Die Schwierigkeit, ein Land zu konservieren
Mehr als nur komische Eierbecher und alte Möbel: Das DDR-Alltagsmuseum in Eisenhüttenstadt will kein Kuriositätenkabinett sein. Es will ostdeutsche Zeitgeschichte widerspiegeln. Die Schließung des Museums ist abgewendet. Zunächst.
Jahrelang hing das Damoklesschwert der Schließung über einer bundesweit einmaligen Sammlung von 160.000 DDR-Alltagsgegenständen in Eisenhüttenstadt: Weil die Stadt pleite war, wurde händeringend ein anderer Träger gesucht für das Dokumentationszentrum für DDR-Alltagskultur, das auch "historisches Gedächtnis Ostdeutschlands" genannt wird.
Seit diesem Jahr ist das Museum gerettet: Der Landkreis Oder-Spree ist eingesprungen, das Land Brandenburg hat seine Fördermittel erhöht. Unsere Brandenburg-Korrespondentin Vanja Budde hat sich das Dokumentationszentrum angesehen - und fand kurz vor Weihnachten noch letzte Geschenke im Museumsshop: Entzückende Eierbecher aus Plastik in Hühnerform.
"Interessant ist ja schon das Gebäude, das ist eine ehemalige Kinderkrippe. Und wenn man hier rein kommt, begegnet einem gleich dieses große Wand – oder Glasbild von Walter Womacka, eine seiner frühen Arbeiten in der DDR."
An Womackas Darstellung sozialistischen Kinderglücks vorbei geht es in den ersten Stock zur Zeitreise in die DDR-Vergangenheit. Als nach dem Fall der Mauer alle los rannten, um sich neue Möbel, neue Fernseher und Musikanlagen zu kaufen, da begannen Mitarbeiter des Stadtmuseums Sofas, Wäschekörbe, Schallplatten und Mopeds aus DDR-Beständen zu sammeln und zu sichern.
"Die Idee war damals in dieser Zeit, wo man sich neu eingerichtet hat unmittelbar nach der Wende, diese vielen Alltagsgegenstände vor der Vernichtung zu bewahren und sie für Ausstellungsprojekte, Filmprojekte, historische Forschung usw. aufzubewahren, also von der Kaffeemaschine bis zur Schrankwand."
Mehr als nur ein Ziel für Rentner
Eisenhüttenstadt, wo das Museum 1993 gegründet wurde, war die erste sozialistische Planstadt der DDR. Ab 1951 auf dem Reißbrett entstanden, sollte sie damals auch ein Schaufenster sein für die Leistungsfähigkeit der sozialistischen Gesellschaftsordnung. Kurator Axel Drieschner ist es aber wichtig, nicht nur ein Ziel für Rentner-Reisegruppen aus dem Osten zu sein.
"Das war dezidiert der Ansatz dieser Ausstellung, dass es eben nicht darum geht, irgendwelche nostalgischen Aspekte einseitig in den Vordergrund zu stellen, sondern immer die Querverbindungen zum auch diktatorischen Charakter dieses Staates und die Geschlossenheit der Gesellschaft, die von der SED gewünscht war, mit den Lecks zu kontrastieren, die es da immer wieder gab, wo man aus diesen Vorgaben ausbrechen und sich seinen eigenen Weg suchen konnte."
So sind hier sehr stabile, schwere Kassettenrekorder mit Holzhülle ausgestellt: Man bekam die 800 Mark teuren Geräte mit Glück zur Jugendweihe geschenkt und konnte dann Westmusik aufnehmen. Filmzusammenschnitte zeigen Massenaufmärsche an sozialistischen Festtagen, aber auch Überwachungsfilme der Stasi. Doch die Politik steht nicht im Mittelpunkt: Andere Themenkabinette sind mit "Arbeit", "Konsum", "Bildung" oder "Kommunikation" überschrieben.
Eine original Wohnungstür mit Papierrolle zum Abreißen zeigt schön plastisch, dass man sich mangels Telefonanschluss Nachrichten hinterließ. Nur den dazu gehörenden Bleistift hat einer der etwa 6 000 jährlichen Besucher mitgehen lassen. Zwar gab es zu Weihnachten oft ein Westpaket mit Kaffee und Schokolade, doch Lametta, Rotkäppchen-Sekt und Feinstrumpfhosen stellte die DDR selber her.
"Ja, das ist in Westdeutschland immer wieder so, dass man, wenn man hierherkommt mit diesem Hintergrund, erstaunt ist, dass die DDR eben nicht nur grau war und es nicht nur trocken Brot zu essen gab, sondern dass es eigentlich eine moderne Industriegesellschaft mit einem breiten Konsumangebot war."
Mehr Zusammenarbeit mit Schulklassen
Die Vielfalt, aber auch die Qualität des Produktdesigns und des Grafikdesigns überrasche viele Besucher aus dem Westen, erzählt Drieschner. Doch die DDR-Bürger kamen an viele Herrlichkeiten nur schwer heran:
Auf das Moped "Schwalbe" zum Beispiel musste man fast genauso lange warten wie auf einen Trabi. Leuchtend gelb steht der Kultroller im Zentrum der Ausstellung, liebevoll mit Einkaufsnetz am Lenker ausstaffiert, darin ein Glas mit feinen Erbsen und Möhrchen aus ostdeutscher Produktion.
"Die 'Schwalbe' ist ja ein sehr langlebiges Konsumgut gewesen, und es war auch erwünscht, dass höherwertige Konsumprodukte langlebig sind und auch relativ einfach repariert werden können, anders als heute, wo häufig Teile so zugeschweißt sind, dass man nicht rankommt, war es in der DDR eben Gang und Gäbe, dass man schon beim Design dieser Produkte darauf geachtet hat, dass es eben auch immer wieder reparierbar ist."
Menschen aus dem Osten Deutschlands reagierten ganz unterschiedlich auf die rund 600 gezeigten Objekte, sagt Drieschner:
"Für die einen ist es eine Bestätigung ihrer eigenen Erfahrung, andere haben positivere oder negativere Erinnerungen an die DDR, als sie das hier repräsentiert finden. Und dann erkennt man eigentlich, dass es immer noch ein offener Diskussionsprozess ist, diese Geschichte zu verhandeln. Es gibt keine Kanonisierung in irgendeine Richtung. Das ist aber genau der Aspekt, der uns wichtig ist, dass man eben die Grautöne darstellt und hier nicht ein Schwarz-Weiß-Gemälde erstellt, sondern eben diese Offenheit und diese Kontroversität auch deutlich macht."
Gerne wäre das Haus noch viel offener, würde noch intensiver mit Schulklassen zusammen arbeiten. Die Dauerausstellung zeigt nur einen Bruchteil der etwa 160 000 Objekte umfassenden bundesweit einmaligen Sammlung. Sie lagern in Außendepots, die nicht zugänglich sind. Kurator Axel Drieschner träumt deshalb von einem Schaudepot und einem Raum für Veranstaltungen. Schade nur, dass sich Hoffnungen, neben dem Land und dem Kreistag würde auch der Bund den Hütern der DDR-Alltagsgeschichte finanziell unter die Arme greifen, bislang nicht erfüllt haben.