Allianz gegen Flüchtlinge

EU flirtet mit Ägypten

Hurghada am Roten Meer: Ein bewaffneter ägyptischer Polizist in einem Aussichtsturm bewacht die Umgebung.
Ein Polizist überwacht in Hurghada am Roten Meer die Umgebung: Ägypten sei ein "repressiver Polizeistaat", sagt Jürgen Stryjak. © picture alliance / imageBROKER
Jürgen Stryjak im Gespräch mit Ellen Häring |
Ginge es nach der EU, dann sollten Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa möglichst in Nordafrika aufgehalten werden. Einige Länder sind Vorreiter. Auf dem EU-Gipfel in Salzburg wurde Ägypten für seine "Effizienz" gelobt. Taugt das Land als Partner?
28 EU-Staatschefs haben sich letzte Woche in Salzburg zu einem informellen Gipfel getroffen, um sich unter anderem über die EU-Migrationspolitik zu verständigen. Innerhalb der EU kommt man in der Frage der Verteilung der Flüchtlinge keinen Schritt weiter, deshalb sucht man verstärkt nach Partnern in Nordafrika. Ägypten sei "effizient und vorbildlich", so lobte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz. Nicht ein einziges Boot mit Flüchtlingen habe in diesem Jahr von der Küste Ägyptens abgelegt Richtung Europa.
Sebastian Kurz (ÖVP), Bundeskanzler von Österreich, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, trifft am Morgen zur Plenarsitzung des informellen EU-Gipfels in Salzburg ein.
Gastgeber Sebastian Kurz, Bundeskanzler von Österreich, lobte Ägypten beim informellen EU-Gipfel in Salzburg.© dpa/Matthias Schrader
Unser Korrespondent in Kairo, Jürgen Stryjak, findet das nicht verwunderlich.
"Das hat sicherlich damit zu tun, dass man die Zugänge zur Mittelmeerküste inzwischen besser bewacht, aber das Wesentliche ist: Ägypten ist ein absoluter Nebenschauplatz. Von hier aus starten schon immer nur wenige Boote Richtung Europa, die Musik spielt wo anders. Libyen zum Beispiel, Tunesien. Die ägyptische Mittelmeerküste ist von Europa doch ziemlich weit weg, der Weg ist zu gefährlich. Außerdem ist Ägypten ein sehr schwieriges Transitland, weil es sich um einen sehr gut kontrollierten und repressiven Polizeistaat handelt."

Bereitschaft für Auffangzentren signalisiert?

Die EU wünscht sich idealerweise sogenannte Auffangzentren auf dem afrikanischen Kontinent, damit Flüchtlinge gleich gar nicht nach Europa kommen. Sie sollen dann dort ihre Asylanträge stellen können. Bisher hat allerdings noch kein Land zugesagt, solche Zentren zu beherbergen. Ägypten soll angeblich jetzt aber Bereitschaft signalisiert haben.
Jürgen Stryjak: "Davon weiß ich nichts. Ägypten hat nur signalisiert, dass es zu Gesprächen bereit ist. Der ägyptische Parlamentspräsident hat vor wenigen Wochen erklärt, dass EU-Aufnahmezentren gegen die Gesetze des Landes verstoßen würden. Man wird die unter keinen Umständen einrichten wollen."
Abdel Fattah al–Sisi, der 2013 durch einen Militärputsch an die Macht kam, regiert Ägypten mit harter Hand. Wenn die EU mit ihm verhandeln will, ist mit Protesten zu rechnen.
"Ägypten ist ein repressiver Polizeistaat mit einer düsteren Menschenrechtslage. Amnesty International bezeichnet Ägypten als Open Air-Gefängnis für Regimegegner. Die EU muss vorsichtig sein und gucken, dass sie keine Vereinbarung mit Ägypten trifft, die es erlaubt, Menschenrechtsverletzungen zu begehen."

Eine Zusammenarbeit kann dem Präsidenten nützen

Wie viel Geld in diesen Deal fließen soll, ist noch nicht bekannt, aber der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat auch noch ganz andere Interessen. Sein Image ist unter anderem wegen der vielen politischen Häftlinge stark ramponiert, ihm kann eine Zusammenarbeit mit der EU nützlich sein, denn sie erhöht seine Glaubwürdigkeit und Kompetenz nach außen.
Der Präsident der Arabischen Republik Ägypten, Abdelfattah Al-Sisi, spricht am 02.03.2017 im Ittihadiya-Palast in Kairo (Ägypten) während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel.
Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi in Kairo: Sein Image ist unter anderem wegen der vielen politischen Häftlinge ramponiert.© picture alliance / dpa / Soeren Stache
Al-Sisi ordnet dem "Kampf gegen den Terror" alles unter. Das bedeutet im Klartext: unliebsame Geister werden zu Terroristen erklärt und ins Gefängnis gesteckt. Völlig überfüllt sind die Haftanstalten, die Haftbedingungen sind katastrophal. Menschenrechtsgruppen appellieren deshalb immer wieder an die Internationale Gemeinschaft, diese Zustände nicht einfach hinzunehmen.

Algerien – weiterer Kandidat für einen EU-Deal

Nicht besser sieht es bei einem weiteren Kandidaten für den EU-Deal aus: Algerien. Angela Merkel hat das Land und seinen sage und schreibe 81-jährigen Präsidenten Abd al-Aziz Bouteflika Mitte September besucht - und die Stabilität dort gelobt. Nicht ganz uneigennützig, denn Deutschland will mit der dortigen Regierung zu einer verbesserten Rücknahme von algerischen Asylsuchenden kommen.
In Algerien wie in Ägypten werden diejenigen, die protestieren, einfach weggesperrt. Das betraf vor wenigen Wochen auch eine Gruppe junger Algerier, die dagegen demonstriert haben, dass ein 81-Jähriger Präsident für eine weitere Amtszeit kandidiert.
Noch gibt es den Deal nicht und die Partnersuche gestaltet sich schwierig. Im Februar 2019 will die EU mit den Ländern der Arabischen Liga über eine "vertiefte Zusammenarbeit" diskutieren. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz wartet nicht so lange. Er will auf der UN-Generalversammlung, die gestern begonnen hat, die verstärkte Afrika-Kooperation zum Thema machen. Noch vor Weihnachten ist dann ein EU-Afrika-Gipfel in Planung, der in Wien stattfinden soll. Eile ist geboten, denn der der österreichische EU-Ratsvorsitz endet 2018.
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