Die Menschenwürde vor den Relativierern schützen
In wenigen Tagen wird die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 70 Jahre alt. Mitunter werden Zweifel an ihrer Gültigkeit gesät. Journalistin Caroline Fetscher hält zum Beispiel die Relativierung der Genitalverstümmelung bei Mädchen für gefährlich.
Der 70. Geburtstag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte steht bevor. Die Erklärung hat den Anspruch, universell gültig sein. Kaum jemand stellt sich in philosophischen und politischen Debatten grundsätzlich gegen sie. Hier und da werden aber inzwischen größere und kleinere Fragezeichen gesetzt und Zweifel gesät.
Die Kritik komme vor allem aus Forschungsgebieten wie den Postcolonial Studies oder den Gender Studies und auch aus den Identity politics, sagt die Journalistin Caroline Fetscher im Deutschlandfunk Kultur. Es heiße dann, pauschal zu behaupten, es gebe die Menschenrechte und die Menschenwürde, und das werde nicht allen Menschen gerecht. Jeder verstehe unter den Begriffen nun mal etwas anderes, Differenz und Diversität müssten möglich sein.
Andere Vorstellungen von Körperlichkeit und Reife
In der extremen Form würden dann Genitalverstümmelungen bei Mädchen gerechtfertigt mit dem Hinweis, hier gehe es um eine andere Vorstellung von Körperlichkeit und Reife, sagt Fetscher: "Und wir dürfen da nicht mit westlich-kolonialen, arroganten, hetero-normativen, patriarchalen und weißen Vorstellungen rangehen."
"Ich halte das für die gefährlichste Debatte, die man haben kann in Bezug auf die Menschenrechte", sagt Fetscher: "Weil sich damit alles relativieren lässt." Auf diese Weise könne man auch Folter rechtfertigen - in dem man sage, dass andere Menschen nun mal ein anderes Verhältnis zum Schmerz hätten.
An sich gebe es in Gender Studies und Identity politics jede Menge vernünftige Forderungen, betont Fetscher: "Aber es entgleist und entgleitet dann in solche Relativierungsdiskurse, wo die Menschenrechte ad absurdum geführt werden", kritisiert sie scharf.
Relativieren ist eine "Mode"
Es gebe eine Basis, die es überhaupt erst möglich mache, "dass man so spricht", sagt Fetscher. Das sei der demokratische Rechtsstaat: "Das ganze muntere Dekonstruieren an den Universitäten oder in der Entwicklungszusammenarbeit ist nur möglich, weil es die Freiheit der Lehre und der Forschung gibt. Weil es den Boden gibt der Menschenrechte, der Demokratie, der Rechtstaatlichkeit."
Fetscher sprach von einer "Mode", die Menschenrechte zu relativieren: "Ich glaube, das kann wieder eingefangen werden, aber nicht im Inneren dieser Diskurse. Die sind jetzt so selbstzirkulär, die kommen da nicht mehr raus."
(ahe)
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