Hits mit Migrationshintergrund
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Als türkische Gastarbeiter nach Deutschland kamen, sangen sie hier ihre eigenen Lieder. Hits entstanden, von der die Mehrheitsgesellschaft keine Notiz nahm. Nun gehen bekannte deutsch-türkische Musiker der vergangenen 60 Jahre gemeinsam auf Tour.
"Zalim Almanya" von Yüksel Özkasap ist ein deutscher Popklassiker. Der Hit der Kölner Sängerin aus dem Jahr 1975 verkaufte sich damals 800.000 Mal – und ist doch in der Mehrheitsgesellschaft heute unbekannt. Denn in der breiten deutschen Öffentlichkeit wurden Song und Sängerin kaum wahrgenommen, so wie auch andere Musik von türkischen Einwanderern, die seit dem Gastarbeiter-Abkommen 1961 in die Bundesrepublik gekommen waren.
Nun beginnt die Livetour einer Band, die sich aus einigen der bekanntesten deutsch-türkischen Musikerinnen und Musikern der vergangenen 60 Jahre zusammensetzt. Unter dem Namen Almanya Türküleri – übersetzt "deutsche Volkslieder" – ist die Gruppe auf Tournee. Initiiert hat das Projekt der Musiker, Filmemacher und Autor Nedim Hazar.
Singen statt Radio hören
"Als die Gastarbeiter hier her kamen, ganz am Anfang, gab es kein türkisches Radio, Telefonieren war sehr teuer, der Briefwechsel dauerte in der Regel ein bis zwei Wochen", beschreibt Hazar die Situation, in der die Musik für die angeworbenen Arbeiterinnen und Arbeiter wichtig wurde. Also seien die Menschen nach Feierabend zusammengekommen, hätten Lieder gesungen und ihre eigenen Songs geschrieben.
In Köln habe schließlich ein Unternehmer ein Plattenlabel für diese Musik gegründet, erzählt Hazar. Die Schallplatten und Kassetten seien dann aber nicht in Plattenläden, sondern in Lebensmittelgeschäften verkauft worden, "zwischen Oliven und Schafskäse sozusagen".
Deutschland soll zuhören
Die Musikerinnen und Musiker von Almanya Türküleri haben zur Tour auch einen neuen Song aufgenommen, in dem es heißt: "Hör mir zu, Deutschland".
Zwei Botschaften steckten darin, sagt Hazar: Erstens sei es Zeit, dass auch der Rest der deutschen Gesellschaft die großen Hits aus der türkeistämmigen Community wahrnehme. Und zweitens:
"Wir feiern tatsächlich 60 Jahre Dasein in Deutschland. Wir, das heißt die Türkeistämmigen, oder heißen wir jetzt Minderheit, das weiß ich nicht, das ist mir letztendlich auch egal. Wir sind ein wichtiger Bestandteil dieser Republik."
Zur Gruppe der deutsch-türkischen Musikerinnen und Musiker bei Almanya Türküleri gehört auch Hazars Sohn: Der bei Deutschen ohne türkische Wurzeln ebenfalls sehr bekannte Rapper Eko Fresh. Dass er eine breitere Aufmerksamkeit bekomme als Yüksel Özkasap, sei natürlich auch ein Zeichen für einen gesellschaftlichen Wandel, findet sein Vater.
"Hätte man Yüksel Özkasap in der ZDF-Hitparade zum Beispiel platziert, dann wäre das ein gegenseitiger Kulturschock gewesen", sagt Hazar und lacht. Weder die Deutschen wären damals darauf vorbereitet gewesen, noch die Migranten.