"Wir brauchen Sicherheiten, die überall gelten"
Menschenrechte, glauben wir, sind universell gültig. Doch stimmt das überhaupt? Auch die Menschenrechte seien nur eine Idee und nicht neutral, sagt der Theologe Hans-Georg Ziebertz. Es gebe zu ihnen aber keine Alternative.
Die Menschenrechte, wie sie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 festschreibt, erheben den Anspruch, überall auf der Welt, zu jeder Zeit und für alle Menschen gleichermaßen gültig zu sein. Dieser Anspruch wird damit begründet, dass sie nicht einer bestimmten Kultur oder Religion entspringen, nicht weltanschaulich gebunden und keiner partikularen Moral zugeordnet sind.
Doch Kultur und Religion umgeben den Menschen, bestimmen seine Sicht auf das Leben und prägen seine Vorstellung von sich selbst und der Gesellschaft. Kann der universelle Anspruch der Menschenrechte in der Wirklichkeit eingelöst werden?
Neben Kritikern aus asiatischen und afrikanischen Staaten waren und sind es vor allem Muslime, die die Allgemeingültigkeit der Erklärung in Frage stellten. Mit der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte im Islam", herausgegeben 1981 vom Islamrat für Europa, und der "Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam", 1990 veröffentlicht von der Organisation der Islamischen Konferenz, wurden zwei islamische Gegenentwürfe zur UN-Deklaration vorgelegt.
Islamische Erklärungen stellen die Scharia in den Mittelpunkt
Die islamischen Erklärungen stellen die Scharia, das islamische Recht, in den Mittelpunkt und über alle anderen Rechte. In beide Erklärungen wird Kollektivrechten ein wesentlich höherer Stellenwert eingeräumt als in der Erklärung der Vereinten Nationen: Im Zweifelsfall steht das Wohl der Gemeinschaft über dem Wohl des Einzelnen.
Der Würzburger Theologe Hans-Georg Ziebertz sieht in den islamischen Erklärungen keine echte Alternative zu der UN-Deklaration. Natürlich seien die Menschenrechte nicht einfach gesetzt und neutral, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Hinter ihnen ständen Werte und Ideen.
Nur gebe es weltweit derzeit keine andere Idee, die von so vielen Staaten akzeptiert worden sei wie die der Menschenrechte. Was nicht heiße, dass es über einzelne Fragen keinen Streit mehr gebe - es sei aber zumindest der Versuch, über alle Kulturen und Ideologien hinaus "etwas Weltumspannendes zu schaffen, für das es keine echte Alternative gibt", betonte Ziebertz.
"Wenn jeder nur aus seinem eigenen Blickwinkel Werte und Normen festlegt, wir aber in einer globalen Welt leben, dann stoßen wir einfach an Grenzen. Es braucht gewisse Sicherheiten, die überall gelten", sagte der Wissenschaftler.
Die Frage, inwieweit die Interpretation der Menschenrechte abhängig ist vom kulturell-religiösen Umfeld, steht auch im Mittelpunkt eines Symposions, das heute an der Universität Würzburg stattfindet.