Als Polier in Polen
Sieben Stunden rollt Schreinermeister Hecker zum Arbeitseinsatz. Von Niederbayern nach Niederschlesien. Von Malgersdorf nach Breslau. Dort lässt Hecker die Handsäge kreischen, organisiert den Holzbau für ein millioneneuroteures Spaßbad.
Der Berufsverkehr schiebt sich über die Breslauer Borowskastraße. Michael Hecker streckt sich auf dem Fahrersitz seines Kleintransporters. Greift zu einer Tafel Nuss-Schokolade. Lehnt sich zurück. Nervennahrung. Auf dem Parkplatz vor dem "Aquapark Woclaw".
"Sieben Stunden Fahrzeit vernünftig, normale Zeit, kann man nicht meckern. Von Malgersdorf in Bayern liegt genau in der Mitte zwischen Landshut und Passau ..."
Sieben Stunden von Bayern nach Breslau. Von Heckers Drei-Mann-Schreinerei zur polnischen Großbaustelle. Für den 39-jährigen Tischlermeister ein Routine-Einsatz. Seit zwei Jahren rollt er zur Arbeit nach Polen.
"Ich denke so, 60, 70 Mal könnte man sagen, haben leider den Kilometerstand nicht notiert bei Beginn der Baustelle, aber müsste so 60, 70 Mal gewesen sein."
Hecker nimmt einen Schluck Koffein-Brause aus der Flasche, wischt sich mit dem Ärmel über den Schnäuzer, klettert aus dem Kleintransporter.
"Ich habe jetzt eine Glasscheibe dabei als Ersatz, weil eine gebrochen ist, in einer Tür. Die Dichtungen für die Eingangstür, die Kabelkanalverkleidungen, die Lichtblenden, etwas Parkettkleber, .. ., das woar es eigentlich, heute waren wir ziemlich leer, ich denke, wir hatten so 400 Kilogramm Material geladen, ich denke, da hätte noch ne Tonne Platz gehabt."
Zwei Kollegen schleppen das Material über den neugepflasterten Parkplatz. Ein paar Stufen empor. Richtung Eingangshalle. In der riesigen Glasfassade spiegelt sich der graue Breslauer Morgenhimmel ...
Krysztof Kiniorsiki sitzt gut 100 Meter weiter, in seinem kleinen Büro. Ohne Türschild. Und telefoniert. Den Hörer hält er in der rechten Hand. Mit der linken sucht er in einem Stapel Unterlagen.
Ein Vertragstext ist unklar, befürchtet sein Gesprächspartner. Daraus könnte ein Lieferant Profit schlafen. Kiniorski wiegt den Kopf von einer Seite zur anderen...
"Nein. Nein, sie suchen nur ein Loch, wenn Du einen Augenblick Zeit hast. Ruf Tante Gosha an und mach einen Alarm."
"Die suchen hier ein Schlupfloch", sagt der 37-Jährige. "Am besten Du alarmierst Tante Gosha". Tante Gosha sitzt in der Rechtsabteilung. Kiniorski schüttelt den Kopf. Er hasst Unklarheiten. Die kosten Zeit. Und die hat er nicht. Im Frühjahr soll Polens größtes Spaßbad eröffnen. Und dass dies klappt, dafür wird Kiniorski bezahlt. Als Direktor.
Jetzt klingelt auch noch das andere Telefon. Seine Assistentin. Sie muss warten. Der kleine, breitschultrige Enddreißiger spricht schnell. Überprüft nebenbei noch eine Tabelle mit Kostenpositionen. Die liegt zwischen einer Tüte Bananensaft. Und einem Glas saurer Gurken. Mit Chili.
"Das Objekt hat 36.000 Quadratmeter, 20.000 Quadratmeter sind Wasserfläche, das sind Millionen von Litern, der Wasserverlust beträgt durch Filter und Dampf pro Jahr zehn Prozent, die Gesamtfläche sind 4,5 Hektar. Hier können zur gleichen Zeit 1800 bis 2000 Gäste bleiben."
Polens erstes Spaßbad im XXL-Format. Mit Super-Rutschen und Solarien, Wellenbad und Wellnesslandschaft, Fun-Bereich und Fitness-Park. Investitionssumme: 33 Millionen Euro. Das Bad geplant von der Stuttgarter Interspa-Gruppe, Bau und Betrieb koordiniert vom Unternehmen Wroclawski Park Wodny. Alle Leistungen ausgeschrieben. Europaweit …
"Bei dem Bau des Aquaparks haben polnische Handwerker sehr wenig gemacht. Die meisten Handwerker kamen aus Deutschland. Für uns war das eine große Überraschung. Sie waren nicht nur besser, flotter, sie haben auch die Ausschreibung gewonnen, das heißt, sie waren einfach wirtschaftlicher, günstiger …"
Kiniorski lächelt. Deutsche Handwerker günstiger als ihre polnische Kollegen. Klare Sieger bei Preis und Qualität – zumindest hier in Breslau …
"Die polnischen Firmen sind, so glaube ich, sind durch die Öffnung der EU-Arbeitsmärkte großmäulig geworden, einfach arrogant."
Entweder die Handwerker arbeiten weit weg im Ausland. Oder sie pokern in Polen zu hoch bei den Baupreisen, sagt Kiniorski. Pech fürs polnische Handwerk. Glück für die deutschen Kollegen ...
"Das hätte keine Sau gesehen, dass das verkehrte Farbe ist."
Niko kniet neben seinem Farbeimer In einer der neuen Umkleidekabinen: Terrakottakacheln, warme rotbraune Wandfarbe, pastellfarbene Schränke.
Mit der kleinen Malerrolle verteilt Niko etwas weiße Farbe auf einem Kabinenpfosten. Kollege Heiko steht daneben. Grinst.
"Das war jetzt verkehrt ausgebessert, verkehrte Farben. Wir haben vorhin die komplette Umkleide ausgebessert. Wir ham angefangen am Rutschenturm … dort haben wir angefangen auszubessern, dort ist keine Sau mehr."
Aber noch jede Menge Arbeit für Niko und Heiko. Den kompakten Lehrling und den großen Gesellen. Sie sind die Nachhut des Handwerks. Bessern alle Schäden aus, die andere an Wänden und Decken hinterlassen.
"Dann sind wir in die Halle rein, dann haben wir die Halle gemacht, die ganze Erlebnishalle, dann sind wir in die Küche, dann sind wir Wellness, Sauna, die Umkleiden alle gemacht. Und jetzt sind wir von oben runter. Und arbeiten uns hier durch …"
"Maler Süd – Chemnitz" steht draußen auf ihrem Kleintransporter. Vor sieben Monaten kommen Niko und Heiko das erste Mal nach Breslau auf die Baustelle. Zusammen mit vier weiteren Malern. Jetzt sind nur noch die beiden übrig. Die letzten in Breslau, lästern die Kollegen. Und die Freunde zuhause staunen.
"Die ham sich gewundert, das wir in Polen, weil das sind ja eigentlich billigere Arbeiter, die kommen zu uns zum arbeiten und wir gehen nach Polen. In Polen waren wir noch nie, noch nie im Leben, noch gar nie, ich zumindest nicht."
Niko mustert den Pfosten, Heiko nickt zufrieden. Sie können weiter. Zur nächsten Ausbesserungsstation. Im Wellnessbereich. Pinseln in Polen – zwei Wochen braucht die Eingewöhnung, sagen sie, dann läuft es rund. Monika, die polnische Bauleiterin, spricht Deutsch. Wie die meisten hier auf der Baustelle.
"Wir haben getroffen aus Neubrandenburg, viele Sachsen und dann Richtung Thüringen, viele Sachsens, Thüringer und dann Neubrandenburger und nen Bayern noch, der war ganz lustig …"
Im Südseebereich läuft die Wellenmaschine. Drückt eine Test-Woge nach der anderen durchs Becken. Die Wellen brechen sich an hölzernen Kunstpalmen, umspielen die Poolbar. Schreinermeister Hecker steht am Rand. Im graubraunen Arbeitsoverall. Kneift die Augen hinter der Brille zusammen. Mustert die riesige von Holzbalken durchzogene Glasfassade. "Pfostenriegelfassade", sagt der Tischlermeister. "Unsere Pfostenriegelfassade"
"Das sind ungefähr 2500 Quadratmeter Glas hier in allen Hallen, das ist eine ansehnliche Fläche ..., ich denke, wenn man das auf einen Quadratmeter rumlegt, große und kleine gemischt, wird man im Schnitt auf ungefähr ja 300 Euro Quadratmeter, also sind wir irgendwo mit allen Nebenabreiten, was dazu kommt, knappe Million …"
Hecker federt leicht in die Knien, als er das sagt. Greift in die Seitentasche der Arbeitshose. Zieht einen Zollstock hervor. Nimmt ihn als Zeigestock. Deutet auf die weiteren Hecker-Leistungen
"Zusätzlich jetzt weiter zum Beispiel das Geländer von der Brücke da, die Pfosten rund um das Wellenbecken, der Steg und der Ausguck zur Kindergalerie, hier ein bisschen was, da ein bisschen was …"
Alles Hecker-Holz-Arbeit. Bayerisches Handwerk für Breslau. Der Tischlermeister eilt am Südseebecken entlang. Die blauen Gesundheitslatschen schlappen über die Kacheln.
"Ich wollte nur mal hier rübergehen,. Weil hier gibt es noch ein paar offenen Punkte, zumindest fällt mir einer jetzt ein, was wir hier noch zaubern können, nachdem ja der Planer derzeit nicht hier ist, müssen wir uns selber was einfallen lassen ..."
Hecker blickt nach links und rechts. Registriert Kleinigkeiten. Ein fehlendes Haltenetz zwischen zwei Pfosten am Piratenschiff . Ein Konstruktionsfehler im Buffetbereich. Hecker sieht, misst, kalkuliert.
"Ich möcht jetzt vorschlagen, hier irgendwo so 60 x 80 cm hoch eine durchgriffsichere Barriere anzubringen, eben um zu vermeiden der kostenlose Speiseentnahme ... dann bauen wir hier drei so Rahmen und dann ist die Kuh vom Eis."
Das Material lagert noch im Wellnessbereich. Sieben Lkw-Ladungen schickt Hecker im Laufe der letzten zwei Jahre von Bayern nach Breslau. Dazu kommen noch 70 Kleintransporte. Von der Schraube bis zum elf Meter langen Holzpfosten – alles aus Bayern nach Breslau importiert.
"Prozent der Materialien haben wir mitgemacht. Ersten sind die Materialien günstiger in Deutschland, zum anderen muss ich es ja bearbeiten Und das dritte ist, alle Materialien, die ich hier in Polen kaufe, da habe ich 22 Prozent Mehrwertsteuer drauf, die ich erst wieder zurückkriegen Muss."
"Ich wollte ja in Polen kaufen", sagt Hecker. Doch dann hat er gerechnet. Und noch mal gerechnet. Es rechnet sich nicht:
"Jetzt nehmen wir einen einfachen Punkt, die Aluminiumaußentüren haben ungefähr einen Nettowert von 40.000 Euro, 22 Prozent drauf sind wir bei über 50.000. Und die zehn oder zwölftausend Euro kann ich ein Jahr und noch länger hinterherlaufen, bis ich die vom Finanzamt wieder habe. Und die Türen an sich sind in Polen auch noch teurer ..."
Also kommen die Alutüren aus Deutschland. Ebenso wie die Holzteile. Alles eine Preisfrage.
Hecker eilt weiter. Durch die Küche, in den Wellnessbereich. Links rum, rechts rum, vorbei am Thalassobecken, den Solarien, der skandinavischen, der russischen, der türkischen, der römischen Sauna, dem Schlammbad.
Schlafwandlerisch sicher bewegt sich der Tischlermeister durch das halbdunkle Wellness-Labyrinth. Sucht seine übergroße Glastür ....
"Die müsste eigentlich hier noch rumstehen ... na, ich denke, sie wurde geklaut oder zerschlagen oder sonst was … spar ich mir die Entsorgung."
Was soll’s. So spart er die Entsorgung. Ein Blick auf die Uhr. Es ist halb zwei. Hecker muss zum Eingangsbereich. Da warten die Automatiktüren. Auch die installiert der bayerische Schreinermeister ....
Tief unten, im Keller des Spaßbades, steht Spiegniew Iwanowski zwischen Röhren und Filtertanks, Dosierpumpen und Messegräten. Sucht seinen deutschen Kollegen, Siegfried Wruck.
"Wo ist Pana Wruck?"
Iwanowksi blickt auf die Uhr. Der korpulente Mittfünfziger in Sweatshirt und Jeans ist der technische Leiter des Spaßbades. Verantwortlich für Pumpen, Filter, Schaltungen. Und eine Heerschar deutscher Handwerker. Von Lüftungs- bis zum Wassertechniker.
"Das ist für mich nichts Neues, weil ich gearbeitet habe ins Ausland und deswegen ich kenne die deutschen Handwerker, das ist immer besser, wenn wir uns verstehen …"
"Rauchen verboten – 125 Zloty Strafe". Zur Sicherheit hängen die Schilder zweisprachig an den Türen. Iwanowski grinst. So einen Service kennt er von seinen Auslandseinsätzen nicht:
"Im Ausland haben ich gearbeitet in ehemalige DDR, in Ludwigsfelde. Und ich habe gearbeitet bei Hüttenstadt. Gießerei habe ich auch gearbeitet, habe ich auch gearbeitet im Stahlbetonbetrieb ..."
Heute kommen die deutschen Kollegen nach Polen. Und er kann zuhause arbeiten. Iwanowski lässt seinen Blick über die schwarzen Kunststoffrohre und glänzenden Metalltanks schweifen. Das technische Herz des Spaßbades.
"Keine Zeit, keine Zeit."
Jetzt biegt Siegfried Wruck um die Ecke. "Keine Zeit, keine Zeit" ruft der dünne Mittfünfziger im Blaumann. Und rudert mit den Armen. Die Wasseraufbereitung läuft rund um die Uhr. Und er muss dafür sorgen, dass sie funktioniert. Probleme klärt er mit Iwanowski auf Deutsch. Eine paar polnische Brocken aber hat er in den letzten zwei Jahren auch schon aufgeschnappt.
"Ein paar Grundkenntnisse hat man schon; Dzen dobre, dzikouje, prozse jedno piwo …"
"Guten Tag, bitte, danke, ein Bier" .Das reicht ihm. Der Kollege von der Lüftungsfirma kann noch weniger. In Wrucks kleinem Hotel sprechen die Kellnerinnen deutsch, da versteht man sich. Seit zwei Jahren wohnt er schon da, fast jedes Wochenende geht’s nach Hause. Nach Rathenow. In Brandenburg. "Bin eben auf Montage", sagt der 57-Jährige: "alles Routine." Na ja, nicht ganz: Da ist dieser Artikel in der Bildzeitung. Über seinen Auslandseinsatz...
"Ganz groß: Gastarbeiter in Polen, das eben … mit Foto, mit Text eben , da ... das hier 200 deutsche Gastarbeiter tätig sind. Ist ja gar nicht so, sind ja alles ob Maler, ob Lüftungsbauer, sind ja alle keine Gastarbeiter n dem Sinne, das sind firmeneigene Arbeiter, die hier hergeschickt worden sind, zum Arbeiter …"
Wruck blickt streng durch die Brille. Nein, Gastarbeiter will er nicht sein. Auch wenn er in Brandenburg wohnt. Und in Breslau arbeitet.
"Weil man sagt, dat ist ja nicht ... so aber warum Gastarbeiter, deutsche Arbeiter in Polen okay, aber nicht Gastarbeiter, darunter stellt man sich doch ein bisschen was anderes vor …"
Ein Stockwerk höher, im Bürotrakt, sucht Heiko seinen Maler-Kollegen. Der hat den Schlüssel zum Pausenraum.
Niko taucht am Ende des langen Flures auf. Wechselt vom geruhsamen Gang in einen gemächlichen Trab.
Heiko stopft eine Tyskie-Bier-Dose in die Seiten-Tasche seiner Maleroveralls. Zeit für die Mittagspause. Im Wellness-Bereich.
"Wir schlafen doch sogar im Bad, war kein bezahlbares Hotel zu finden, das günstigste war 250 Zloty pro Nacht. Und das ist für uns zu teuer."
Alles ausgebucht oder zu teuer. Da wird eben der Arbeitsplatz zum Schlafplatz. Durch die Küche geht es, dann durch den Saunabereich, vorbei am Thalassobecken, links die Saharalandschaft, dann noch einmal rechts rum, dann wieder links.
"Ja wir haben hier eine 1,60 Meter breite Luftmatratze, zwei Meter lang, wo wir die nächsten drei Nächte noch übernachten werden zu zweit, dann haben wir uns noch eine günstige Decke dazu gekauft und ein Kopfkissen und dann hatten wir das Schlafquartier perfekt …"
Neben der Luftmatratze stehen die Reisetaschen, über der Heizung hängen die Unterhosen, die Schuhe liegen in der Ecke. Durch die Panoramascheibe blicken die Maler auf den Außenbeckenbereich. Im Sommer konnten sie dort draußen Grillen. Barbecue auf der Baustelle. Vor dem Fenster steht noch eine leere Bierflasche.
"Zu Mittag, … belegte Brötchen …. Wir gehen einmal am Tag einkaufen das ist früh. Und nehmen wir uns Mittag mit. Und abends gehen wir dann essen."
Niko packt Brötchen aus, Heiko sucht seine Erkältungstropfen.
"Zweimal waren wir in der Stadt. Man hat es mal gesehen, man muss ja auch nicht jeden Tag wegrammeln, es ist ja auch ein harter Tag, wir wollen ja auch am Donnerstag nach Hause fahren, da macht man dann jeden Tag so zehn Stunden, und dann ist nicht mehr viel mit weggehen."
Niko schmiert sich ein Salamibrötchen. Nein, viel gesehen haben sie bisher nicht von der schlesischen Metropole. Viele hübsche Frauen. Aber kennengelernt haben sie noch keine. Bis auf Monika, die polnische Bauleiterin.
Das Mobiltelefon klingelt. Ein Farblieferant ist dran. Sucht die Baustelle. In Bayern. Heikos letzte Station vor Breslau. Der Maler greift zum Telefon, ruft den Kollegen vor Ort an...
"Buschi, Grüsse, ihr habt Lieferung von Brillux, er rief mich gerade in Polen an. In der Strasse irgendwo. Guckt mal, Tschüss."
Heiko greift sich seine Mittagstüte. Darin vier Cabanossi. Ein Brötchen.
"Ich sag mal, wir fahren kürzer nach Polen, als wenn wir irgendwo in die Altbundesländern fahren."
Ob Chemnitz-Breslau oder Chemnitz-Bayern, eigentlich macht das keinen Unterschied, sagt Heiko. Niko kaut. Und nickt. Das Bier ist sogar billiger als in München. Und Bayern gibt es auch hier. Auf der Baustelle, in der großen Eingangshalle steht Tischlermeister Hecker zwischen zwei Doppel-Automatiktüren. Beugt sich nach vorne, greift mit Daumen und Zeigefinger ein vorstehendes Dichtungsgummi.
"Warum macht sie das ? Häääh, ein polnischer Lump …"
Hecker zieht sein Teppichmesser. Schneidet, drückt, quetscht. Und flucht.
Drei ältere polnische Wachschützer, alle jenseits der 60, in schwarzer Uniform und Schirmmütze, sitzen einige Meter weiter. Gucken interessiert zu. Trinken Kaffee. Und Tee.
"Iirgendwie springt sie immer wieder raus, soll ein anderer machen. Am besten soll ein Kollege machen und schimpfe, warum er so lange braucht ..."
Jetzt kommt ein Kollege: Thomas. Hecker richtet sich auf.
"Herrgott Thomas, die Dichtung kommt aus …"
Thomas nickt. Er kümmert sich drum. Die polnischen Wachschützer grinsen. Trinken weiter Tee und Kaffe. Einer putzt sein Damenrad. Das nutzt er für Patrouillenfahrten im Spaßbad.
Hecker macht weiter seine Runde. Durch die große Eingangshalle, mit dem Zollstock in der Hand."Solche große Objekt findet man bei uns gar nicht", schwärmt der Schreinermeister.
"Bei uns ist die Tischlerdichte sehr hoch. Bei den paar Häuser, die da gebaut werden, um den Kuchen streiten sich zu viele. Dann haben wir eben einen anderen Weg eingeschlagen … und darum sind wir jetzt hier, es reizt ja auch das Neue. Deshalb sind wir jetzt hier …"
In Breslau. Auf der Baustelle. Der 39-Jährige mustert eine Wandverkleidung. Auch Hecker-Handwerk. Gebaut mit der Unterstützung von polnischen Kollegen. Die heuert er an, wenn es eng wird.
"Einer war taubstumm, habe ich gar nicht gemerkt, ich baue mit dem eine Wand auf und habe gezeigt, was zu tun ist, und ja er hat geschraubt, hat genagelt, hat gepasst, … dann war er mit seinem Chef: Ach, der ist taubstumm. Also es geht auch so …"
Mit der Verständigung unter Handwerkern. Hecker blickt auf die Uhr. Gleich muss er zur Bauleitung. Ein paar Vorschläge machen für den Innenausbau.
"Wir sind hier mit unseren Preisen konkurrenzfähig, sehr konkurrenzfähig, ich kann es nicht anders sagen, es funktioniert, … ich würde die selbe Baustelle oder etwas ähnliches hier in Polen jederzeit wieder machen … ich denke, man kann damit leben, also auch so gut oder mindestens so gut wie in Aufträgen in München …"
Hecker lächelt. Mittlerweile haben sich auch seine Frau und die vier Kinder daran gewöhnt. Dass er im fernen Osten eher Geld verdient, als im naheliegenden München. Im Zweiwochentakt packt der Tischlermeister seine Taschen. Fährt entweder nach Breslau. Oder fliegt ins Baltikum.
"In Riga geht es um Einfamilienhäuser, Reihenhäuser. Und da machen wir die Fenster. Riga ist eigentlich nicht schlimmer als hier Polen, von der Entfernung her. Wir sind einmal hochgefahren mit dem Transporter und jetzt wird immer hin und her geflogen, wie sind also wesentlich schneller."
50 Häuser, Auftragsvolumen knapp eine halbe Million Euro. Gut machbar, sagt Hecker. Alles eine Frage der Logistik. Das Material rollt mit dem Lkw nach Riga. Die Handwerker kommen mit dem Billigflieger zur Baustelle.
"Der Nachteil, der in Riga jetzt ist, ich kann im Flugzeug kaum was mitnehmen … im Flugzeug kann ich maximal ein paar Schrauben mitnehmen, ein bisschen Werkzeug aber sonst nix, hier muss dann etwas besser vorausgeplant werden."
Abends um acht. Im Cafe Europejski. Eine kleine Kneipe unweit der Spaßbad-Baustelle. Träge drehen sich die alten Ventilatoren unter der hohen Decke. Heiko und Niko kauen Schnitzel mit Kartoffeln, zum Bier gibt es Schmalzstullen gratis.
Vier junge Polinnen kommen herein, setzten sich zwei Tische weiter, bestellen Bier. Die Maler gucken verzückt. Und verzweifelt. Heiko lobt die figurbetonte Kleidung. Meint die sehr engen Jeans. In den hohen Stiefel. Frauenmässig ist bisher Flaute in Breslau, sagen sie: Einfach zuviel Arbeit.
"Der Hecker hat schon gefragt, ob wir mit nach Riga nachkommen ... interessieren würde es mich schon ..."
Noch weiter im Osten zu arbeiten. Niko nickt. Kaut auf seinem Schnitzel. Nimmt einen Schluck Bier. Bald sind sie fertig in Breslau. Dann kommt die nächste Baustelle. Noch wissen sie nicht, wo die liegt.
"Ich hab mit dem Bauleiter noch ne Baustelle noch am Draht, die vielleicht in Polen noch weitergeht. Weil gefragt ist eins: Qualität. In Polen sind kaum Arbeiter, die Qualität bringen ... Qualität wird immer schlechter. Bauleiter hat gesagt, Qualität auf seinen anderen Baustellen wird immer schlechter, schlechter, schlechter. Gute Leute alle weg ... wir wären nicht hier ... wenn hier Leute wären mit Qualität wären wir nicht hier ..."
Jetzt kommen Michael Hecker und seine Kollegen herein. Nur Siegfried Wruck fehlt. "Der bereitet mal wieder Wasser auf", sagt der Tischlermeister.
"Wie ich doas erste moal hier waor, habe ich hier übernoachtet ..., eene Nacht, dann sind wir wieder hoam und da woaren wir noch goar nicht so weit, das wir anfangen konnten."
Das Bayern-Trio bestellt Schnitzel. In der Küche gibt es aber nur noch eins. Das schnappt sich Meister Hecker. Seine Kollegen kriegen Kotelett. Alle trinken Bier.
"Bayern trinken doch immer gerne Bier."
"Drei Bier sind ein Mittagessen aber da hast du noch nichts getrunken dazu ..."
Ein Bier auf die Arbeit. Dann eins auf Breslau. Dann geht es um Monika, die Gutaussehende Bauleiterin. Handwerker-Phantasien. Dann um Riga; die Baustelle. Und um Aussprachefragen:
"Oagkoatzelschwoaf, is das nen Schimpfwort?"
"Oakoatzelschwoaf, nein, Oaakaotazelschwoaf meint den Schweif des Eichhörnchen."
Verständnisproblem gelöst. Zwischen Bayern und Sachsen. Auf der Baustelle in Breslau ...
"Sieben Stunden Fahrzeit vernünftig, normale Zeit, kann man nicht meckern. Von Malgersdorf in Bayern liegt genau in der Mitte zwischen Landshut und Passau ..."
Sieben Stunden von Bayern nach Breslau. Von Heckers Drei-Mann-Schreinerei zur polnischen Großbaustelle. Für den 39-jährigen Tischlermeister ein Routine-Einsatz. Seit zwei Jahren rollt er zur Arbeit nach Polen.
"Ich denke so, 60, 70 Mal könnte man sagen, haben leider den Kilometerstand nicht notiert bei Beginn der Baustelle, aber müsste so 60, 70 Mal gewesen sein."
Hecker nimmt einen Schluck Koffein-Brause aus der Flasche, wischt sich mit dem Ärmel über den Schnäuzer, klettert aus dem Kleintransporter.
"Ich habe jetzt eine Glasscheibe dabei als Ersatz, weil eine gebrochen ist, in einer Tür. Die Dichtungen für die Eingangstür, die Kabelkanalverkleidungen, die Lichtblenden, etwas Parkettkleber, .. ., das woar es eigentlich, heute waren wir ziemlich leer, ich denke, wir hatten so 400 Kilogramm Material geladen, ich denke, da hätte noch ne Tonne Platz gehabt."
Zwei Kollegen schleppen das Material über den neugepflasterten Parkplatz. Ein paar Stufen empor. Richtung Eingangshalle. In der riesigen Glasfassade spiegelt sich der graue Breslauer Morgenhimmel ...
Krysztof Kiniorsiki sitzt gut 100 Meter weiter, in seinem kleinen Büro. Ohne Türschild. Und telefoniert. Den Hörer hält er in der rechten Hand. Mit der linken sucht er in einem Stapel Unterlagen.
Ein Vertragstext ist unklar, befürchtet sein Gesprächspartner. Daraus könnte ein Lieferant Profit schlafen. Kiniorski wiegt den Kopf von einer Seite zur anderen...
"Nein. Nein, sie suchen nur ein Loch, wenn Du einen Augenblick Zeit hast. Ruf Tante Gosha an und mach einen Alarm."
"Die suchen hier ein Schlupfloch", sagt der 37-Jährige. "Am besten Du alarmierst Tante Gosha". Tante Gosha sitzt in der Rechtsabteilung. Kiniorski schüttelt den Kopf. Er hasst Unklarheiten. Die kosten Zeit. Und die hat er nicht. Im Frühjahr soll Polens größtes Spaßbad eröffnen. Und dass dies klappt, dafür wird Kiniorski bezahlt. Als Direktor.
Jetzt klingelt auch noch das andere Telefon. Seine Assistentin. Sie muss warten. Der kleine, breitschultrige Enddreißiger spricht schnell. Überprüft nebenbei noch eine Tabelle mit Kostenpositionen. Die liegt zwischen einer Tüte Bananensaft. Und einem Glas saurer Gurken. Mit Chili.
"Das Objekt hat 36.000 Quadratmeter, 20.000 Quadratmeter sind Wasserfläche, das sind Millionen von Litern, der Wasserverlust beträgt durch Filter und Dampf pro Jahr zehn Prozent, die Gesamtfläche sind 4,5 Hektar. Hier können zur gleichen Zeit 1800 bis 2000 Gäste bleiben."
Polens erstes Spaßbad im XXL-Format. Mit Super-Rutschen und Solarien, Wellenbad und Wellnesslandschaft, Fun-Bereich und Fitness-Park. Investitionssumme: 33 Millionen Euro. Das Bad geplant von der Stuttgarter Interspa-Gruppe, Bau und Betrieb koordiniert vom Unternehmen Wroclawski Park Wodny. Alle Leistungen ausgeschrieben. Europaweit …
"Bei dem Bau des Aquaparks haben polnische Handwerker sehr wenig gemacht. Die meisten Handwerker kamen aus Deutschland. Für uns war das eine große Überraschung. Sie waren nicht nur besser, flotter, sie haben auch die Ausschreibung gewonnen, das heißt, sie waren einfach wirtschaftlicher, günstiger …"
Kiniorski lächelt. Deutsche Handwerker günstiger als ihre polnische Kollegen. Klare Sieger bei Preis und Qualität – zumindest hier in Breslau …
"Die polnischen Firmen sind, so glaube ich, sind durch die Öffnung der EU-Arbeitsmärkte großmäulig geworden, einfach arrogant."
Entweder die Handwerker arbeiten weit weg im Ausland. Oder sie pokern in Polen zu hoch bei den Baupreisen, sagt Kiniorski. Pech fürs polnische Handwerk. Glück für die deutschen Kollegen ...
"Das hätte keine Sau gesehen, dass das verkehrte Farbe ist."
Niko kniet neben seinem Farbeimer In einer der neuen Umkleidekabinen: Terrakottakacheln, warme rotbraune Wandfarbe, pastellfarbene Schränke.
Mit der kleinen Malerrolle verteilt Niko etwas weiße Farbe auf einem Kabinenpfosten. Kollege Heiko steht daneben. Grinst.
"Das war jetzt verkehrt ausgebessert, verkehrte Farben. Wir haben vorhin die komplette Umkleide ausgebessert. Wir ham angefangen am Rutschenturm … dort haben wir angefangen auszubessern, dort ist keine Sau mehr."
Aber noch jede Menge Arbeit für Niko und Heiko. Den kompakten Lehrling und den großen Gesellen. Sie sind die Nachhut des Handwerks. Bessern alle Schäden aus, die andere an Wänden und Decken hinterlassen.
"Dann sind wir in die Halle rein, dann haben wir die Halle gemacht, die ganze Erlebnishalle, dann sind wir in die Küche, dann sind wir Wellness, Sauna, die Umkleiden alle gemacht. Und jetzt sind wir von oben runter. Und arbeiten uns hier durch …"
"Maler Süd – Chemnitz" steht draußen auf ihrem Kleintransporter. Vor sieben Monaten kommen Niko und Heiko das erste Mal nach Breslau auf die Baustelle. Zusammen mit vier weiteren Malern. Jetzt sind nur noch die beiden übrig. Die letzten in Breslau, lästern die Kollegen. Und die Freunde zuhause staunen.
"Die ham sich gewundert, das wir in Polen, weil das sind ja eigentlich billigere Arbeiter, die kommen zu uns zum arbeiten und wir gehen nach Polen. In Polen waren wir noch nie, noch nie im Leben, noch gar nie, ich zumindest nicht."
Niko mustert den Pfosten, Heiko nickt zufrieden. Sie können weiter. Zur nächsten Ausbesserungsstation. Im Wellnessbereich. Pinseln in Polen – zwei Wochen braucht die Eingewöhnung, sagen sie, dann läuft es rund. Monika, die polnische Bauleiterin, spricht Deutsch. Wie die meisten hier auf der Baustelle.
"Wir haben getroffen aus Neubrandenburg, viele Sachsen und dann Richtung Thüringen, viele Sachsens, Thüringer und dann Neubrandenburger und nen Bayern noch, der war ganz lustig …"
Im Südseebereich läuft die Wellenmaschine. Drückt eine Test-Woge nach der anderen durchs Becken. Die Wellen brechen sich an hölzernen Kunstpalmen, umspielen die Poolbar. Schreinermeister Hecker steht am Rand. Im graubraunen Arbeitsoverall. Kneift die Augen hinter der Brille zusammen. Mustert die riesige von Holzbalken durchzogene Glasfassade. "Pfostenriegelfassade", sagt der Tischlermeister. "Unsere Pfostenriegelfassade"
"Das sind ungefähr 2500 Quadratmeter Glas hier in allen Hallen, das ist eine ansehnliche Fläche ..., ich denke, wenn man das auf einen Quadratmeter rumlegt, große und kleine gemischt, wird man im Schnitt auf ungefähr ja 300 Euro Quadratmeter, also sind wir irgendwo mit allen Nebenabreiten, was dazu kommt, knappe Million …"
Hecker federt leicht in die Knien, als er das sagt. Greift in die Seitentasche der Arbeitshose. Zieht einen Zollstock hervor. Nimmt ihn als Zeigestock. Deutet auf die weiteren Hecker-Leistungen
"Zusätzlich jetzt weiter zum Beispiel das Geländer von der Brücke da, die Pfosten rund um das Wellenbecken, der Steg und der Ausguck zur Kindergalerie, hier ein bisschen was, da ein bisschen was …"
Alles Hecker-Holz-Arbeit. Bayerisches Handwerk für Breslau. Der Tischlermeister eilt am Südseebecken entlang. Die blauen Gesundheitslatschen schlappen über die Kacheln.
"Ich wollte nur mal hier rübergehen,. Weil hier gibt es noch ein paar offenen Punkte, zumindest fällt mir einer jetzt ein, was wir hier noch zaubern können, nachdem ja der Planer derzeit nicht hier ist, müssen wir uns selber was einfallen lassen ..."
Hecker blickt nach links und rechts. Registriert Kleinigkeiten. Ein fehlendes Haltenetz zwischen zwei Pfosten am Piratenschiff . Ein Konstruktionsfehler im Buffetbereich. Hecker sieht, misst, kalkuliert.
"Ich möcht jetzt vorschlagen, hier irgendwo so 60 x 80 cm hoch eine durchgriffsichere Barriere anzubringen, eben um zu vermeiden der kostenlose Speiseentnahme ... dann bauen wir hier drei so Rahmen und dann ist die Kuh vom Eis."
Das Material lagert noch im Wellnessbereich. Sieben Lkw-Ladungen schickt Hecker im Laufe der letzten zwei Jahre von Bayern nach Breslau. Dazu kommen noch 70 Kleintransporte. Von der Schraube bis zum elf Meter langen Holzpfosten – alles aus Bayern nach Breslau importiert.
"Prozent der Materialien haben wir mitgemacht. Ersten sind die Materialien günstiger in Deutschland, zum anderen muss ich es ja bearbeiten Und das dritte ist, alle Materialien, die ich hier in Polen kaufe, da habe ich 22 Prozent Mehrwertsteuer drauf, die ich erst wieder zurückkriegen Muss."
"Ich wollte ja in Polen kaufen", sagt Hecker. Doch dann hat er gerechnet. Und noch mal gerechnet. Es rechnet sich nicht:
"Jetzt nehmen wir einen einfachen Punkt, die Aluminiumaußentüren haben ungefähr einen Nettowert von 40.000 Euro, 22 Prozent drauf sind wir bei über 50.000. Und die zehn oder zwölftausend Euro kann ich ein Jahr und noch länger hinterherlaufen, bis ich die vom Finanzamt wieder habe. Und die Türen an sich sind in Polen auch noch teurer ..."
Also kommen die Alutüren aus Deutschland. Ebenso wie die Holzteile. Alles eine Preisfrage.
Hecker eilt weiter. Durch die Küche, in den Wellnessbereich. Links rum, rechts rum, vorbei am Thalassobecken, den Solarien, der skandinavischen, der russischen, der türkischen, der römischen Sauna, dem Schlammbad.
Schlafwandlerisch sicher bewegt sich der Tischlermeister durch das halbdunkle Wellness-Labyrinth. Sucht seine übergroße Glastür ....
"Die müsste eigentlich hier noch rumstehen ... na, ich denke, sie wurde geklaut oder zerschlagen oder sonst was … spar ich mir die Entsorgung."
Was soll’s. So spart er die Entsorgung. Ein Blick auf die Uhr. Es ist halb zwei. Hecker muss zum Eingangsbereich. Da warten die Automatiktüren. Auch die installiert der bayerische Schreinermeister ....
Tief unten, im Keller des Spaßbades, steht Spiegniew Iwanowski zwischen Röhren und Filtertanks, Dosierpumpen und Messegräten. Sucht seinen deutschen Kollegen, Siegfried Wruck.
"Wo ist Pana Wruck?"
Iwanowksi blickt auf die Uhr. Der korpulente Mittfünfziger in Sweatshirt und Jeans ist der technische Leiter des Spaßbades. Verantwortlich für Pumpen, Filter, Schaltungen. Und eine Heerschar deutscher Handwerker. Von Lüftungs- bis zum Wassertechniker.
"Das ist für mich nichts Neues, weil ich gearbeitet habe ins Ausland und deswegen ich kenne die deutschen Handwerker, das ist immer besser, wenn wir uns verstehen …"
"Rauchen verboten – 125 Zloty Strafe". Zur Sicherheit hängen die Schilder zweisprachig an den Türen. Iwanowski grinst. So einen Service kennt er von seinen Auslandseinsätzen nicht:
"Im Ausland haben ich gearbeitet in ehemalige DDR, in Ludwigsfelde. Und ich habe gearbeitet bei Hüttenstadt. Gießerei habe ich auch gearbeitet, habe ich auch gearbeitet im Stahlbetonbetrieb ..."
Heute kommen die deutschen Kollegen nach Polen. Und er kann zuhause arbeiten. Iwanowski lässt seinen Blick über die schwarzen Kunststoffrohre und glänzenden Metalltanks schweifen. Das technische Herz des Spaßbades.
"Keine Zeit, keine Zeit."
Jetzt biegt Siegfried Wruck um die Ecke. "Keine Zeit, keine Zeit" ruft der dünne Mittfünfziger im Blaumann. Und rudert mit den Armen. Die Wasseraufbereitung läuft rund um die Uhr. Und er muss dafür sorgen, dass sie funktioniert. Probleme klärt er mit Iwanowski auf Deutsch. Eine paar polnische Brocken aber hat er in den letzten zwei Jahren auch schon aufgeschnappt.
"Ein paar Grundkenntnisse hat man schon; Dzen dobre, dzikouje, prozse jedno piwo …"
"Guten Tag, bitte, danke, ein Bier" .Das reicht ihm. Der Kollege von der Lüftungsfirma kann noch weniger. In Wrucks kleinem Hotel sprechen die Kellnerinnen deutsch, da versteht man sich. Seit zwei Jahren wohnt er schon da, fast jedes Wochenende geht’s nach Hause. Nach Rathenow. In Brandenburg. "Bin eben auf Montage", sagt der 57-Jährige: "alles Routine." Na ja, nicht ganz: Da ist dieser Artikel in der Bildzeitung. Über seinen Auslandseinsatz...
"Ganz groß: Gastarbeiter in Polen, das eben … mit Foto, mit Text eben , da ... das hier 200 deutsche Gastarbeiter tätig sind. Ist ja gar nicht so, sind ja alles ob Maler, ob Lüftungsbauer, sind ja alle keine Gastarbeiter n dem Sinne, das sind firmeneigene Arbeiter, die hier hergeschickt worden sind, zum Arbeiter …"
Wruck blickt streng durch die Brille. Nein, Gastarbeiter will er nicht sein. Auch wenn er in Brandenburg wohnt. Und in Breslau arbeitet.
"Weil man sagt, dat ist ja nicht ... so aber warum Gastarbeiter, deutsche Arbeiter in Polen okay, aber nicht Gastarbeiter, darunter stellt man sich doch ein bisschen was anderes vor …"
Ein Stockwerk höher, im Bürotrakt, sucht Heiko seinen Maler-Kollegen. Der hat den Schlüssel zum Pausenraum.
Niko taucht am Ende des langen Flures auf. Wechselt vom geruhsamen Gang in einen gemächlichen Trab.
Heiko stopft eine Tyskie-Bier-Dose in die Seiten-Tasche seiner Maleroveralls. Zeit für die Mittagspause. Im Wellness-Bereich.
"Wir schlafen doch sogar im Bad, war kein bezahlbares Hotel zu finden, das günstigste war 250 Zloty pro Nacht. Und das ist für uns zu teuer."
Alles ausgebucht oder zu teuer. Da wird eben der Arbeitsplatz zum Schlafplatz. Durch die Küche geht es, dann durch den Saunabereich, vorbei am Thalassobecken, links die Saharalandschaft, dann noch einmal rechts rum, dann wieder links.
"Ja wir haben hier eine 1,60 Meter breite Luftmatratze, zwei Meter lang, wo wir die nächsten drei Nächte noch übernachten werden zu zweit, dann haben wir uns noch eine günstige Decke dazu gekauft und ein Kopfkissen und dann hatten wir das Schlafquartier perfekt …"
Neben der Luftmatratze stehen die Reisetaschen, über der Heizung hängen die Unterhosen, die Schuhe liegen in der Ecke. Durch die Panoramascheibe blicken die Maler auf den Außenbeckenbereich. Im Sommer konnten sie dort draußen Grillen. Barbecue auf der Baustelle. Vor dem Fenster steht noch eine leere Bierflasche.
"Zu Mittag, … belegte Brötchen …. Wir gehen einmal am Tag einkaufen das ist früh. Und nehmen wir uns Mittag mit. Und abends gehen wir dann essen."
Niko packt Brötchen aus, Heiko sucht seine Erkältungstropfen.
"Zweimal waren wir in der Stadt. Man hat es mal gesehen, man muss ja auch nicht jeden Tag wegrammeln, es ist ja auch ein harter Tag, wir wollen ja auch am Donnerstag nach Hause fahren, da macht man dann jeden Tag so zehn Stunden, und dann ist nicht mehr viel mit weggehen."
Niko schmiert sich ein Salamibrötchen. Nein, viel gesehen haben sie bisher nicht von der schlesischen Metropole. Viele hübsche Frauen. Aber kennengelernt haben sie noch keine. Bis auf Monika, die polnische Bauleiterin.
Das Mobiltelefon klingelt. Ein Farblieferant ist dran. Sucht die Baustelle. In Bayern. Heikos letzte Station vor Breslau. Der Maler greift zum Telefon, ruft den Kollegen vor Ort an...
"Buschi, Grüsse, ihr habt Lieferung von Brillux, er rief mich gerade in Polen an. In der Strasse irgendwo. Guckt mal, Tschüss."
Heiko greift sich seine Mittagstüte. Darin vier Cabanossi. Ein Brötchen.
"Ich sag mal, wir fahren kürzer nach Polen, als wenn wir irgendwo in die Altbundesländern fahren."
Ob Chemnitz-Breslau oder Chemnitz-Bayern, eigentlich macht das keinen Unterschied, sagt Heiko. Niko kaut. Und nickt. Das Bier ist sogar billiger als in München. Und Bayern gibt es auch hier. Auf der Baustelle, in der großen Eingangshalle steht Tischlermeister Hecker zwischen zwei Doppel-Automatiktüren. Beugt sich nach vorne, greift mit Daumen und Zeigefinger ein vorstehendes Dichtungsgummi.
"Warum macht sie das ? Häääh, ein polnischer Lump …"
Hecker zieht sein Teppichmesser. Schneidet, drückt, quetscht. Und flucht.
Drei ältere polnische Wachschützer, alle jenseits der 60, in schwarzer Uniform und Schirmmütze, sitzen einige Meter weiter. Gucken interessiert zu. Trinken Kaffee. Und Tee.
"Iirgendwie springt sie immer wieder raus, soll ein anderer machen. Am besten soll ein Kollege machen und schimpfe, warum er so lange braucht ..."
Jetzt kommt ein Kollege: Thomas. Hecker richtet sich auf.
"Herrgott Thomas, die Dichtung kommt aus …"
Thomas nickt. Er kümmert sich drum. Die polnischen Wachschützer grinsen. Trinken weiter Tee und Kaffe. Einer putzt sein Damenrad. Das nutzt er für Patrouillenfahrten im Spaßbad.
Hecker macht weiter seine Runde. Durch die große Eingangshalle, mit dem Zollstock in der Hand."Solche große Objekt findet man bei uns gar nicht", schwärmt der Schreinermeister.
"Bei uns ist die Tischlerdichte sehr hoch. Bei den paar Häuser, die da gebaut werden, um den Kuchen streiten sich zu viele. Dann haben wir eben einen anderen Weg eingeschlagen … und darum sind wir jetzt hier, es reizt ja auch das Neue. Deshalb sind wir jetzt hier …"
In Breslau. Auf der Baustelle. Der 39-Jährige mustert eine Wandverkleidung. Auch Hecker-Handwerk. Gebaut mit der Unterstützung von polnischen Kollegen. Die heuert er an, wenn es eng wird.
"Einer war taubstumm, habe ich gar nicht gemerkt, ich baue mit dem eine Wand auf und habe gezeigt, was zu tun ist, und ja er hat geschraubt, hat genagelt, hat gepasst, … dann war er mit seinem Chef: Ach, der ist taubstumm. Also es geht auch so …"
Mit der Verständigung unter Handwerkern. Hecker blickt auf die Uhr. Gleich muss er zur Bauleitung. Ein paar Vorschläge machen für den Innenausbau.
"Wir sind hier mit unseren Preisen konkurrenzfähig, sehr konkurrenzfähig, ich kann es nicht anders sagen, es funktioniert, … ich würde die selbe Baustelle oder etwas ähnliches hier in Polen jederzeit wieder machen … ich denke, man kann damit leben, also auch so gut oder mindestens so gut wie in Aufträgen in München …"
Hecker lächelt. Mittlerweile haben sich auch seine Frau und die vier Kinder daran gewöhnt. Dass er im fernen Osten eher Geld verdient, als im naheliegenden München. Im Zweiwochentakt packt der Tischlermeister seine Taschen. Fährt entweder nach Breslau. Oder fliegt ins Baltikum.
"In Riga geht es um Einfamilienhäuser, Reihenhäuser. Und da machen wir die Fenster. Riga ist eigentlich nicht schlimmer als hier Polen, von der Entfernung her. Wir sind einmal hochgefahren mit dem Transporter und jetzt wird immer hin und her geflogen, wie sind also wesentlich schneller."
50 Häuser, Auftragsvolumen knapp eine halbe Million Euro. Gut machbar, sagt Hecker. Alles eine Frage der Logistik. Das Material rollt mit dem Lkw nach Riga. Die Handwerker kommen mit dem Billigflieger zur Baustelle.
"Der Nachteil, der in Riga jetzt ist, ich kann im Flugzeug kaum was mitnehmen … im Flugzeug kann ich maximal ein paar Schrauben mitnehmen, ein bisschen Werkzeug aber sonst nix, hier muss dann etwas besser vorausgeplant werden."
Abends um acht. Im Cafe Europejski. Eine kleine Kneipe unweit der Spaßbad-Baustelle. Träge drehen sich die alten Ventilatoren unter der hohen Decke. Heiko und Niko kauen Schnitzel mit Kartoffeln, zum Bier gibt es Schmalzstullen gratis.
Vier junge Polinnen kommen herein, setzten sich zwei Tische weiter, bestellen Bier. Die Maler gucken verzückt. Und verzweifelt. Heiko lobt die figurbetonte Kleidung. Meint die sehr engen Jeans. In den hohen Stiefel. Frauenmässig ist bisher Flaute in Breslau, sagen sie: Einfach zuviel Arbeit.
"Der Hecker hat schon gefragt, ob wir mit nach Riga nachkommen ... interessieren würde es mich schon ..."
Noch weiter im Osten zu arbeiten. Niko nickt. Kaut auf seinem Schnitzel. Nimmt einen Schluck Bier. Bald sind sie fertig in Breslau. Dann kommt die nächste Baustelle. Noch wissen sie nicht, wo die liegt.
"Ich hab mit dem Bauleiter noch ne Baustelle noch am Draht, die vielleicht in Polen noch weitergeht. Weil gefragt ist eins: Qualität. In Polen sind kaum Arbeiter, die Qualität bringen ... Qualität wird immer schlechter. Bauleiter hat gesagt, Qualität auf seinen anderen Baustellen wird immer schlechter, schlechter, schlechter. Gute Leute alle weg ... wir wären nicht hier ... wenn hier Leute wären mit Qualität wären wir nicht hier ..."
Jetzt kommen Michael Hecker und seine Kollegen herein. Nur Siegfried Wruck fehlt. "Der bereitet mal wieder Wasser auf", sagt der Tischlermeister.
"Wie ich doas erste moal hier waor, habe ich hier übernoachtet ..., eene Nacht, dann sind wir wieder hoam und da woaren wir noch goar nicht so weit, das wir anfangen konnten."
Das Bayern-Trio bestellt Schnitzel. In der Küche gibt es aber nur noch eins. Das schnappt sich Meister Hecker. Seine Kollegen kriegen Kotelett. Alle trinken Bier.
"Bayern trinken doch immer gerne Bier."
"Drei Bier sind ein Mittagessen aber da hast du noch nichts getrunken dazu ..."
Ein Bier auf die Arbeit. Dann eins auf Breslau. Dann geht es um Monika, die Gutaussehende Bauleiterin. Handwerker-Phantasien. Dann um Riga; die Baustelle. Und um Aussprachefragen:
"Oagkoatzelschwoaf, is das nen Schimpfwort?"
"Oakoatzelschwoaf, nein, Oaakaotazelschwoaf meint den Schweif des Eichhörnchen."
Verständnisproblem gelöst. Zwischen Bayern und Sachsen. Auf der Baustelle in Breslau ...