Co-Working und Co-Living in geweihten Gemäuern
10:52 Minuten
Die Nonnen und Mönche werden immer weniger. Ihre Klöster aber bleiben. Was tun mit riesigen Gebäuden, die eine lange Tradition, aber kaum noch Bewohner haben? Kloster-Makler versuchen den Spagat: zwischen Immobilienmarkt und würdevoller Nutzung.
70 Kilometer südlich von München liegt am Kochelsee das Kloster Schlehdorf. Die barocke Stiftskirche mit ihrer weißen Front und den beiden Zwiebeltürmen ist weithin sichtbar. Daneben erstreckt sich auf dem Hügel das imposante Kloster. Es ist das Wahrzeichen der Region. Nun steht das 1200 Jahre alte Gebäude weitgehend leer. Vor sieben Jahren haben die Ordensschwestern der Missionsdominikanerinnen eine Bestandsaufnahme gemacht.
Das Problem, sagt Oberin Francesca Hannen: "Dass wir uns einfach mit der Tatsache konfrontiert sehen, dass keine jungen Frauen zu uns eintreten, und das bedeutet eben, dass wir eine aussterbende Kongregation sind."
Keine jungen Nonnen kommen nach
Francesca Hannen ist die Provinzoberin der Missionsdominikanerinnen. Vor 50 Jahren lebten noch rund 100 Schwestern in dem Kloster; vor einem Jahr waren es dann noch rund 35 Nonnen – fast alle jenseits der 70. Sie haben das alte Klostergebäude mittlerweile verlassen. Fünf gingen in ein Altenheim, 30 in neue Wohnungen.
"Wir haben festgestellt: es ist sinnvoll, dass wir aus dem Kloster ausziehen und etwas Neues, Kleineres bauen", sagt Francesca Hannen, "wo unsere Schwestern gut alt sein können. Und gleichzeitig wissen wir, dass wir eine aussterbende Gemeinschaft sind und dass wir so bauen, dass diese Gebäude später von anderen Personen genutzt werden können."
Trauer – und leichteres Leben mit dem Rollator
Nun leben die Schwestern am Fuß des Hügels – und blicken zu ihrer ehemaligen Wirkungsstätte hinauf. Schwester Veronika Hornung lässt die Situation vor einem Jahr Revue passieren.
"Es war ein Trauerprozess und ein Abschiedsprozess. Je näher das Datum des Umzugs gekommen ist, war es für manche sehr schwer. Auf der anderen Seite die Erleichterung, dass eine Belastung zu Ende ist: für viele, die mit Rollator unterwegs sind von unseren Schwestern, ist das viel einfacher jetzt."
Mittlerweile fühlen sich alle wohl in den modernen Appartements und in der neuen lichtdurchfluteten Kapelle. Aber noch ist nicht endgültig geklärt, wie die Nachnutzung des alten Klosters aussehen wird, sagt Veronika Hornung:
"Für uns ist es auch wichtig, dass wir jemanden finden, der diesem alten Kloster auch Sinn geben kann, wir wollen keinen Immobilienmakler, der Luxuswohnungen entstehen lässt."
Mit Hilfe des Klostermaklers Ralf Olbrück stieß man auf die Wogeno, eine Münchener Wohnungsgenossenschaft. Statt an Luxusappartements denkt man dort eher an ein Wohnen und Arbeiten auf Zeit für kreative Mitglieder der Genossenschaft.
Klöster sind keine Schnäppchen
Von Co-Working und Co-Living ist die Rede. Doch wie die Wohnungsgenossenschaft die insgesamt rund 200 Räume nutzen will, ist noch nicht so klar. Und als Schnäppchen ist das Kloster nicht zu haben. Denn die Schwestern brauchen das Geld für die Kredite ihrer neu gebauten Häuser und als Alterssicherung.
Seit mehr als 25 Jahren betreut der Kölner Ralf Olbrück Ordensgemeinschaften bei deren Geldanlagen und – immer öfter – auch beim Verkauf der Klöster.
"Die Wünsche, die die Ordensgemeinschaften haben, wenn sie sich von Klöstern trennen, unterscheiden sich nicht großartig", sagt Olbrück. "Jeder möchte eigentlich eine karitative Nachfolge haben. Jeder möchte, dass es einen würdigen Nachfolger gibt."
Doch der Verkauf eines Klosters gestaltet sich meist etwas schwierig.
"Es dauert eben seine Zeit. Es ist halt kein Einfamilienhaus, was ich verkaufen kann, es ist ein sehr kompliziertes Gebäude."
Viel komplizierter als ein Einfamilienhaus
Ein Objekt, das unter Denkmalschutz steht, mit einfachen Zimmern, einer alten Kirche und bis zu 250.000 Quadratmeter großen Grundstücken – das ist kein Selbstläufer. Aber Ralf Olbrück lobt die Missionsdominikanerinnen von Schlehdorf, da sie sich schon früh mit dem Ende ihrer Gemeinschaft auseinandergesetzt haben:
"Manche Orden haben einfach zu lange gewartet mit solchen Veränderungsprozessen. Und dann wird es natürlich schwierig, weil die Zeitschiene immer schmaler wird."
So wie im Fall des nördlich des Tegernsees gelegenen oberbayerischen Klosters Reutberg.
Hier war das Ende des 400 Jahre alten Konvents eigentlich schon beschlossene Sache. Nur noch zwei Schwestern vom regulativen Dritten Orden des Hl. Franziskus lebten im Kloster. Als "apostolische Kommissarin" wurde die Klarissenkapuzinerin Benedicta Tschugg eingesetzt. Und obwohl das Erzbistum München den Konvent schließen wollte, entschied sich die Ordenskongregation des Vatikans, dem Kloster Reutberg noch eine Chance zu geben.
"Ich werte es so, dass Gott dieses Kloster, diesen Ort sehr lieb gewonnen hat", sagt Benedicta Tschugg. "Es kommt hinzu, dass die verbliebenen Schwestern mit einer großen Treue und Beharrlichkeit ihr Leben hier fortgesetzt haben und einfach alle ihre Hoffnung auf Gott gesetzt haben. Und wie wir in Bayern sagen: da ließ sich Gott nicht lumpen."
Wunder – oder verpasste Chance zum Neuanfang?
Ein möglicher Grund für den Beistand aus Rom: Für den Erhalt des Konventes fanden regelmäßig Lichterprozessionen und Bürgerversammlungen statt; und es wurden 12.000 Unterschriften gesammelt.
In den regionalen Medien war vom "Wunder von Reutberg" zu lesen. Schwester Benedicta sieht das ganz ähnlich:
"Menschlich war das nicht wirklich zu erwarten. Wir haben es alle gehofft, aber wie sich die Dinge gefädelt haben, würde ich schon sagen, dass es einem Wunder zuzuordnen ist."
Klostermakler Ralf Olbrück sieht das etwas anders. Für ihn ist die Entscheidung Roms, das Kloster mit drei Schwestern weiterführen zu dürfen, eher die "Verlängerung des Sterbeprozesses":
"Man hat deutlich zu spät angefangen von der Gemeinschaft", sagt Olbrück. "Es hat keinen Sinn zu warten, bis man die Mindestgröße von drei Personen erreicht hat, um dann so einen wichtigen Standort zu entwickeln, dass man es auch kirchlich in der Zukunft weiter nutzen kann."
Klosterbräu statt Klausur?
Und die Perspektiven des Klosters? "Wir vertrauen stark auf Gott." Das versichert die apostolische Kommissarin Benedicta Tschugg.
Rückendeckung bekommen die Schwestern vom Verein "Freunde des Klosters Reutberg". Dessen Sprecher Gerald Ohlbaum schwärmt von dem geistlich-touristischen Angebot:
"Kloster Reutberg auf dem Hügel besteht aus dem Kloster mit der Klosterkirche, dann dem kulinarischen Zentrum, Klosterbräustübl, ist sehr, sehr frequentiert, und dann diese einmalige Aussicht von dem Hügel, man sieht die ganze Alpenkette. Das ist herrlich."
Das Kloster als Touristenmagnet.
Dem Ende bewusst ins Auge sehen
Das sieht beim Ursulinenkloster St. Angela in Osnabrück ganz anders aus. Hier hat man sich schon vor 15 Jahren dem nahenden Ende gestellt, berichtet Schwester Ignatia Landwehr:
"Wir wollten ganz bewusst diesen Schritt auf das Ende zu tun. Da waren wir sehr gut in Übereinstimmung."
Oberin Uta Brockschmidt ist eigentlich Franziskanerin. Sie kam von außerhalb, um den Prozess in der damals zerstrittenen Gemeinschaft zu moderieren und zu steuern. Im Lauf der Jahre haben sich die Schwestern von immer mehr Aufgaben zurückgezogen. "Das Refektorium abgegeben: da kam eine Tagespflege rein", erinnert sich Uta Brockschmidt.
Viele verschiedene Mieter statt nur eines Ordens
"Wir haben die obere Etage für über 30 Studentinnen, einen Bereich für indische Schwestern mit Kapelle, wir haben im Waschhaus einen Künstler, der hier sein Atelier hat und hier gestalten kann… was haben wir noch im Haus?"
Zum Beispiel eine elfköpfige syrische Flüchtlingsfamilie, die im Gartenhaus wohnt. Das Ziel der Schwestern: Auch wenn die Ursulinen immer weniger werden, soll im Kloster nicht das Licht ausgehen.
Brockschmidt sagt: "Das ist so, dass in jedem Bereich hier im Kloster Laien sind, die sofort einspringen, wenn wir nicht können. Wir haben in keinem Bereich mehr eine verantwortliche Schwester. Wenn wir sterben, geht es weiter."
Uta Brockschmidt ist glücklich, dass auch das geistliche Leben hinter den Klostermauern fortgesetzt wird.
"Und das war wichtig, die indischen Schwestern im Konvent zu haben – damit der Heiland warm gehalten wird, wenn wir mal nicht mehr können, und die da reinwachsen."
Kann im hohen Alter noch ein Klosterleben stattfinden?
In den 1980er Jahren waren mehr als 120 Schwestern im Osnabrücker Kloster; heute sind es nur noch 13 Ursulinen.
"Die Schwestern sind zwischen 77 und 101. Ende 80 ist der Durchschnitt", sagt Brockschmidt.
Kann bei dem Altersdurchschnitt der Nonnen, die auch als "Bräute Gottes" bezeichnet werden, überhaupt noch klösterliches Leben stattfinden? Da muss Uta Brockschmidt lachen:
"Wir haben ein festes klösterliches Leben. Wir haben noch eine feste Tagesstruktur, wir beten noch das ganze Stundengebet, wir haben jeden Tag eine Eucharistiefeier. Wir haben jeden Tag Anbetung, die Struktur ist ganz toll."
Die Osnabrücker Ursulinen können absehen, wann die letzte von ihnen das Zeitliche segne wird. Und auch bei den Missionsdominikanerinnen im Kloster Schlehdorf ist das Ende des Ordens in Sicht. Dennoch ist Schwester Veronika Hornung nicht resigniert:
Klosterleben im Wandel
"Es geht eine bestimmte Form von Klosterkultur zu Ende: so große Gebäude mit großen Gemeinschaften gehen sicher zu Ende", sagt Hornung. "Aber Ordensleben hat sich im Laufe der 2000 Jahre immer verändert. Und von daher denke ich, dass auch Ordensleben in Zukunft wird es geben, aber in einer anderen Form."
Und die Osnabrücker Oberin Uta Brockschmidt versichert mit einem Augenzwinkern:
"Der liebe Gott hört nicht auf zu wecken und zu locken. Da wird er aufpassen, dass er noch seine Bräute findet."