Also, sprach Kurt Beck

Von Karl-Heinz Gehm |
Also, sprach Kurt Beck: "Wir brauchen keine neuen Raketen in Europa". Und die SPD, ziemlich gebeutelt durch die Reformkompromisse der schwarz-roten Koalition, atmet befreit auf. Hat sie doch endlich ein Thema gefunden, das Profilierung verspricht und rechts wie links unter dem großen Schirm Friedenspolitik eint. Kein Raketenabwehrsystem der USA in Osteuropa, sagt der SPD-Chef, kein neues Wettrüsten und keine Aufspaltung in ein altes und ein neues Europa, mahnt der Außenminister.
Ein Vorpreschen Kurt Becks. Ein Satz in der Zeitung mit den großen Lettern reicht da aus, um sich an die Spitze der Bewegung zu setzen und Meinungsführerschaft zu reklamieren. Die könnte wohl etwas länger wirken als die kurzlebigen Prekariats- und Heuschrecken-Volten, die üblicherweise in der SPD-Spitze gepflegt werden.

Parteilinke und Basis, von der Tornado-Entscheidung so gefrustet wie weiland von der Agenda-Zeit, sehen sich von zentnerschweren Lasten erlöst. Ist doch das Thema Raketenabwehr gleichsam ein Befreiungsschlag gegenüber dem Afghaistan-Projekt, wo der Misserfolg nicht auszuschließen ist. Wo ein Ausstieg aber das Schicksal der Großen Koalition besiegelte und der Regierungsunfähigkeit der SPD dokumentierte.

Da tut es gut, dass die gesamte Opposition in Sachen Raketenabwehr die Bedenken der SPD teilt. Also herrscht Handlungsbedarf bei der Kanzlerinnenpartei und der Kanzlerin selbst.

Die hat nun heute erneut eindringlich für eine engere Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA plädiert und daran erinnert, Alleingänge in der Verteidigungspolitik seien noch niemandem gut bekommen. Beachtlich in diesem Zusammenhang die regierungsamtlichen Interpretationsbemühungen. Wollen doch die Regierungssprecher keinen Dissens innerhalb der Koalition erkennen. Ganz im Sinne der Kanzlerin bleibe vielmehr in Sachen Raketenabwehr das vertrauensvolle Gespräch das Maß aller Dinge. Gilt es dabei doch den vorpreschenden Beck ebenso einzufangen wie die hinterherhinkenden Polen und Tschechen. Vom ausstehenden Konsens mit den Amerikanern einmal ganz zu schweigen.

Die zeigen sich aus nahe liegenden Gründen wenig begeistert. Brütet die NATO doch seit fünf Jahren über einer Machbarkeitsstudie für eine Raketenabwehr ganz anderer Dimension, ohne dabei die Zerstörung von Raketen aus den churkenstaaten ins Kalkül zu ziehen. Und die Europäer mit ihren inzwischen 27 außenpolitischen Telefonnummern, wie Henry Kissinger sich beklagen würde, zeigen sich uneins gegenüber dem amerikanischen Projekt. Das wird die Gespräche Frank-Walter Steinmeiers am Abend in Washington nicht gerade beflügeln.