Altbewährtes ist besser als das Allerneueste
Wie können Menschen, die sich sozial, ethnisch oder in ihrer Weltanschauung unterscheiden, zusammenleben und -arbeiten? In unserer von Konkurrenz und Gegensätzen geprägten Gesellschaft ist dies für Richard Sennett die Schlüsselfrage. Er erläutert, was das Wesen von Zusammenarbeit ausmacht und wie sie wieder als Wert wahrgenommen werden kann.
Dass sich die modernen Industriegesellschaften stärker durch Ungleichheit und Konkurrenz auszeichnen und weniger auf "dialogische Kooperation" setzen, gehört zu den Binsenweisheiten der Soziologie. Die immer deutlicher werdenden ökonomischen Unterschiede - die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer - führen zu sozialen Spannungen, durch die das gesellschaftliche Gesamtgefüge in eine bedrohliche Schieflage zu geraten droht. Der in London und New York lehrende Soziologe Richard Sennett unterbreitet in seinem Buch "Zusammenarbeit" Vorschläge, welche Wege eingeschlagen werden müssten, um nicht in einer Sackgasse zu enden.
Verblüffend an Sennetts Untersuchung ist der Ausgangspunkt. Die Frage: Was getan werden müsste, um einen Ausweg aus dem gegenwärtigen Dilemma zu finden, geht bei ihm einher mit der Empfehlung, sich auf tradierte Verkehrs- und Gesellschaftsformen zu besinnen. Die Quintessenz von Sennetts These könnte lauten: Altbewährtes ist immer noch neuer als das Allerneueste. In einer Zusammenarbeit, von der alle profitieren, sieht er den Königsweg, eine Art "Heiligen Gral", wobei Sennett Kooperation als eine "handwerkliche Kunst" begreift. Vorbildlich zeige sie sich in Handwerksbetrieben, in denen man kollektiv zusammenarbeitet und dennoch ein Meister das Sagen hat. Erfolgreich ist diese Form der Zusammenarbeit, wenn man einander zuhört, wenn in das Produkt die Fähigkeiten aller und die Fertigkeiten eines jeden Einzelnen eingehen.
Zusammenarbeit - wie sie Sennett vorschwebt - läuft nicht darauf hinaus, Unterschiede zu nivellieren, sondern sie sollen gewinnbringend in ein gemeinsames Projekt eingebracht werden. Musiker machen vor, wie es gehen könnte. In einem Orchester müssen die solistischen Fähigkeiten der einzelnen Musiker im gemeinsamen Ganzen zum Klingen kommen. Nur wenn jeder für sich spielt und zugleich auf die anderen hört, gelingt die Darbietung.
Sennetts gut geschriebenes Buch, in dem auf einige Beispiele allerdings hätte verzichtet werden können, gliedert sich in drei Teile. Im ersten fragt er danach, wie Kooperation in der Politik abläuft; hier interessiert ihn, welche Verwerfungen möglich sind, wenn auf der Führungsebene ohne die Zustimmung der Basis mit politischen Gegnern kooperiert wird. Im zweiten Teil zeigt er, wie bei Kindern Ungleichheitserfahrungen dazu führen, dass ihre Kooperationsbereitschaft schwindet. Schließlich untersucht er im dritten Teil, wodurch sich die Kooperationsbereitschaft stärken lässt. Vorbildhafte Praktiken sind in den Werkstätten zu finden, in denen neben und bei der Arbeit eine "Alltagsdiplomatie" gepflegt wird, von der letztlich positive Signale im Hinblick auf das gemeinsame Zusammenleben ausgehen.
Dass wir zu wenig wissen, was in den Köpfen und den Herzen derer vorgeht, mit denen wir zusammenarbeiten, ist bei der gemeinsamen Arbeit oft ein Erfolgshindernis. "Dialogik", der Austausch im Gespräch, erweist sich für Sennett als eine Möglichkeit, die zu besserer Kooperation führt.
Sennett outet sich mit diesem Buch als ein unverbesserlicher Optimist, der glaubt, wir wären zu "einer tieferen Kooperation fähig als es die bestehende Sozialordnung vorsieht". Der Befund stimmt sicherlich, und es ließe sich gewiss Entscheidendes ändern. Aber über das Wie schweigt sich Sennett doch zu sehr aus. Seine Analyse spart nicht mit Vorschlägen, was anders gemacht werden müsste, aber die Appelle verhallen ein wenig, denn sie erreichen nur einzelne Leser. Sollte das Buch darüber hinaus die eigentlich Gemeinten erreichen und überzeugen, wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung getan.
Besprochen von Michael Opitz
Richard Sennett, "Zusammenarbeit. Was unsere Gesellschaft zusammenhält"
Aus dem Englischen von Michael Bischoff
Hanser Berlin, Berlin 2012
432 Seiten, 24,90 Euro
Verblüffend an Sennetts Untersuchung ist der Ausgangspunkt. Die Frage: Was getan werden müsste, um einen Ausweg aus dem gegenwärtigen Dilemma zu finden, geht bei ihm einher mit der Empfehlung, sich auf tradierte Verkehrs- und Gesellschaftsformen zu besinnen. Die Quintessenz von Sennetts These könnte lauten: Altbewährtes ist immer noch neuer als das Allerneueste. In einer Zusammenarbeit, von der alle profitieren, sieht er den Königsweg, eine Art "Heiligen Gral", wobei Sennett Kooperation als eine "handwerkliche Kunst" begreift. Vorbildlich zeige sie sich in Handwerksbetrieben, in denen man kollektiv zusammenarbeitet und dennoch ein Meister das Sagen hat. Erfolgreich ist diese Form der Zusammenarbeit, wenn man einander zuhört, wenn in das Produkt die Fähigkeiten aller und die Fertigkeiten eines jeden Einzelnen eingehen.
Zusammenarbeit - wie sie Sennett vorschwebt - läuft nicht darauf hinaus, Unterschiede zu nivellieren, sondern sie sollen gewinnbringend in ein gemeinsames Projekt eingebracht werden. Musiker machen vor, wie es gehen könnte. In einem Orchester müssen die solistischen Fähigkeiten der einzelnen Musiker im gemeinsamen Ganzen zum Klingen kommen. Nur wenn jeder für sich spielt und zugleich auf die anderen hört, gelingt die Darbietung.
Sennetts gut geschriebenes Buch, in dem auf einige Beispiele allerdings hätte verzichtet werden können, gliedert sich in drei Teile. Im ersten fragt er danach, wie Kooperation in der Politik abläuft; hier interessiert ihn, welche Verwerfungen möglich sind, wenn auf der Führungsebene ohne die Zustimmung der Basis mit politischen Gegnern kooperiert wird. Im zweiten Teil zeigt er, wie bei Kindern Ungleichheitserfahrungen dazu führen, dass ihre Kooperationsbereitschaft schwindet. Schließlich untersucht er im dritten Teil, wodurch sich die Kooperationsbereitschaft stärken lässt. Vorbildhafte Praktiken sind in den Werkstätten zu finden, in denen neben und bei der Arbeit eine "Alltagsdiplomatie" gepflegt wird, von der letztlich positive Signale im Hinblick auf das gemeinsame Zusammenleben ausgehen.
Dass wir zu wenig wissen, was in den Köpfen und den Herzen derer vorgeht, mit denen wir zusammenarbeiten, ist bei der gemeinsamen Arbeit oft ein Erfolgshindernis. "Dialogik", der Austausch im Gespräch, erweist sich für Sennett als eine Möglichkeit, die zu besserer Kooperation führt.
Sennett outet sich mit diesem Buch als ein unverbesserlicher Optimist, der glaubt, wir wären zu "einer tieferen Kooperation fähig als es die bestehende Sozialordnung vorsieht". Der Befund stimmt sicherlich, und es ließe sich gewiss Entscheidendes ändern. Aber über das Wie schweigt sich Sennett doch zu sehr aus. Seine Analyse spart nicht mit Vorschlägen, was anders gemacht werden müsste, aber die Appelle verhallen ein wenig, denn sie erreichen nur einzelne Leser. Sollte das Buch darüber hinaus die eigentlich Gemeinten erreichen und überzeugen, wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung getan.
Besprochen von Michael Opitz
Richard Sennett, "Zusammenarbeit. Was unsere Gesellschaft zusammenhält"
Aus dem Englischen von Michael Bischoff
Hanser Berlin, Berlin 2012
432 Seiten, 24,90 Euro