Alte Bunker in Deutschland

Nutzlos im Fall der Fälle

06:50 Minuten
Blick auf die Außenfassade des Deutschen Bunkermuseums. Eine Taube fliegt vom Dach.
Der alte Hochbunker in der unterfränkischen Stadt Schweinfurt beherbergt heute ein Museum. © picture alliance / dpa / Nicolas Armer
Von Heiner Kiesel |
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Bis in die 1980er-Jahre wurden Bunker aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges renoviert und instandgehalten. Dieses Konzept hat man mit dem Ende des Kalten Krieges aufgegeben. Was nutzen die Schutzräume heute noch mit Blick auf den Ukraine-Krieg?
Nils Brennecke zieht die Tür seines Bunkers zu. Der steht in einem alten Industriegebiet der unterfränkischen Stadt Schweinfurt.
„Wenn wir in den Bunker reinwollen, dann müssen wir erst mal durch den Splitterschutz, der in den 80er-Jahren vorgebaut wurde“, erzählt er. „Zunächst muss die schwere Bunkertür geöffnet werden. Das ist eine 10-Atü-Drucktür von Thyssen.“ Kahler Beton. Die Luft ist drückend, feucht, stickig. „Die Außenmauer überirdisch ist zwei Meter stark und die Mauer im Keller ist drei Meter stark“, erklärt er.
Brennecke, ein kräftiger Typ im Sweatshirt, verdient sein Geld mit Marketing. Als das anfing, dass die Bundesrepublik ihre Bunker versilberte, wollte er auch einen. 2014 erstand er einen von 320 Hochbunkern, die von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, kurz BImA, für Preise zwischen 10.000 und drei Millionen Euro verkauft wurden.
Nils Brennecke sagt nicht, was er gezahlt hat, außer „richtig Geld“. – Hat er aber gerne. Er steht auf Bunker. Jetzt, wo wieder Krieg ist in Europa, beneiden ihn viele um den schützenden Betonklotz. „Das ist allerdings kein großer Bunker, sondern eher eine mittlere Größe“, sagt er.

Den Bunker zum Museum umgestaltet

Eigentlich war sein Plan, ein Penthouse auf den 20 Meter hohen Stahlbetonklotz zu setzen. Dann kamen ihm Zweifel wegen der Rentabilität. Und: Er hatte das Gefühl, die Leute draußen sollten nachfühlen, ansatzweise verstehen, wie es damals war: im Bunker zu sitzen, wenn Krieg ist. Also hat er noch mehr Geld ausgegeben und jede Menge Sachen angeschafft, die mit Luftschutz zu tun haben: für ein Bunkermuseum.
Der Betreiber des Deutschen Bunkermuseums, Nils Brennecke, blickt im Treppenhaus des Museums nach oben.
Seit Beginn des Ukrainekrieges rufen immer wieder Leute an, die gerne im Ernstfall in seinen Bunker flüchten würden, erzählt Nils Brennecke.© picture alliance / dpa / Nicolas Armer
Das Treppenhaus schraubt sich sechs Stockwerke in die Höhe. Die meisten Etagen sind leer, andere stehen voller Vitrinen und reich bestückten Schauräumen: Feldbetten im Mehrfachzimmer, Gasmasken für Pferde, Abdeckungen für Kinderbettchen mit Luftpumpe.
Alles Originale - wie der Bunker - , sagt Brennecke, wobei: "Ja, der Bunker ist wie die Bunker in Deutschland in den 60er- bis 80er-Jahren aufgemöbelt worden. Man sagt offiziell: Wieder nutzbar gemacht worden. Dieser Bunker hier, der uns gehört, wurde 1983 aufgemöbelt, renoviert für einen Preis von ungefähr 3,5 Millionen DM.“
Das Kernstück der damaligen Renovierung ist ganz oben. Der Technikraum mit einer Kombianlage für manuelle Stromerzeugung und Luftfilterung. Große Kurbeln an dicken Rohren. Sie sollten die kontaminierte und brennend heiße Luft nach einem Atomschlag säubern und kühlen – hat man sich so vorgestellt.
Brennecke steht vor der Anlage und lächelt spöttisch. Er glaubt nicht, dass das nach einem Atomschlag funktioniert hätte. Aber seit Beginn des Ukrainekrieges rufen immer wieder Leute an, die gerne im Ernstfall in seinen Bunker flüchten würden.

Anfangs habe ich gedacht, die wollen mich veräppeln. Ich konnte es nicht glauben, dass sie das ernst meinen. Aber die Menschen haben Angst, und das hat in mir natürlich Beklemmung ausgelöst.

Nils Brennecke, Bunkermuseum Schweinfurt

Steigendes Interesse nach Schutzräumen

Das Interesse nach Schutzräumen ist spürbar gestiegen in Deutschland. Das merkt man im Innenministerium und im Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz (BBK), das diesem unterstellt ist.
Aktuell lässt das BBK die Schutzraumkapazitäten in Deutschland untersuchen. Erste Ergebnisse sind für das erste Quartal 2023 angekündigt. Dieses Forschungsprojekt wird von einem Team um den Statiker Norbert Gebbeken an der Universität der Bundeswehr in München durchgeführt.
„Wir untersuchen in unserem Forschungsvorhaben Civil Protection Shelters die Möglichkeit, Schutzraumkonzepte in Bestandsgebäuden oder in neue Gebäuden unterzubringen. Wir machen das seit zweieinhalb Jahren und werden dieses Vorhaben im Laufe des Jahres abschließen“, erklärt er.
Gebbeken sucht nach Möglichkeiten, künftig Schutz zu bieten. Was im Augenblick an Kapazitäten vorgehalten wird, lässt sich beim BBK erfahren. Ein Sprecher des Bundesamtes zählt auf, dass formal noch rund 600 Anlagen in Deutschland dem Zivilschutz gewidmet seien, Plätze für eine halbe Million Menschen! Gut 83 Millionen Menschen leben in Deutschland.

Wo Schutz suchen im Ernstfall?

Ob die Anlagen noch wirklich nutzbar seien, ließe sich nicht pauschal sagen. Das sei Gegenstand einer Bestandsaufnahme, die gegenwärtig vom Bund unter Federführung der Bundeimmobilienanstalt (BImA) durchgeführt werde. Ergebnisse gibt es vielleicht im ersten Quartal des nächsten Jahres. Schutzraumexperte Gebbeken hat da aber keine großen Erwartungen.

Wir haben in Deutschland keinerlei funktionsfähige Schutzräume. Das ist nun mal so.

Norbert Gebbeken, Statiker

An diesem Zustand gibt es in der Öffentlichkeit eine Menge Kritik. War die Bundesregierung blauäugig? Hat sie die Gefahren fahrlässig unterschätzt? Hätte man die ursprünglichen 2000 Schutzräume behalten und up to date halten sollen?
Verschiedene Arten von Toiletten stehen im Treppenhaus des Deutschen Bunkermuseums.
Verschiedene Toiletten im Treppenhaus des Bunkermuseums. Das Interesse nach Schutzräumen ist in Deutschland spürbar gestiegen.© picture alliance / dpa / Nicolas Armer
Im Innenministerium will man sich diesen Fragen erst stellen, wenn die Ergebnisse der Bestandsaufnahmen und Forschungsvorhaben vorliegen. Wo also Schutz suchen im Ernstfall? Das Bundesamt für Katastrophenschutz verweist auf die generell recht solide Bausubstanz deutscher Gebäude.
Baustatiker Norbert Gebbeken meint: „Das Beste ist dann, sich dem so weit wie möglich zu entziehen und in einen Keller zu gehen.“

Was nützt ein alter Bunker heute?

In einem Raum ganz hinten hat Brennecke eine restaurierte 250-Kilo-Bombe ausgestellt.
„So sind die Dinger vom Himmel gefallen“, erzählt er. „Das ist etwa so einen Meter fünfzig lang, das ganze Ding, und etwa 50 Zentimeter breit, und das ist eine der kleineren Bomben. Wenn man davor steht, dann wird es einem schon ganz anders. So eine ist hier draufgefallen und hat nichts gemacht.“
Man merkt dem Museumsinhaber an, dass er stolz auf die Geschichte seines Bunkers aus dem Zweiten Weltkrieg ist: Die Leben, die der Bau gerettet hat, die Enkel ehemaliger Schutzsuchender, die zur Besichtigung kommen.
Aber er macht sich nichts vor, wenn es um Waffen der Gegenwart geht. Das war schon im Kalten Krieg hoffnungslos. Was ist denn dann die Strategie? „Das müssen Sie die Bundesrepublik Deutschland fragen“, antwortet er. „Ich würde sagen: Es gibt keine. Und: Lauf solange du laufen kannst!“
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