Als Russland den Zweiten Weltkrieg mit Worten beenden wollte
Lange trug die Sowjetunion allein die Last der militärischen Auseinandersetzung mit Hitler-Deutschland. Einen Versuch, sich in dieser Lage eine Atempause zu verschaffen, stellt die überraschende Bildung des Nationalkomitees "Freies Deutschland" am 12. Juli 1943 dar.
Im Januar 1943 kapitulierte die 6. Armee der deutschen Wehrmacht unter General Friedrich Paulus in Stalingrad. Ihren Sieg bezahlte die Rote Armee mit Hunderttausenden gefangener und gefallener Soldaten. Seit sie im Sommer 1941 von Hitlerdeutschland überfallen worden war, blutete die Sowjetunion aus. Jörg Morré, der Direktor des Deutsch-Russischen Museums in Berlin-Karlshorst.
"Man steht wirklich mit dem Rücken zur Wand. Man hat den Krieg noch lange nicht gewonnen, der dauert ja auch noch zwei Jahre, das weiß man auch."
An der Front versuchte die sowjetische Seite von Anfang an, deutsche Soldaten über Lautsprecher und mit Flugblättern zu agitieren. Aber mit Parolen von Weltrevolution und Klassenkampf waren nur wenige zum Überlaufen zu bewegen. Im Frühjahr 1943 änderte die sowjetische Führung die Frontpropaganda.
"Achtung, Achtung! Deutsche Soldaten! Am 12. und 13. Juli 1943 fand in Moskau eine Konferenz statt."
Zu dieser Konferenz waren Walter Ulbricht und andere kommunistische Moskau-Emigranten mit einer großen Zahl kriegsgefangener deutscher Soldaten und einigen Offizieren aus Gefangenenlagern zusammengebracht worden. Es handelte sich um Militärs, berichtete ein sowjetischer Sender, die sich klar gegen Hitler-Deutschland und die Fortsetzung des Krieges ausgesprochen hatten.
"Die Konferenzteilnehmer beschlossen einmütig, das Nationalkomitee ‚Freies Deutschland‘ zu bilden."
Die Moskauer Überlegungen gingen dahin, mit dem Nationalkomitee eine Alternative zu Wort kommen zu lassen, die politisch glaubwürdig und militärisch kompetent war. Denn das Komitee sollte die deutsche Frontseite ansprechen, zur Kapitulation auffordern, zum Rückzug an die Reichsgrenze, zum Sturz Hitlers, um so den Weg zu einem Freien Deutschland zu ebnen.
Die Begriffe "national", "frei" und "deutsch", die das Komitee im Namen trug, zeugten davon, dass die Sowjetunion – zumindest auf Zeit – bereit war, die eigene Ideologie zurückzustellen. Selbst der kommunistische Schriftsteller Erich Weinert, der zum Präsidenten des Nationalkomitees gewählt worden war, schwenkte auf die nationalpatriotische Linie ein.
"Das Nationalkomitee erachtet sich als berechtigt und verpflichtet, in dieser Schicksalsstunde im Namen des deutschen Volkes zu sprechen. Für Volk und Vaterland! Gegen Hitler und seinen Krieg! Für sofortigen Frieden!
Für ein freies, unabhängiges Deutschland!"
Aber weder schwarz-weiß-rot als emblematische Farben, noch die ebenfalls dem Kaiserreich geschuldete Kennung der Radiosendungen des Komitees konnten den Großteil kriegsgefangener Offiziere und Generäle, die Moskau als national-konservativ einschätzte, aus ihrem Standesdünkel locken. Das gelang erst, als sich das Nationalkomitee im September um einen Ableger erweiterte: den "Bund Deutscher Offiziere".
"Die eröffnen der russischen Seite die Möglichkeit, mit Wehrmachtsgenerälen an der Front verhandeln zu können in Augenhöhe, von gleich zu gleich. Hier sieht die russische Seite eine Chance, zu einer Waffenruhe an der Front zu kommen."
Da sich solche Chancen kaum ergaben, wurden die Appelle immer eindringlicher.
Aber von der deutschen Frontseite kam kein Echo - die Generalität hielt an Soldatentugenden, am Eid auf Hitler fest. Ein militärisches Ereignis wurde zur Stunde der Wahrheit.
"In Tscherkassy, im Februar 1944, gibt es eine große Kesselschlacht, wo alles Reden des Nationalkomitees nichts bewirkt, ein großer moralischer Misserfolg auch für die Aktivisten des Nationalkomitees – das alles zeigt: Die Kraft des Nationalkomitees reicht nicht aus und damit schließt sich auch das Fenster der Möglichkeit, hier irgendwie verhandeln zu können."
Die sowjetische Führung erkennt: Der Krieg ist nur noch militärisch zu gewinnen. Das Nationalkomitee war am 12. Juli 1943 gegründet worden, formell wurde es erst nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelöst, aber praktisch erlosch Moskaus Interesse bereits im Spätherbst 1944.
"Man steht wirklich mit dem Rücken zur Wand. Man hat den Krieg noch lange nicht gewonnen, der dauert ja auch noch zwei Jahre, das weiß man auch."
An der Front versuchte die sowjetische Seite von Anfang an, deutsche Soldaten über Lautsprecher und mit Flugblättern zu agitieren. Aber mit Parolen von Weltrevolution und Klassenkampf waren nur wenige zum Überlaufen zu bewegen. Im Frühjahr 1943 änderte die sowjetische Führung die Frontpropaganda.
"Achtung, Achtung! Deutsche Soldaten! Am 12. und 13. Juli 1943 fand in Moskau eine Konferenz statt."
Zu dieser Konferenz waren Walter Ulbricht und andere kommunistische Moskau-Emigranten mit einer großen Zahl kriegsgefangener deutscher Soldaten und einigen Offizieren aus Gefangenenlagern zusammengebracht worden. Es handelte sich um Militärs, berichtete ein sowjetischer Sender, die sich klar gegen Hitler-Deutschland und die Fortsetzung des Krieges ausgesprochen hatten.
"Die Konferenzteilnehmer beschlossen einmütig, das Nationalkomitee ‚Freies Deutschland‘ zu bilden."
Die Moskauer Überlegungen gingen dahin, mit dem Nationalkomitee eine Alternative zu Wort kommen zu lassen, die politisch glaubwürdig und militärisch kompetent war. Denn das Komitee sollte die deutsche Frontseite ansprechen, zur Kapitulation auffordern, zum Rückzug an die Reichsgrenze, zum Sturz Hitlers, um so den Weg zu einem Freien Deutschland zu ebnen.
Die Begriffe "national", "frei" und "deutsch", die das Komitee im Namen trug, zeugten davon, dass die Sowjetunion – zumindest auf Zeit – bereit war, die eigene Ideologie zurückzustellen. Selbst der kommunistische Schriftsteller Erich Weinert, der zum Präsidenten des Nationalkomitees gewählt worden war, schwenkte auf die nationalpatriotische Linie ein.
"Das Nationalkomitee erachtet sich als berechtigt und verpflichtet, in dieser Schicksalsstunde im Namen des deutschen Volkes zu sprechen. Für Volk und Vaterland! Gegen Hitler und seinen Krieg! Für sofortigen Frieden!
Für ein freies, unabhängiges Deutschland!"
Aber weder schwarz-weiß-rot als emblematische Farben, noch die ebenfalls dem Kaiserreich geschuldete Kennung der Radiosendungen des Komitees konnten den Großteil kriegsgefangener Offiziere und Generäle, die Moskau als national-konservativ einschätzte, aus ihrem Standesdünkel locken. Das gelang erst, als sich das Nationalkomitee im September um einen Ableger erweiterte: den "Bund Deutscher Offiziere".
"Die eröffnen der russischen Seite die Möglichkeit, mit Wehrmachtsgenerälen an der Front verhandeln zu können in Augenhöhe, von gleich zu gleich. Hier sieht die russische Seite eine Chance, zu einer Waffenruhe an der Front zu kommen."
Da sich solche Chancen kaum ergaben, wurden die Appelle immer eindringlicher.
Aber von der deutschen Frontseite kam kein Echo - die Generalität hielt an Soldatentugenden, am Eid auf Hitler fest. Ein militärisches Ereignis wurde zur Stunde der Wahrheit.
"In Tscherkassy, im Februar 1944, gibt es eine große Kesselschlacht, wo alles Reden des Nationalkomitees nichts bewirkt, ein großer moralischer Misserfolg auch für die Aktivisten des Nationalkomitees – das alles zeigt: Die Kraft des Nationalkomitees reicht nicht aus und damit schließt sich auch das Fenster der Möglichkeit, hier irgendwie verhandeln zu können."
Die sowjetische Führung erkennt: Der Krieg ist nur noch militärisch zu gewinnen. Das Nationalkomitee war am 12. Juli 1943 gegründet worden, formell wurde es erst nach dem Zweiten Weltkrieg aufgelöst, aber praktisch erlosch Moskaus Interesse bereits im Spätherbst 1944.