Als Glamourgirls gefeiert
Bei der Frauenfußball-WM 2007 übertrugen ARD und ZDF nur die Spiele mit deutscher Beteiligung, den Rest erledigte Eurosport. Diesmal sind die öffentlich-rechtlichen Anstalten bei allen 32 Partien live dabei. Doch dies ist nur bedingt ein Beleg für den Stellenwert des Frauenfußballs.
"Die Nationalelf funktioniert als Produkt super, die WM wird auch funktionieren, die Bundesliga ist halt das Stiefkind des Frauenfußballs."
Meint Jens Kirschneck, redaktioneller Leiter "11 freundinnen", einer seit anderthalb Jahren erscheinenden Beilage des Fan-Magazins "11 freunde". Er spielt an auf die höchst unterschiedliche Medien- und Zuschauerakzeptanz von Spielen der Nationalelf und dem Schwarzbrot des Bundesligaalltags.
Während für das Großevent WM bereits mehr als 700.000 Tickets verkauft wurden, verlieren sich bei den Spielen von Spitzenmannschaften wie Bayern München oder dem FCR 2001 Duisburg meist wenige Hundert Zuschauer auf den Rängen. Der aktuelle Hype um die Golden Girls von Silvia Neid kommt nicht von ungefähr.
Mithilfe einer ausgeklügelten Medienstrategie ist es dem DFB gelungen, mehr Aufmerksamkeit von Medien und Sponsoren für die Nationalelf als bisher zu wecken. Dazu war es nötig, die Spielerinnen auch außerhalb der klassischen Sportberichterstattung auftreten zu lassen. Daniela Schaaf, Medienwissenschaftlerin an der Deutschen Sporthochschule in Köln
"Dies bedeutet: Man versucht die Spielerinnen in Unterhaltungssendungen zu positionieren oder auch mit ihnen Modestrecken, Fotostrecken für Unterhaltungsmagazine zu produzieren."
Bestes Beispiel der "Tatort" "Im Abseits" vom vergangenen Sonntag, in dem nicht nur WM-Organisationschefin Steffi Jones und Nationalspielerin Celia Okoyino da Mbabi auftraten, sondern mit Jogi Löw, Olli Bierhoff und Theo Zwanziger gleich noch die halbe DFB-Spitze.
"Insofern: einerseits haben wir die Massenmedien, die natürlich das gern aufnehmen, auf der anderen Seite ist der DFB, der genau das erkannt hat und nun versucht, im Hinblick auf die WM gerade diese Strategie zu fahren, die einfach lifestyliger zu positionieren."
Bis 2007 waren deutsche Kickerinnen meist kurzhaarig, muskulöse Kämpfernaturen mit eher verhaltener sexueller Ausstrahlung. Jetzt werden Spielerinnen wie Kim Kulig, Alexandra Popp und natürlich Fatmire Bajramaj in langen Foto- und Interviewstrecken als Glamourgirls gefeiert. Selbst in Frauen-Magazinen wie Burdas "Freundin" oder "Brigitte" aus dem Hause Gruner+Jahr, die bislang eher nicht durch übergroßes Interesse am Fußballsport auffielen. Das Flirt-Portal "First Affair" kürte gar die erotischsten Spielerinnen der WM. Auch der "Playboy" mochte da nicht zurückstehen. Jens Kirschneck ist skeptisch.
"Ob das funktioniert und ob der Ruf des Frauenfußballs irgendwie besser wird, wenn Nationalspielerinnen sich im Playboy ausziehen – es waren ja nicht mal wirkliche Nationalspielerinnen, sondern eher so welche aus der zweiten Reihe – das wage ich dann doch zu bezweifeln."
Dazu passt das offizielle sicher nicht zufällig gewählte WM-Motto "20Elf von seiner schönsten Seite". Wie schon beim WM-Sommermärchen der Männer vor fünf Jahren gibt es eine Reihe publizistischer Trittbrettfahrer. "Kicker" und "Sport Bild", die den Frauenfußball normalerweise faktisch ignorieren, warten mit dicken Sonderheften auf. Brigitte versucht, mit dem inhaltlich dünnen Extra "Der Kick des Sommers" zu punkten. Und vom "WM-2011-Magazin" aus der Medienfabrik Gütersloh blickt uns über der Headline "Das Glamourgirl gibt alles" die unvermeidliche Exil-Kosovarin Bajramaj recht ernst entgegen. Woher kommt plötzlich so viel redaktioneller Sachverstand? Medienwissenschaftlerin Schaaf winkt ab:
"Wir haben sehr sehr wenige echte Frauenfußballexperten in den Redaktionen sitzen. Was man aber beobachten kann, ist, dass eben zwangsweise Redakteure plötzlich zu Frauenfußballexperten im Hinblick auf die WM abgestellt werden. Und diese beiden Lager haben sehr unterschiedliche Meinungen."
Pioniere des Frauenfußball-Journalismus wie Jens Kirschneck finden es nicht glücklich, wenn gestylte Spielerinnen aus Vermarktungsgründen bei "Wetten dass" auf der Coach rumsitzen.
"Also schlussendlich kann man glaube ich eher durch spektakulären Sport und spektakuläre Spielverläufe überzeugen. Also, dass so etwas dann irgendwann ein bisschen ins Leere läuft, hat man ja beispielsweise im Tennis bei Anna Kournikova gesehen."
Anderen wiederum gefällt’s. Zumindest für die Dauer der Fußball-WM. Was danach kommt, ist für Kirschneck absehbar.
"Ich finde es gut, dass alle Spiele live übertragen werden. Was glaube ich, so um dem Frauenfußball 'nen Push zu geben, wichtiger wäre, ist, dass die Bundesliga oder zumindest die Spitzenspiele der Bundesliga mal regelmäßig im Fernsehen kommen. Ansonsten, klar, kommt jetzt drei Wochen jeden Abend n Frauenfußballspiel im Fernsehen, und danach schläft die Sache aber wieder ein."
Links zur Frauen-Fußball-WM auf dradio.de:
"Aktuell" vom 21.6.2011: Die weltbesten Kickerinnen zu Gast in Deutschland - Wer gewinnt die Frauenfußball-WM 2011?
"Aktuell" vom 22.6.2011: Fußball für die Ohren - Alle Beiträge zum Nachhören - die FIFA Frauen WM 2011 im Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur
Meint Jens Kirschneck, redaktioneller Leiter "11 freundinnen", einer seit anderthalb Jahren erscheinenden Beilage des Fan-Magazins "11 freunde". Er spielt an auf die höchst unterschiedliche Medien- und Zuschauerakzeptanz von Spielen der Nationalelf und dem Schwarzbrot des Bundesligaalltags.
Während für das Großevent WM bereits mehr als 700.000 Tickets verkauft wurden, verlieren sich bei den Spielen von Spitzenmannschaften wie Bayern München oder dem FCR 2001 Duisburg meist wenige Hundert Zuschauer auf den Rängen. Der aktuelle Hype um die Golden Girls von Silvia Neid kommt nicht von ungefähr.
Mithilfe einer ausgeklügelten Medienstrategie ist es dem DFB gelungen, mehr Aufmerksamkeit von Medien und Sponsoren für die Nationalelf als bisher zu wecken. Dazu war es nötig, die Spielerinnen auch außerhalb der klassischen Sportberichterstattung auftreten zu lassen. Daniela Schaaf, Medienwissenschaftlerin an der Deutschen Sporthochschule in Köln
"Dies bedeutet: Man versucht die Spielerinnen in Unterhaltungssendungen zu positionieren oder auch mit ihnen Modestrecken, Fotostrecken für Unterhaltungsmagazine zu produzieren."
Bestes Beispiel der "Tatort" "Im Abseits" vom vergangenen Sonntag, in dem nicht nur WM-Organisationschefin Steffi Jones und Nationalspielerin Celia Okoyino da Mbabi auftraten, sondern mit Jogi Löw, Olli Bierhoff und Theo Zwanziger gleich noch die halbe DFB-Spitze.
"Insofern: einerseits haben wir die Massenmedien, die natürlich das gern aufnehmen, auf der anderen Seite ist der DFB, der genau das erkannt hat und nun versucht, im Hinblick auf die WM gerade diese Strategie zu fahren, die einfach lifestyliger zu positionieren."
Bis 2007 waren deutsche Kickerinnen meist kurzhaarig, muskulöse Kämpfernaturen mit eher verhaltener sexueller Ausstrahlung. Jetzt werden Spielerinnen wie Kim Kulig, Alexandra Popp und natürlich Fatmire Bajramaj in langen Foto- und Interviewstrecken als Glamourgirls gefeiert. Selbst in Frauen-Magazinen wie Burdas "Freundin" oder "Brigitte" aus dem Hause Gruner+Jahr, die bislang eher nicht durch übergroßes Interesse am Fußballsport auffielen. Das Flirt-Portal "First Affair" kürte gar die erotischsten Spielerinnen der WM. Auch der "Playboy" mochte da nicht zurückstehen. Jens Kirschneck ist skeptisch.
"Ob das funktioniert und ob der Ruf des Frauenfußballs irgendwie besser wird, wenn Nationalspielerinnen sich im Playboy ausziehen – es waren ja nicht mal wirkliche Nationalspielerinnen, sondern eher so welche aus der zweiten Reihe – das wage ich dann doch zu bezweifeln."
Dazu passt das offizielle sicher nicht zufällig gewählte WM-Motto "20Elf von seiner schönsten Seite". Wie schon beim WM-Sommermärchen der Männer vor fünf Jahren gibt es eine Reihe publizistischer Trittbrettfahrer. "Kicker" und "Sport Bild", die den Frauenfußball normalerweise faktisch ignorieren, warten mit dicken Sonderheften auf. Brigitte versucht, mit dem inhaltlich dünnen Extra "Der Kick des Sommers" zu punkten. Und vom "WM-2011-Magazin" aus der Medienfabrik Gütersloh blickt uns über der Headline "Das Glamourgirl gibt alles" die unvermeidliche Exil-Kosovarin Bajramaj recht ernst entgegen. Woher kommt plötzlich so viel redaktioneller Sachverstand? Medienwissenschaftlerin Schaaf winkt ab:
"Wir haben sehr sehr wenige echte Frauenfußballexperten in den Redaktionen sitzen. Was man aber beobachten kann, ist, dass eben zwangsweise Redakteure plötzlich zu Frauenfußballexperten im Hinblick auf die WM abgestellt werden. Und diese beiden Lager haben sehr unterschiedliche Meinungen."
Pioniere des Frauenfußball-Journalismus wie Jens Kirschneck finden es nicht glücklich, wenn gestylte Spielerinnen aus Vermarktungsgründen bei "Wetten dass" auf der Coach rumsitzen.
"Also schlussendlich kann man glaube ich eher durch spektakulären Sport und spektakuläre Spielverläufe überzeugen. Also, dass so etwas dann irgendwann ein bisschen ins Leere läuft, hat man ja beispielsweise im Tennis bei Anna Kournikova gesehen."
Anderen wiederum gefällt’s. Zumindest für die Dauer der Fußball-WM. Was danach kommt, ist für Kirschneck absehbar.
"Ich finde es gut, dass alle Spiele live übertragen werden. Was glaube ich, so um dem Frauenfußball 'nen Push zu geben, wichtiger wäre, ist, dass die Bundesliga oder zumindest die Spitzenspiele der Bundesliga mal regelmäßig im Fernsehen kommen. Ansonsten, klar, kommt jetzt drei Wochen jeden Abend n Frauenfußballspiel im Fernsehen, und danach schläft die Sache aber wieder ein."
Links zur Frauen-Fußball-WM auf dradio.de:
"Aktuell" vom 21.6.2011: Die weltbesten Kickerinnen zu Gast in Deutschland - Wer gewinnt die Frauenfußball-WM 2011?
"Aktuell" vom 22.6.2011: Fußball für die Ohren - Alle Beiträge zum Nachhören - die FIFA Frauen WM 2011 im Deutschlandfunk und Deutschlandradio Kultur