Alt-68er-Ikone Rainer Langhans

"Ich bin ein amtlich anerkannter Spinner"

33:24 Minuten
Rainer Langhans sitzt in München auf einer Parkbank und lächelt für eine Foto.
Die Kommune I sei rückblickend betrachtet eine Art Therapie gewesen, sagt Rainer Langhans. © imago images / Overstreet
Moderation: Ulrike Timm |
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Er war ein Popstar der 68er-Bewegung, Kommunarde, Bürgerschreck: Rainer Langhans. Als einige Genossen in den Terror abdrifteten, zog er sich ins Innere zurück - lebt seit Jahren mit mehreren Frauen zusammen. Nun ist er 80 Jahre alt geworden.
Es ist eines der bekanntesten Fotos der 68er-Bewegung, obwohl es schon 1967 aufgenommen wurde: Die Mitglieder der Westberliner Kommune I strecken der bürgerlichen Gesellschaft die nackten Hintern entgegen. Mit dabei: Rainer Langhans, schon damals mit der lockigen Mähne, die er bis heute trägt.
Rückblickend betrachtet war die Kommune I eine Art Therapie, erinnert sich Rainer Langhans im Gespräch an seinem 80. Geburtstag. In einer "Marathon-Klausur" probten die Kommunarden und Kommunardinnen nicht nur neue Formen den Zusammenlebens jenseits der bürgerlichen Kleinfamilie, sondern befassten sich auch mit einem zentralen Anliegen der Studentenbewegung: Den Faschismus der Generation ihrer Eltern zu bewältigen - und die eigene Prägung dadurch.
Dabei gab es das Problem, "dass man natürlich seine Mörder-Eltern nicht wirklich angreifen kann", räumt Langhans ein. Darum erfolgte die Kritik am System, theoretisch.

"Selbst-Revolution" statt Terror

Als Revolutionär sieht sich Rainer Langhans noch heute, allerdings in eigener Sache. Er treibe seine "Selbst-Revolution" voran. Denn schon in den 70er-Jahren trennten sich seine Wege von denen vieler Mitstreiter, als die sich für den bewaffneten Kampf entschieden, den Terror.
Langhans, der sich vor seiner Kommunarden-Zeit als Bundeswehrsoldat mit dem Töten auseinandergesetzt hatte, machte da nicht mit - und wurde ausgegrenzt: "Für Leute, die Krieg führen wollen, ist derjenige, der nicht mitmachen will, ein Verräter". Dadurch habe er viele geliebte Menschen verloren.
Getreu der Einsicht, dass das Private das Politische sei, zog sich Rainer Langhans ins Innere zurück, wurde Veganer, pflegt einen asketischen Lebensstil. Und das in einer schon vier Jahrzehnte währenden Lebensgemeinschaft mit zunächst vier, nun drei Frauen. Einen Harem nennt er dieses Modell manchmal, im Grunde genommen sei es aber "ein Frauenprojekt, eigentlich eine Frauenkommune mit einem Mann". Einem Mann, den keine der Frauen für sich besitzen könne.
Das führe oft zu Eifersucht, sei für die Frauen aber eine Chance, sich selbst zu finden. Denn, so Langhans, "es ist möglich, zu lieben, statt mit Besitzdenken einen anderen erreichen zu wollen".

Bürgerschreck mit Asperger

Schon als Kind hat Rainer Langhans sich fremd in der Welt gefühlt, verstand die Menschen nicht und die nicht ihn, wie er sich erinnert. Er eckte an, wurde zum Bürgerschreck, mal bekämpft, mal belächelt: "Ich bin wirklich ein amtlich anerkannter Verrückter oder Spinner", das sei halt so und damit komme er klar. Geholfen habe ihm dabei die späte Einsicht, dass er das Asperger-Syndrom trägt, also jene Form des Autismus, mit der auch die Klimaaktivistin Greta Thunberg lebt.
So habe er auch mit den Kontakteinschränkungen wegen Corona keine Probleme: "Ich finde dieses Social Distancing sehr gut, das haben wir damals in der Kommune schon angefangen. Weil man nur dann, wenn man die Körper ein bisschen auseinanderhält, wirklich zu sich und zu den anderen tiefer kommen kann."
(pag)
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