Allgäu Airport Memmingen

Kleiner Flughafen ganz groß

Logo und Schriftzug des Allgäu Airport am Terminal des Flughafens (21.2.208).
Der Allgäu Airport im bayerischen Memmingen. © dpa / Andreas Gebert
Von Susanne Lettenbauer |
Schnell in den Urlaub ohne lange Sicherheitskontrollen? Zu Fuß zu seinem Flugzeug gehen? Das bieten Regionalflughäfen in Deutschland. Einige von ihnen gingen pleite: der Flughafen in Memmingen im Allgäu schaffte den Sprung auf die große Bühne.
Mit Schwung zieht Ralf Schmid die Vorhänge in seinem Büro beiseite. Hinter einem Zaun erstreckt sich die große Asphaltfläche des Flughafens Memmingen. In der Mitte kann man die Startbahn erkennen. Dahinter vereinzelt Hangars – Flugzeuggaragen. Auf Bierbänken eines kleinen Kiosks sitzen Fluggäste in der Sonne. Ein Airbus der ungarischen WizzAir steht vor dem Terminal. Hektik? Fehlanzeige:
"In der Regel kommen sie, laden die Passagiere aus, boarden, nehmen die neuen Passagiere mit - und dann geht es gleich auch schon weiter. Es ist ja nur eine Maschine bei uns stationiert, die nachts hier steht."
Langsam rollt die WizzAir-Maschine auf die Startbahn, dreht gen Osten und startet Richtung Sibiu, Rumänien.
Der 51-jährige Bauingenieur Ralf Schmid arbeitet seit 2002 für den Memminger Flughafen. Erst im vergangenen Jahr wurde sein Vertrag als Geschäftsführer um drei Jahre verlängert. Eine Formalie für den Mann der ersten Stunde. Unter seiner Leitung ist Deutschlands höchstgelegener Flughafen unaufhörlich gewachsen, die Passagierzahlen liegen jetzt bei knapp über einer Million. Im Oktober – noch vor der Landtagswahl – werde Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zum Spatenstich für die Erweiterung der Startbahn kommen, erzählt Schmid stolz. Gesamtkosten 21 Millionen Euro.
"Die größte Einzelbaumaßnahme ist die Verbreiterung der Start- und Landebahn von 30 auf 45 Meter, das ist der Standard für Flugzeuge, die heute schon bei uns fliegen, wie zum Beispiel der Airbus 320 oder die Boeing 737."

Bayerns kleinster Flughafen

Dieser Airport ist gewissermaßen Schmids Baby. Seit im Jahr 2000 beschlossen wurde, dass die Bundeswehr aus Memmingen abzieht und das Jagdbombengeschwader 34 auflöst, liebäugelten Allgäuer Firmen mit einer Nachnutzung des riesigen Geländes. Damals noch als air-park allgäu GmbH. Anfangs plante man einfach ein normales Gewerbegebiet auf der gut 200 Hektar großen Fläche. Ein Passagierflughafen schien nicht machbar. Das Problem: Die schmale Startbahn mit 30 Meter Breite und 2.400 Metern Länge. Im Vergleich: Die Startbahn von Frankfurt-Hahn ist 45 Meter breit und vier Kilometer lang. Die meisten Maschinen landen an Bayerns kleinstem Flughafen bis heute nur mit Ausnahmegenehmigung, Piloten brauchen eine Zusatzausbildung für die schmale Landefläche. Trotzdem ging 2007 die erste Maschine an den Start, genehmigt vom Bundesverkehrsministerium.
Die Lage sei für Airlines und Fluggäste einfach hervorragend, meint der Flughafenchef:
"Die Region hat ein überdurchschnittlich hohes Einkommen, die Region ist sehr, sehr gut angebunden an die Verkehrsachsen zu den umliegenden Metropolen - und was für uns ganz wichtig ist: Die Region liegt im Voralpenland, das heißt, die Berge, Wintersportregionen sind von hier aus zu erreichen."
Aus einem Regal holt Schmid das Informationsmaterial zu den Flugplänen hervor. Der vorläufige Winterflugplan ab 28. Oktober ist sehr viel dünner als der noch gültige Sommerflugplan. Holiday-Flieger wie Fly Egypt nach Hurghada beschränken sich auf die Sommermonate, einmal die Woche. Ein Großteil der ganzjährigen Ziele liegt in Osteuropa. Und natürlich Irland.
Flughafenchef Ralf Schmid vor den Ausbauplänen
Flughafenchef Ralf Schmid vor den Ausbauplänen© Deutschlandradio / Susanne Lettenbauer
Seit im September 2017 die irische Fluggesellschaft Ryanair ihre zehnte Deutschland-Basis in Memmingen eröffnet hat, sind sechs neue Routen hinzugekommen. Damit können jetzt 16 Ziele mit dem Kleeblattflieger angeflogen werden, darunter Porto in Portugal, Fez in Marokko und Athen. Auch deshalb müsse der Flughafen ausgebaut werden, so Schmid:
"Die Airlines fordern den Ausbau schon seit Jahren, weil die Airlines natürlich eine höhere Verlässlichkeit der Infrastruktur fordern, denn genau die Airlines sind betroffen, wenn wir hier schlechte Sicht haben mit der um 15 Meter zu schmalen Start- und Landebahn gegenüber den internationalen Standards."
In den vergangenen Jahren standen etliche Airlines auf dem Gelände: TuiFly, SunExpress, Niki, AirBerlin, Intersky, OLT Express, Germanwings – geblieben sind zwei.
Also pokert Airportchef Schmid. Erst kürzlich entschied ein Gericht, dass die Nachtflugzeiten von 22 auf 23 Uhr ausgedehnt werden können, im Zweifelsfall auch bis 24 Uhr. Laut Luftamt Südbayern betraf das im Jahr 2017 47 Starts nach 22.00 Uhr und 39 Landungen nach 22.30 Uhr.

Schwarze Zahlen im Jahresbericht

Es wird knallhart kalkuliert unter den fast 100 kleinen und mittelständischen Gesellschaftern der Flughafen GmbH. Schwäbisch sparsam eben. Mühsam hat man sich 2017 von einem großen Schuldenberg befreit, jetzt stehen schwarze Zahlen in dem Jahresbericht.
Der geplante Ausbau sei trotzdem eine Gratwanderung, weiß Schmid, denn zu groß wolle man auch nicht werden:
"Natürlich, die richtige Größe, das ist genau das, wo wir ein Auge darauf haben auf die Investitionen. Also wir profitieren nicht nur von der Nähe zu den Metropolregionen wie München, aber, und das darf man nicht vergessen, wir haben auch ein eigenes Einzugsgebiet."
Christa Bail wohnt im Einzugsgebiet. Sie ist Bürgermeisterin der Gemeinde Westerheim in der Einflugschneise des Flughafens Memmingen. Sie steht vor einem Luftbild ihres Ortes und zeigt auf einzelne Häuser:
"Die kommen da rein. Die Flieger kommen da rein. Ich behaupte mal, keine Gemeinde ist so betroffen wie Westerheim, weil sie eher nur in Randgebieten betroffen sind. Und bei uns geht es wirklich mitten durch. Die halten sich ja auch nicht streng an den Flugkorridor, die fliegen dann halt mal da und dort und überall haben sie den Krach."
Bail ist eine sehr resolute Frau. Allein mit ihrer Sekretärin verantwortet sie die Geschicke ihrer kleinen Gemeinde von 1.400 Einwohnern. Gern würde sie noch mehr Familien Bauplätze für Einfamilienhäuser anbieten, aber der Flughafen verhindert es. Beziehungsweise die Fluglärmzonen, die bis 2019 vom Luftfahrtamt Süd neu berechnet werden müssen. In den Fluglärmzonen darf nicht gebaut werden und wenn, dann müssen Häuslebauer selbst die Lärmschutzfenster und Klimaanlagen finanzieren.
Die Entwicklungschancen ihres Ortes tendieren gen Null, meint sie. Aber der Flughafen sollte doch Firmenansiedlungen fördern, die Wirtschaft im Allgäu voranbringen? Wie viele neue Betriebe kamen seit Eröffnung des Allgäu Airports nach Westerheim?
"Bei uns jetzt keine. Nein. Also wir haben jetzt eine Tendenz, dass erkannt wird, dass wir eine gute Lage an der Autobahn haben, das wundert einen schon nach so vielen Jahren, dass das jetzt erst greift, da haben wir vermehrt Nachfragen, aber wegen des Flughafens? Nein."
"Die Geschäftsleute, die bestimmte Ziele erreichen müssten, um geschäftliche Tätigkeiten zu machen, die können sie von diesem Flughafen aus gar nicht erreichen, also das sind einzelne Ziele, wo es gerade trifft, aber im Großen und Ganzen kann ich nicht sagen, ich möchte jetzt da und da hin, weil ich das Gespräch mit der und der Firma habe, das geht halt nicht."
"Und innerdeutsch haben wir ja im Moment gar nix."

Mit fünf Euro pro Quadratmeter abgespeist

Josef Fickler als Bürgermeisterkollege von Christa Bail in der Nachbarschaft muss seinen Ärger über den geplanten Ausbau des Flughafens Memmingen mühsam zurückhalten. Dass er vor Jahren als Landwirt wie viele andere Grundstücksbesitzer von den Airport-Gesellschaftern mit fünf Euro pro Quadratmeter Grund abgespeist wurde, sonst wäre er zwangsenteignet worden, das könne man nicht mehr ändern, sagt er. Dass jetzt aber rund um den Brunnen von Unterhausen die Grenzwerte für PFT, also polyfluorierte Tenside, die auf dem früheren Militärflughafen zum Löschen von Bränden benutzt wurden, überschritten werden, das mache ihm extrem Sorgen.
Die Eröffnung des Flughafens sei wirtschaftlich nicht notwendig gewesen, sagt Dieter Buchberger, Professor an der Hochschule Ulm. Er gehört seit über zehn Jahren zum Verein "Bürger gegen Fluglärm", BgFl. Er sieht andere wirtschaftliche Aspekte:
"Im Memminger Krankenhaus arbeiten jetzt schon viele ukrainische Krankenschwestern, die wollen am Wochenende ja auch mal heim. Memminger Firmen beschäftigen viele Arbeitskräfte aus Rumänien, die wollen auch mal heim, so kann man die Arbeitskosten am Standort senken. Wir haben hier Boardinghouses, wo überwiegend Leute wohnen, die nicht hier wohnen."
Wegweiser am Flughafen Memmingen
Wegweiser am Flughafen Memmingen© Deutschlandradio / Susanne Lettenbauer
So viel die betroffenen Gemeinden auch wettern gegen die Nachtflüge und die Lärmbelastung - sie sehen sich in der Zwickmühle. Keiner von ihnen möchte, dass der Airport Konkurs geht. Eine Situation wie im mecklenburgischen Parchim, wo der Militärflughafen in chinesische Hände ging oder wie Frankfurt-Hahn, das Geschacher dort um Investoren und der Zuschlag an ein chinesisches Tochterunternehmen - das will man im Allgäu auf jeden Fall vermeiden. Schon um nächtliche Frachtflüge wie in Frankfurt-Hahn zu verhindern. Dafür gäbe es sowieso keine Genehmigung, entgegnet Ralf Schmid, der Flughafenchef und gleichzeitig Präsident des Europäischen Verbandes der Regionalflugplätze. Dem trauen die Kritiker nicht wirklich.

Preiswert und günstig

Die Fluggäste interessiert das alles überhaupt nicht. Ein Pärchen sitzt gemütlich auf den Bierbänken an dem kleinen, einzigen Kiosk. Sie seien viel zu früh da, die Abfertigung dauerte nur wenige Minuten, eigentlich hätte sie gern einen Prosecco getrunken vor dem Abflug nach Mallorca. Neben ihnen sitzt ein Mann aus Weingarten/Baden-Württemberg, auch er zum ersten Mal am Allgäu Airport. Hier könne man noch zu Fuß über das Rollfeld gehen. Sein Flieger nach Hurghada geht am Abend. Er genießt vor allem die Ruhe:
"Wir sind sonst immer von München geflogen, in Friedrichshafen kriegen die das nicht auf die Reihe, nach München ist eben eine lange Anfahrt und hier ist es preiswert und günstig, auch vom Parken her, alles nicht so weit weg, also wir sind zufrieden. Ob der Ausbau sein muss, das können wir nicht beurteilen. Wir würden froh sein, wenn wir hier öfter noch abfliegen könnten."
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