Alondra de la Parra

Dirigentin und Kulturbotschafterin

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Die mexikanische Dirigentin Alondra de la Parra. © Cicero Rodriguez
Moderation: Mascha Drost |
Mexiko hat musikalisch einiges mehr als Mariachi Musik zu bieten. Das beweist die Dirigentin Alondra de la Parra. Mit 23 gründete sie ein eigenes Orchester, 2017 wird sie Chefdirigentin des australischen Queensland Orchestra. Doch vor allem sieht sie sich als Kulturbotschafterin Mexikos.
Mascha Drost: Frau de la Parra - bevor wir uns den schönen Dingen zuwenden - Sie sind offizielle Kulturbotschafterin Mexikos – wir alle haben die Debatten, die verbalen Ausfälle während des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs verfolgt – wie ernst werden die Entwicklungen in der Musik – und Kulturszene ihres Landes genommen, wie reagieren Sie als Mexikanerin, die in New York geboren wurde, und viele Jahre ihres Lebens dort verbracht hat, darauf?
Alondra de la Parra: Noch hat sich ja nicht viel geändert, außer den Erwartungen und Ängsten, die alle haben. Es herrscht Unsicherheit, und wir hoffen, dass der neue Präsident weniger radikal agieren wird, als er es angekündigt hat, beziehungsweise dass das Parlament und andere Politiker ihn daran hindern werden. Das ist meine Hoffnung, aber natürlich sind wir besorgt.
Drost: Was können Sie als Kulturbotschafterin überhaupt ausrichten, oder sehen Sie sich ohnehin als internationale Künstlerin?
de la Parra: Ich bin eine Künstlerin wie jede andere, aber auch stolz darauf, Mexikanerin und Teil eines großen kulturellen Erbes zu sein. Mexiko hat so viel mehr zu bieten als den meisten bewusst ist. Unsere Kulturgeschichte ist Jahrtausende alt und nur nebenbei: viel älter als die der USA. Sie beginnt mit unterschiedlichen künstlerisch und technisch hochentwickelten Kulturen, nicht zu vergessen: das Erbe der Spanier.
Und in 200 Jahren Unabhängigkeit sind auch Kunst und Kultur aufgeblüht. Das fügt sich heute alles zusammen. Der kulturelle Ertrag Mexikos ist nicht geringer als der anderer Länder. Aber zu denken, mexikanische Musik bestünde nur aus klischeebehafteter Folklore, wird dem nicht gerecht. Den Leuten zu zeigen, was alles in uns steckt, dafür setze ich mich ein.
Drost: Wie sind Sie zur Musik gekommen? Ein vergleichbares Netz aus staatlichen Musikschulen, aus Education-Projekten, Kinderkonzerten etc mit denen Kinder in Kontakt mit Musik kommen, gibt es so etwas auch in Mexiko?
de la Parra: Meine Eltern waren sehr kultur– und musikinteressiert, deshalb war ich immer von Musik umgeben. Sie haben mich zu Konzerten mitgenommen, in die Oper, ich habe früh Klavier und Cello gelernt. Es war natürlich Glück, so musikalische Eltern zu haben, Musik gehört nicht zum Alltag einer normalen Schule, leider. Es wird besser, aber es gibt in dieser Hinsicht noch viel zu tun.

Viel Unterstützung durch die Eltern

Drost: Sie wollten schon sehr früh Dirigentin werden. Gab es ein einschneidendes Erlebnis oder vorher kam dieser Wunsch?
de la Parra: Ich habe immer Orchestermusik gehört. Mein Vater und mein Stiefvater haben mir ein und dasselbe Stück mit unterschiedlichen Orchestern und Dirigenten vorgespielt. Mit zwölf, 13 Jahren kannte ich Celibidache, Karajan, Bernstein, Kleiber und war fasziniert vom Klang eines Orchesters. Die Werke von Schostakowitsch, Stravinsky und Bartok gehörten für mich zum Alltag, ich war geradezu besessen davon.
Mit Schulkameraden habe ich musikalische Aufführungen auf die Beine gestellt. Ich glaube, mein Vater hat mich gefragt, warum ich nicht dirigiere, wo ich das Orchester doch so liebe.
Ich dachte, das sei mehr was für ältere deutsche Herren, aber er hat mich ermutigt: Du hast gute Ohren, du hast das richtige Gespür, du könntest das! Und so verrückt ich den Vorschlag anfangs fand: Ich habe es probiert, die Leidenschaft war sehr groß. Ich bin ihm dankbar, obgleich es natürlich ein harter Weg war und ist. Die Arbeit hört nie auf, egal wie viel du arbeitest, wie hart du dich vorbereitest: Es ist zu wenig! Aber damit muss man leben.
Dorst: Sie haben ein eigenes Orchester gegründet, das Philharmonic Orchestra of the Americas, um die Musik Lateinamerikas fester im Orchester-Repertoire zu verankern – da waren Sie 23 Jahre alt. Wie haben Sie das auf die Beine gestellt, ein Orchester gründet man ja nicht einfach mal so?
de la Parra: Ich hatte ehrlich gesagt nie den Traum, ein Orchester zu gründen. Ich war Studentin an der Manhattan School in New York und habe mich nur immer gefragt: Warum spielen die Orchester nicht die Musik der "Amerikaner", also von Kanada bis runter nach Patagonien, warum kennen sie die Musik dieser Länder nicht? Jemand sollte sich darum kümmern, aber doch nicht ich, als Studentin in einer Stadt, die voller musikalischer Konkurrenz ist.

Ein großes Abenteuer

Dann kam die mexikanische Botschaft mit der Bitte auf mich zu, ein Konzert mit klassischer mexikanischer Musik auf die Beine zu stellen. Ich habe mir dann ein Programm überlegt, ein Orchester zusammengetrommelt aber die Botschaft meinte: Um Gottes Willen, das ist viel zu teuer, das können wir nicht machen! Da stand ich nun, mit meiner ganzen Organisation und dachte mir: Wir spielen trotzdem! Es ist eine lange und aufregende Geschichte, wir so jung und unerfahren in einer der härtesten Städte der Welt - aber das Konzert fand statt.
Und Leute aus dem Publikum kamen sofort auf mich zu und fragten: Wann ist das nächste Konzert? Das war der Startschuss für mich, ich habe gelernt Gelder zu einzusammeln, eine Verwaltung aufzubauen und die Musiker auszusuchen. Das war ein großes Abenteuer für mich.
Drost: Diese Woche sind Sie beim RSB mit einem Ballettprogramm zu hören, dem "Dreispitz" von Manuel de Falla und dem "Sacre du Printemps" von Igor Stravinsky. 1913 bei der Uraufführung ein Skandal, der zu einer wahren Schlacht in der Pariser Oper führte – auch eine ungeheure Herausforderung für das Orchester und den Dirigenten. Wie ist das heute: Kennen Orchester und Dirigenten das Stück mittlerweile so gut, dass es ein "ganz normales" Repertoirestück geworden ist oder stellt es immer noch etwas Besonderes dar?
de la Parra: Natürlich ist heutzutage keiner mehr geschockt von diesem Stück, wir kennen es, die Komponisten danach haben sich daran orientiert, bewusst oder unbewusst. Die Orchester haben es oft gespielt und sind mittlerweile virtuos genug, um keine Probleme damit zu haben. Aber dennoch: Es ist und bleibt schwierig. Egal wie gut du es kennst, wie oft du es gemacht hast: Es kann dich immer erwischen.
Es bleibt immer aufregend und ich mag die Herausforderung, das Adrenalin. Vor wenigen Tagen habe ich in Berlin die Aufführung von Sasha Waltz an der Staatsoper gesehen und konnte es nicht fassen: Das soll dasselbe Stück sein, an dem ich gerade arbeite? Als Zuhörer hatte ich fast das Gefühl, ich kenne das Stück nicht, das hat mich umgehauen.
Allein dass ein Stück das kann, jemanden, der es so genau studiert hat, derart zu überraschen, ist magisch. Ich habe es jetzt schon öfter dirigiert, was ich mir als junge Studentin nicht hätte vorstellen können – ich habe Strawinski immer geliebt und Sacre war ein Traum von mir. Anscheinend haben einige Dirigenten immer noch Angst vor dem Stück, deshalb muss ich immer ran….
Drost: Die Ehrfurcht vor der Partitur die bleibt?
de la Parra: Es ist eines der großartigsten Stücke, das je komponiert wurde. Es gibt so viel zu entdecken, versteckte Verbindungen, motivische Bezüge, alles ist miteinander verflochten.
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