Als digitaler Nomade auf Bali

"Ich lebe wie ein König"

Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Viel Lebensqualität für wenig Geld - doch was macht die Anwesenheit digitaler Nomaden wie Enes auf Bali mit den Einheimischen? © Deutschlandradio / Beatrice Möller
Von Beatrice Möller |
Sonne, Wellen, Strand, dazu ein gutes deutsches Gehalt und ein spottbilliges Leben. Der junge Mathematiker Enes träumt den Traum vieler digitalen Nomaden. Festangestellt in Deutschland, aber arbeiten, wo man will. Zurzeit ist das Bali.
Im "Dojo", einem der angesagtesten Co-Working-Büros in Changgu auf Bali. Rund 150 Leute sitzen konzentriert vor ihren Laptops. Die Ventilatoren an der Decke verteilen surrend die warme, feuchte Luft. Der Strand ist nur 100 Meter entfernt und alle sind gekleidet, als seien sie auf dem Weg zu einer Strandparty. Die meisten sind zwischen Anfang 20 und Mitte 30, kommen aus Europa oder Nordamerika.
Ein Telefon klingelt.
Enes:" Ja, hallo?"
Fin: "Hallo Enes!"
Enes: "Hey Fin, grüß dich. Wie geht es dir?"
Fin: "Super. Wie ist Bali?
Enes: "Das Wetter ist perfekt und die Wellen sind auch gut zur Zeit. Ich kann mich nicht beschweren. Wie läuft es in Deutschland?"
Enes ist ein sportlicher, dunkelhaariger Mann, Mitte 20, aus Karlsruhe. Er spricht mit seinem Chef aus Deutschland. In Shorts und offenem Hemd sitzt Enes an einem großen runden Tisch. Neben seinem Rechner: Sonnenbrille, Sonnencreme und Deo.

Ein "Homeoffice" der besonderen Art

Fin: "Danke für dein Mockup. Das sieht schon ganz gut aus."
Enes: "Ja, hat es dir gefallen?"
Fin: "Ja. Eine kleine Änderung hätte ich noch. Das Header-Bild hätte ich gern noch ein bisschen kleiner. Kannst du mir das noch mal mit Teamviewer zeigen, dass wir das absprechen können?"
Enes hat in Heidelberg seinen Bachelor in Mathematik abgeschlossen, dann zog es ihn in die Ferne. Seit einem Jahr ist er in der Welt unterwegs:
"Während des Studiums hatte ich Fernweh und war auch sonst ein bisschen unzufrieden in meinem Leben. Ich hatte irgendwie das Gefühl, es muss mehr geben als nur das. Und dann, direkt nach dem Studium, bin ich nach Thailand gefahren. Ich habe mich so lebendig gefühlt, dass ich mir gedacht habe: Okay, meine Pläne, den Master in Heidelberg zu machen, lasse ich erst mal sausen und gehe auf Reisen. Dann stand ich da mit 2.000 Euro am Flughafen, bin nach Dubai, Indien und letztlich auf Bali angekommen."
Das Geld reicht nicht lange. Über eine Facebook-Anzeige fand er eine ortsunabhängige Anstellung als Webentwickler bei einem deutschen Unternehmen. "Homeoffice" der besonderen Art:
"Ehrlich gesagt, ich finde es selbst krass zu verstehen. Für mich ist es auch… woowww, immer noch, nach sechs Monaten Arbeiten bin ich immer noch so dankbar und happy, dass es so funktioniert. Ich hätte mir auch nicht gedacht, dass es so einfach ist. Ich find's krass."

"Man wird mit offenen Armen empfangen"

Neben seiner Festanstellung macht Enes gerade noch seinen Master in Wirtschaftsinformatik im Fernstudium.
"Ich gehe morgens meistens surfen. Arbeite dann vier bis sechs Stunden an meiner Vollzeitstelle und die restliche Zeit studiere ich, lerne für meine Klausuren. Und dann habe ich noch meine eigenen Kunden, die ich persönlich betreue aus Eigeninteresse, weil ich mich weiterentwickeln möchte. Der Hauptantrieb ist für mich Weiterentwicklung. Also, ich stehe auf, um am Ende, wenn ich ins Bett gehe, am Ende des Tages, besser zu sein. Und schlauer… und weiter entwickelter als am Morgen. Und Bali ist eine gute Plattform, sich weiter zu entwickeln. Man wird mit offenen Armen empfangen."
Enes lebt in einer Villa, die er mit anderen digitalen Nomaden in Changgu gemietet hat. Der kleine Ort westlich der Hauptstadt hat sich in den letzten Jahren zu einem Hotspot für Arbeitnehmer wie ihn entwickelt. Enes genießt die Lebensqualität, die sich aus dem Unterschied zwischen deutschem Lohnniveau und balinesischen Lebenshaltungskosten ergibt. "Geo-Arbitrage" nennt sich das in der Sprache der digitalen Nomaden. Wichtig sind schnelles Internet und günstige Lebenshaltungskosten. Willkommen auf Bali.
"Ich lebe wie ein König und gebe kaum was von dem Geld aus. Ich kann viel ansparen, was ja auch ein schönes Gefühl ist, wenn man Geld auf dem Konto hat. Ich möchte mehr Lebensqualität für das Geld, was ich ausgebe, und ich denke, dass es nichts Schlechtes ist."

"Dann arbeitest Du ein bisschen"

Das Leben hier ist so günstig, dass Enes und seine vier Mitbewohner fast nie selbst einkaufen gehen oder kochen müssen. Typische balinesische Speisen gibt es für zwei Euro pro Mahlzeit – wer Sushi, mexikanische Tapas oder Cappuccino mag, muss deutlich mehr bezahlen. Luxus, den sich die meisten Balinesen niemals leisten könnten. So schaffen Enes und die anderen zwar Arbeitsplätze auf Bali, bringen aber durch ihr Konsumverhalten das ökonomische Gefüge im Land durcheinander. Das Durchschnittseinkommen auf Bali liegt bei circa 2.500 Euro - im Jahr. Dennoch: die Mieten für Westler nähern sich inzwischen fast dem europäischen Standard.
"Hier hast du Spaß. Hier lebst du und dann arbeitest du ein bisschen. Ich kann mich wirklich nur auf die Dinge fokussieren, die mir wichtig sind. Und dadurch so viel lernen wie möglich."
Mit seinem Surfbrett unterm steht Enes am Strand und beobachtet die Wellen.
Jeden Morgen surfen: Enes hat sein Paradies gefunden.© Deutschlandradio / Beatrice Möller
"Wenn ich im Wasser bin, bin ich eins mit mir. Was in dem Moment zählt, sind das Meer, ich und die Welle - und mehr nicht. Das ist ein schönes Gefühl von Freiheit und Sorgenlosigkeit."
Enes verschwindet in den Wellen. Ein Gewusel von etwas 40 Surfern tummelt sich in der Brandung. Sie wetteifern um die beste Welle.
Mehr zum Thema