Alois Glück: "Ein großes Hoffnungszeichen"
Dass die Kardinäle sich so schnell auf einen neuen Papst geeinigt hätten, sei ein Zeichen für den Reformwillen der katholischen Kirche, findet der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück. Ein Signal sei auch, dass die Kirche nicht mehr so europazentriert sei.
Christopher Ricke: Die Welt hat einen neuen Papst und er heißt Franziskus!
Franziskus I.: "Es scheint, als seien Mitbrüder Kardinäle bis ans Ende der Welt gegangen, um mich zu holen! Und jetzt fangen wir den Weg der Kirche von Rom Schritt für Schritt neu an. Ein Weg von Bischof zu Volk, von Volk zu Bischof, ein Weg der Brüderlichkeit und Liebe, ein Weg von Vertrauen zueinander!"
Ricke: Die Worte und der Jubel gestern auf dem Petersplatz. Die Frage: Ist es schon die Zeit für ein Freudengeläut? Ich spreche mit Alois Glück, er ist der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, guten Morgen, Herr Glück!
Alois Glück: Guten Morgen, Herr Ricke!
Ricke: Hatten Sie denn diesen Mann auf dem Schirm?
Glück: Nein, nun hatte ich überhaupt nicht die Personenkenntnis, aber er war ja auch nicht bei den häufig Genannten. Obwohl, wie ich jetzt auch gelesen habe, er schon bei der letzten Wahl eigentlich sehr viel Stimmen hatte. Aber es ist rundum eine Überraschung!
Ricke: Er hat ja ganz viele Dinge gemacht, auf die man hören sollte in den ersten fünf Minuten seiner Amtszeit. Also, alleine der Vorgang, das Volk zu bitten, für ihn zu beten um Gottes Segen, das ist doch schon ein Schritt in eine Richtung, die ich in den letzten Jahrzehnten nicht gehört habe!
Glück: Ja, und vor allen Dingen dann die Betonung, gehen wir den Weg gemeinsam, vom Bischof zum Volk und vom Volk zum Bischof. Und diese Gemeinsamkeit des Volkes Gottes, das ist ganz der Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils. Das ist nicht ein Geist von, ja, von oben nach unten, und von daher gesehen sind das schon großartige Signale. Außerdem, bei der Beobachtung in dieser kurzen Zeit über den Bildschirm, das ist sehr bedacht! Da ist Substanz dahinter, das ist nicht so dahingesagt!
Ricke: Schauen wir uns noch weitere Details an, eines hat er ja selber gesagt, Franziskus, man habe ihn vom Ende der Welt geholt, aus Lateinamerika, wo es eine starke katholische, wachsende Kirche gibt, und er heißt Franziskus, ist aber kein Franziskaner, sondern Jesuit. Wie deuten Sie das?
Glück: Er ist eben der Bischof der Armen, diesen Ruf hat er ja. Den Menschen zugewandt, das ist sein persönlicher Lebensstil. Und er ist auf der anderen Seite natürlich geprägt von der Ausbildung, dem Anspruch des Jesuitenordens, auch eine besonders bemerkenswerte Kombination! Wobei ich jetzt an der Stelle mal hinzufügen würde, wir dürfen jetzt natürlich nicht erwarten, dass ein Papst alle Probleme der Kirche und der Weltkirche löst!
Aber damit werden natürlich wichtige Signale ausgesetzt, das sind Grundrichtungsbestimmungen. Er kann den Weg ja nicht allein gehen, aber setzt damit Signale. Und damit entwickeln sich wahrscheinlich auch andere Kräftefelder in der Kirche!
Ricke: Sie haben das Zweite Vatikanische Konzil angesprochen. Als ich gestern die Bilder sah, ich dachte ja kurz, Johannes XXIII. stünde auf dem Balkon! Da ist ja auch vom Habitus und von der Art durchaus eine Ähnlichkeit!
Glück: Ja, ich war vorgestern Abend in einer Diskussionsrunde, da sagte einer am Schluss, so nach dem Motto, was wünschen wir uns für einen Papst: Ich wünsche mir einen neuen Johannes XXIII.! Also genau das, was Sie gerade beschreiben! Bescheiden, aber diese Bescheidenheit ist schon verbunden, nach dem Eindruck von gestern, mit einer großen … ja, auch mit großem Selbstvertrauen, mit der Selbstsicherheit.
Das ist natürlich ein Mann, der über Jahrzehnte ja oft auch durch die Entwicklungen in Argentinien und allem Drum und Dran durch das Feuer gegangen ist! Das heißt, der ist gehärtet. Aber gleichzeitig offenbar sehr gesprächsfähig. Und das sind natürlich Impulse und Perspektiven, die unter anderem auch bedeuten, dass die katholische Kirche nicht mehr so europazentriert sein wird, dass sie sich verändern wird, auch das ist natürlich ein Signal!
Ricke: Es gibt diesen seelsorgerischen Aspekt, Bischof der Armen nannte man ihn, und es gibt die von ihm beschriebene Härte, die wird er ja möglicherweise brauchen im Vatikan. Filz ist ja da manchmal, wenn man liest, was da alles geschieht, ein sehr vorsichtiger Ausdruck! Haben die Kardinäle einen Aufräumer gewählt?
Glück: Ja, sie haben ganz offensichtlich ein Signal gesetzt in Richtung "Wir brauchen einen anderen Kurs". Es ist eigentlich nur so zu verstehen auch, dass man sich nach relativ kurzer Zeit auf jemanden geeinigt hat mit Zweidrittelmehrheit, der so ganz anders gewissermaßen ist, das ist sicher irgendwo stark begründet. Dass das so schnell gelungen ist, ist auch ein großes Hoffnungszeichen, dass nach diesem Konklave das Ergebnis, dass man sich überhaupt in einer so kurzen Zeit geeinigt hat, ist gut für die Kirche. Das heißt, es ist nicht unüberbrückbar in den inneren Situationen.
Und jemand, der für eine ganz andere Kirche auch steht, ohne dass deswegen die katholische Kirche grundlegend anders wird, das ist auch ein wichtiges Signal. Jetzt wird es darauf ankommen, dass er die richtigen, starken Mitarbeiter findet, die in der Lage sind – das kann ja nicht der Papst allein und nicht von oben –, die in der Lage sind, die Kurie in dem Sinne auch zu verändern.
Ricke: Was machen wir denn mit den "deutschen" Themen, die uns seit Jahrzehnten begleiten: die Ökumene, die wiederverheirateten Geschiedenen, das mögliche Ordinariat der Frau? Sind das Themen, die bei einem Papst, der lateinamerikanisch geprägt ist, überhaupt gut aufgehoben sind?
Glück: Sind doch nicht nur deutsche Themen, das ist etwas, was hin und wieder bei uns propagiert wird, aber das sind Themen, die – natürlich in unterschiedlicher Weise – die Weltkirche bewegen! Geschieden, wiederverheiratet war ein wichtiges Thema bei der letzten Bischofssynode mit Stimmen aus aller Welt, um nur ein Beispiel zu nennen! Die ganze Thematik des Priestermangels ist weithin ein Weltthema, die Kirche in Lateinamerika ist unter einem enormen Druck durch die evangelikalen Bewegungen. Von daher gesehen ist es ja nicht so, dass es nur wenige sind.
Es gibt einige deutsche spezifische Dinge in der Struktur unserer Kirche, aber man darf auch hinzufügen: Keine katholische Kirche in einem anderen Land der Welt ist auch derart international ausgerichtet wie die katholische Kirche in Deutschland, durch die großen Hilfswerke, die einmalig in der Weltkirche sind: Adveniat, Misereor, Renovabis. Und von daher haben wir auch eine sehr starke Verbindung, personelle Verbindungen, starke Informationsströme in diese Teile der Weltkirche.
Viele dieser Bischöfe und Kardinäle sind immer wieder in Aachen bei Misereor oder bei Adveniat, und von daher gesehen, ja, kann da jetzt vielleicht vieles, was an Erfahrungen da ist, besser wirken auch in der europäischen Welt, auch unter anderem, was die Rolle der Laien betrifft. Denn in weiten Teilen der Weltkirche kann das kirchliche Leben nur aufrechterhalten werden bei den Riesenentfernungen und vergleichsweise wenigen Priestern, dass den Laien Aufgaben zugewiesen worden sind, ganz im Geist der ersten Ansprache des Papstes: Gehen wir miteinander!
Ricke: Alois Glück, er ist der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Ich danke Ihnen, Herr Glück!
Glück: Danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Franziskus I.: "Es scheint, als seien Mitbrüder Kardinäle bis ans Ende der Welt gegangen, um mich zu holen! Und jetzt fangen wir den Weg der Kirche von Rom Schritt für Schritt neu an. Ein Weg von Bischof zu Volk, von Volk zu Bischof, ein Weg der Brüderlichkeit und Liebe, ein Weg von Vertrauen zueinander!"
Ricke: Die Worte und der Jubel gestern auf dem Petersplatz. Die Frage: Ist es schon die Zeit für ein Freudengeläut? Ich spreche mit Alois Glück, er ist der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, guten Morgen, Herr Glück!
Alois Glück: Guten Morgen, Herr Ricke!
Ricke: Hatten Sie denn diesen Mann auf dem Schirm?
Glück: Nein, nun hatte ich überhaupt nicht die Personenkenntnis, aber er war ja auch nicht bei den häufig Genannten. Obwohl, wie ich jetzt auch gelesen habe, er schon bei der letzten Wahl eigentlich sehr viel Stimmen hatte. Aber es ist rundum eine Überraschung!
Ricke: Er hat ja ganz viele Dinge gemacht, auf die man hören sollte in den ersten fünf Minuten seiner Amtszeit. Also, alleine der Vorgang, das Volk zu bitten, für ihn zu beten um Gottes Segen, das ist doch schon ein Schritt in eine Richtung, die ich in den letzten Jahrzehnten nicht gehört habe!
Glück: Ja, und vor allen Dingen dann die Betonung, gehen wir den Weg gemeinsam, vom Bischof zum Volk und vom Volk zum Bischof. Und diese Gemeinsamkeit des Volkes Gottes, das ist ganz der Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils. Das ist nicht ein Geist von, ja, von oben nach unten, und von daher gesehen sind das schon großartige Signale. Außerdem, bei der Beobachtung in dieser kurzen Zeit über den Bildschirm, das ist sehr bedacht! Da ist Substanz dahinter, das ist nicht so dahingesagt!
Ricke: Schauen wir uns noch weitere Details an, eines hat er ja selber gesagt, Franziskus, man habe ihn vom Ende der Welt geholt, aus Lateinamerika, wo es eine starke katholische, wachsende Kirche gibt, und er heißt Franziskus, ist aber kein Franziskaner, sondern Jesuit. Wie deuten Sie das?
Glück: Er ist eben der Bischof der Armen, diesen Ruf hat er ja. Den Menschen zugewandt, das ist sein persönlicher Lebensstil. Und er ist auf der anderen Seite natürlich geprägt von der Ausbildung, dem Anspruch des Jesuitenordens, auch eine besonders bemerkenswerte Kombination! Wobei ich jetzt an der Stelle mal hinzufügen würde, wir dürfen jetzt natürlich nicht erwarten, dass ein Papst alle Probleme der Kirche und der Weltkirche löst!
Aber damit werden natürlich wichtige Signale ausgesetzt, das sind Grundrichtungsbestimmungen. Er kann den Weg ja nicht allein gehen, aber setzt damit Signale. Und damit entwickeln sich wahrscheinlich auch andere Kräftefelder in der Kirche!
Ricke: Sie haben das Zweite Vatikanische Konzil angesprochen. Als ich gestern die Bilder sah, ich dachte ja kurz, Johannes XXIII. stünde auf dem Balkon! Da ist ja auch vom Habitus und von der Art durchaus eine Ähnlichkeit!
Glück: Ja, ich war vorgestern Abend in einer Diskussionsrunde, da sagte einer am Schluss, so nach dem Motto, was wünschen wir uns für einen Papst: Ich wünsche mir einen neuen Johannes XXIII.! Also genau das, was Sie gerade beschreiben! Bescheiden, aber diese Bescheidenheit ist schon verbunden, nach dem Eindruck von gestern, mit einer großen … ja, auch mit großem Selbstvertrauen, mit der Selbstsicherheit.
Das ist natürlich ein Mann, der über Jahrzehnte ja oft auch durch die Entwicklungen in Argentinien und allem Drum und Dran durch das Feuer gegangen ist! Das heißt, der ist gehärtet. Aber gleichzeitig offenbar sehr gesprächsfähig. Und das sind natürlich Impulse und Perspektiven, die unter anderem auch bedeuten, dass die katholische Kirche nicht mehr so europazentriert sein wird, dass sie sich verändern wird, auch das ist natürlich ein Signal!
Ricke: Es gibt diesen seelsorgerischen Aspekt, Bischof der Armen nannte man ihn, und es gibt die von ihm beschriebene Härte, die wird er ja möglicherweise brauchen im Vatikan. Filz ist ja da manchmal, wenn man liest, was da alles geschieht, ein sehr vorsichtiger Ausdruck! Haben die Kardinäle einen Aufräumer gewählt?
Glück: Ja, sie haben ganz offensichtlich ein Signal gesetzt in Richtung "Wir brauchen einen anderen Kurs". Es ist eigentlich nur so zu verstehen auch, dass man sich nach relativ kurzer Zeit auf jemanden geeinigt hat mit Zweidrittelmehrheit, der so ganz anders gewissermaßen ist, das ist sicher irgendwo stark begründet. Dass das so schnell gelungen ist, ist auch ein großes Hoffnungszeichen, dass nach diesem Konklave das Ergebnis, dass man sich überhaupt in einer so kurzen Zeit geeinigt hat, ist gut für die Kirche. Das heißt, es ist nicht unüberbrückbar in den inneren Situationen.
Und jemand, der für eine ganz andere Kirche auch steht, ohne dass deswegen die katholische Kirche grundlegend anders wird, das ist auch ein wichtiges Signal. Jetzt wird es darauf ankommen, dass er die richtigen, starken Mitarbeiter findet, die in der Lage sind – das kann ja nicht der Papst allein und nicht von oben –, die in der Lage sind, die Kurie in dem Sinne auch zu verändern.
Ricke: Was machen wir denn mit den "deutschen" Themen, die uns seit Jahrzehnten begleiten: die Ökumene, die wiederverheirateten Geschiedenen, das mögliche Ordinariat der Frau? Sind das Themen, die bei einem Papst, der lateinamerikanisch geprägt ist, überhaupt gut aufgehoben sind?
Glück: Sind doch nicht nur deutsche Themen, das ist etwas, was hin und wieder bei uns propagiert wird, aber das sind Themen, die – natürlich in unterschiedlicher Weise – die Weltkirche bewegen! Geschieden, wiederverheiratet war ein wichtiges Thema bei der letzten Bischofssynode mit Stimmen aus aller Welt, um nur ein Beispiel zu nennen! Die ganze Thematik des Priestermangels ist weithin ein Weltthema, die Kirche in Lateinamerika ist unter einem enormen Druck durch die evangelikalen Bewegungen. Von daher gesehen ist es ja nicht so, dass es nur wenige sind.
Es gibt einige deutsche spezifische Dinge in der Struktur unserer Kirche, aber man darf auch hinzufügen: Keine katholische Kirche in einem anderen Land der Welt ist auch derart international ausgerichtet wie die katholische Kirche in Deutschland, durch die großen Hilfswerke, die einmalig in der Weltkirche sind: Adveniat, Misereor, Renovabis. Und von daher haben wir auch eine sehr starke Verbindung, personelle Verbindungen, starke Informationsströme in diese Teile der Weltkirche.
Viele dieser Bischöfe und Kardinäle sind immer wieder in Aachen bei Misereor oder bei Adveniat, und von daher gesehen, ja, kann da jetzt vielleicht vieles, was an Erfahrungen da ist, besser wirken auch in der europäischen Welt, auch unter anderem, was die Rolle der Laien betrifft. Denn in weiten Teilen der Weltkirche kann das kirchliche Leben nur aufrechterhalten werden bei den Riesenentfernungen und vergleichsweise wenigen Priestern, dass den Laien Aufgaben zugewiesen worden sind, ganz im Geist der ersten Ansprache des Papstes: Gehen wir miteinander!
Ricke: Alois Glück, er ist der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Ich danke Ihnen, Herr Glück!
Glück: Danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.