oberschule Nummer Elf ist eine der ältesten und renommiertesten Schulen in der südchinesischen Millionen-Metropole Hangzhou. Schulleiter Zhang Guanchao ist davon überzeugt, dass künftig in Klassenzimmern künstliche Intelligenz eingesetzt wird. So wie seine Schule es schon ausprobiert hat.
"Es ist eine Art aktives Management-System für das, was wir intelligente Schulklasse nennen. Bestimmte Verhaltensweisen und Gesichtsausdrücke der Schüler geben einen Hinweis auf Leistung und Konzentration im Unterricht. Unser System ist noch in der Entwicklungsphase, und es gab durchaus auch Kontroversen, als wir es ausprobiert haben. Deshalb haben wir es gerade ausgesetzt, arbeiten aber weiter daran!"
Die Überwachung sorgt für Empörung
Die Überwachung und Auswertung des Schülerverhaltens im Unterricht hat sogar in China mediale Empörung ausgelöst. Aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann das System im Klassenraum wieder eingesetzt wird, glaubt Schulleiter Zhang Guanchao. Er möchte für China Vorreiter sein.
"Wir sind in Sachen Smart-Campus die führende Schule in China. Wir haben landesweit den ersten Getränkeautomaten, der mit Gesichtserkennung funktioniert. Auch unser Bibliotheksautomat, an dem man Bücher ausleiht, funktioniert so und ist der erste seiner Art. Diese Produkte gibt es auf dem Markt noch gar nicht. Wir arbeiten daran, die intelligente Schule der Zukunft zu bauen. Unser Smart-Campus wird den Leuten zeigen, wie so etwas aussieht."
Die Schule in Hangzhou hat einen parkähnlichen Campus und großzügige Sportanlagen. Es wirkt idyllisch, aber es gibt hier kaum etwas, das nicht von Kameras überwacht und analysiert wird. Sogar das Ausleihen der Bücher funktioniert via Gesichtserkennung. Lehrerin Zhu Zhiyao steht vor einem Bücherschrank, gläserne Schließfächer für Bücher.
"Die Schüler können hier anhand von Gesichtserkennung Bücher ausleihen. Zuerst die Bücher wählen und dann einfach in die Kamera schauen. Wir sammeln die Daten und wissen dann, wer welche und wie viele Bücher ausgeliehen hat. Die Bibliothek kann dann besser nach dem Interesse der Schüler die Bücher einkaufen."
"Die Kamera stört uns nicht so"
All das ist für Schülerinnen wie Meng Jinyang und ihre Freundin Huang Siyu nichts Besonderes mehr. An die Technologie in ihrer Schule haben sie sich gewöhnt.
"Wir sind immer noch in der Schule. Wir sollten das Lernen für die Hauptaufgabe halten. Einerseits führt das zu einem bestimmten Gefühl der Überwachung, aber andererseits hilft es uns auch. Die Vorteile sind größer als die Nachteile."
"Das hilft der Schule, eine personalisierte Ausbildung anzubieten. Nach unserem Interesse bietet die Schule Essen und Bücher an. Das wird uns helfen und uns nicht stören. Die Kamera spielt eine Art Aufsichtsrolle und funktioniert als Warnzeichen. Sie hilft uns, uns selbst zu kontrollieren. Die Kamera stört uns nicht so."
Die chinesische Regierung treibt die Forschung zur künstlichen Intelligenz massiv voran, ebenso wie die praktische Anwendung. China hat sich längst zum wichtigsten Standort für die Produktentwicklung für künstliche Intelligenz gemausert. Die Oberschule Nummer Elf in Hangzhou gilt als Modell für die Zukunft, wie künstliche Intelligenz auch an Schulen eingesetzt werden kann. Im Mittelpunkt: Schülerverhalten überwachen, kontrollieren und analysieren.