Altenwohnprojekt Klostersee
Eine neue Form des Zusammenlebens im Alter gibt es an der Ostseeküste in Schleswig-Holstein. Unweit der Kleinstadt Cismar bewirtschaften zwei Familien gemeinsam den Bauernhof Klostersee. Drei Paare und vier Frauen im Alter zwischen 66 und 86 Jahren leben hier zusammen.
Erika Krüger: "Jetzt dengel ich die Sense, ich schleife die eben mal... Ich kann immer nicht lange mähen, das geht so aufs Kreuz. Und ich mein: Ich habe es ja nicht richtig gelernt. Ich bin ja nun wirklich keine richtige Bäuerin! Ich wäre es zwar gerne, aber das bin ich nicht!"
Erika Krüger ist früh unterwegs. Im Schuppen hat sich die 72-jährige mit einer Sense bewaffnet, jetzt schwingt sie das Arbeitsgerät energisch durch hüfthohes Grass: Futter für die Ziegen auf Hof Klostersee. Die Anstrengung steht ihr ins Gesicht geschrieben.
Erika Krüger: "Wir hatten früher hier eine Mitarbeiterin, die sich sehr für die Ziegen eingesetzt hat. Die ist gegangen. Und dann entstand wirklich die Frage, hat jemand von Euch Lust, sich um die Ziegen zu kümmern. Ich war, glaube ich, die Einzige. Ich brauchte mich nicht drum zu drängeln! Und seitdem habe ich die Ziegen übernommen."
Und das mit großer Begeisterung.
Erika Krüger: "Mir gefällt an den Ziegen am meisten, dass sie ihren eigenen Kopp haben. Das finde ich einfach schön, dass die wirklich nicht alles machen, was man will; dass die wirklich selbstbestimmt sind! Darum mag ich die wahrscheinlich auch so gerne!"
Lotti und ihre beiden Töchter Fenia und Fanni warten schon. Weil das frisch gemähte Gras erst noch eine Weile trocknen muss, hat Erika Krüger den drei Tieren einen Eimer mit altem Brot aus der Hofbäckerei gebracht.
Erika Krüger: "Ist doch herrlich, oder? Da habe ich immer meinen Spaß dran!"
Was die Ziegen nicht schaffen, bringt Erika in den Stall - vor allem zu den kleinen Ferkeln.
Erika Krüger: "Es gibt ja nicht so das alte Brot. Aber ich bringe es dann immer hier her, weil ich Spaß dran habe, hier im Kuhstall und bei den Schweinen zu sein. Ich muss einfach eingebunden sein, in das, was die Landwirtschaft macht. Hören Sie diese Kleinen? Das ist doch geradezu schön!"
Ihr ganzes Berufsleben lang hat sich die gelernte Erzieherin um junge Menschen gekümmert. Der Umzug auf den Biohof vor gut vier Jahren war für Erika Krüger wie eine Rückkehr zu ihren Wurzeln, eine Rückkehr auch in ihre Heimat in Mecklenburg. Dort hielten der Vater und der Großvater nach dem Krieg ein paar Tiere, um die Familie durchzubringen. Jetzt ist Erika Krüger Teil der Gemeinschaft der 10 "Alten" auf dem Hof.
Erika Krüger: "Das war natürlich für uns eine Umstellung! Wir kommen aus sechs verschiedenen Bundesländern und haben uns vorher ja nicht gekannt. Und das hat nach meiner Einschätzung schon so anderthalb Jahre bis zwei gedauert, bis das so einigermaßen harmonisch wurde – wir haben uns alle sehr bemüht. Aber wir hatten ja alle unseren Kopf für uns. Und mussten uns ja erst mal hineinfinden in dieses neue Leben."
In der Hofbäckerei hat sich Gerlinde Nägel die Schürze umgebunden. Die ersten Brote hat sie schon in den Ofen geschoben, eine zweite Partie steht in der Gärkammer bereit.
Gerlinde Nägel: "In der Woche machen wir zurzeit 560 Brote, aber an vier Tagen."
Verkauft wird das Brot im Hofladen nebenan. Dort finden die Kunden neben ökologischen Produkten auch Käse und Fleisch aus eigener Herstellung. Die 42-Jährige gehört zu den zwei Familien, die in Klostersee 80 Hektar Land bewirtschaften. Die Betriebsgemeinschaft kümmert sich um Milchkühe und Schweine. In diesen Tagen haben sie damit begonnen, das Korn zu dreschen. Zusammen mit den Kindern, den beiden Lehrlingen und den Halbtagskräften sitzen täglich zwölf Menschen um den Mittagstisch. Arbeit gibt es genug. Um so dankbarer ist Gerlinde Nägel, dass auch die Senioren mit anfassen.
Gerlinde Nägel: "Wenn es jetzt mal knapp wir, weil Backstube und Kochen ansteht und Fleischvermarktung, dass dann jemand einspringt: einmal kochen. Oder Kinder abholen. Das sind inzwischen ganz selbständige Dinge geworden, wo sie dann auch mit eigenen Ideen kommen."
Gemeinsam leben und arbeiten. Nach diesem Grundsatz bringen sich auch die zehn neuen Mitbewohner auf dem Hof mit ein – immer freiwillig und je nach dem, was die einzelnen Bewohner körperlich leisten können. Denn nicht materielle, sondern ideelle Gründe gaben den Ausschlag für das Altenwohnprojekt. Es hat in Klostersee einfach noch eine Generation gefehlt. So sieht es nicht nur Gerlinde Nägel. So empfindet es auch Christina Ellenberg von der Betriebsgemeinschaft.
Christina Ellenberg: "Es ist wärmer geworden. Es ist sozial wärmer geworden. Es ist so, dass man sozialen Kontakt zu jedem auch ganz unterschiedlich hat. Und es ist wirklich nicht die Frage, wie man sie findet. Sondern sie sind hier, und man lernt sie kennen und gern zu haben und kann sie nicht mehr wegdenken."
Die zwölf Hühner und ihre Küken kann Sophie Viol nur mit einiger Mühe aus ihrem rot gestrichenen Holzhäuschen herauslocken. Seit einiger Zeit lauert im nah gelegenen Wald ein Raubtier auf seine Gelegenheit, ein Fuchs vielleicht. Jeden Tag bringt die 62-Jährige frisches Wasser, sorgt für das Futter, öffnet den Verschlag und schaut zu, wie die ganze Schar über den Hofplatz zieht. Sie hat gut zu tun.
Sophie Viol: "Das ist ja heute etwas verpönt, will ich mal sagen. Überall wird mit anti-aging gearbeitet. Und alt werden, das ist verbunden mit Krankheit und Tod und das wird ja auch ausgeklammert in der Gesellschaft. Ich finde, das gehört alles dazu zum Leben. Insofern habe ich kein Problem mit dem Wort "alt"."
Keiner der zehn Bewohner der so genannten Alte(n)scheune ist pflegebedürftig oder auf ständige medizinische Betreuung angewiesen. Gedanken über das Thema macht sich die Gemeinschaft dennoch. Hannelore Aichele hat früher selbst einen Pflegedienst geleitet.
Hannelore Aichele: "Die größeren oder kleineren Gebrechen im Alter, die können eigentlich alle zu Hause versorgt werden. Und das ist in so einer Gemeinschaft viel einfacher, als wenn ich irgendwo isoliert lebe am Berge und niemanden habe, der sich um mich kümmert. Also von daher haben wir schon mal eine gewisse Sicherheit. Und das ist ein schönes Gefühl, das ist wunderbar!"
Und wie die Alten auf Hof Klostersee vertraut auch Gerlinde Nägel ganz darauf, dass aus der Hofgemeinschaft längst eine Hilfsgemeinschaft erwachsen ist.
Gerlinde Nägel: "Was wir hier aufbauen, unabhängig von diesem Mietvertrag – mehr gibt es an Rechtsbeziehungen ja nicht – das sind menschliche Beziehungen. Und dann muss man im Einzelfall überlegen, was macht jetzt am meisten Sinn. Aber da haben wir einfach die Zuversicht, dass wir das, indem wir uns menschlich verbunden haben, dann so regeln, wie es irgendmöglich und am besten für alle ist."
Erika Krüger ist früh unterwegs. Im Schuppen hat sich die 72-jährige mit einer Sense bewaffnet, jetzt schwingt sie das Arbeitsgerät energisch durch hüfthohes Grass: Futter für die Ziegen auf Hof Klostersee. Die Anstrengung steht ihr ins Gesicht geschrieben.
Erika Krüger: "Wir hatten früher hier eine Mitarbeiterin, die sich sehr für die Ziegen eingesetzt hat. Die ist gegangen. Und dann entstand wirklich die Frage, hat jemand von Euch Lust, sich um die Ziegen zu kümmern. Ich war, glaube ich, die Einzige. Ich brauchte mich nicht drum zu drängeln! Und seitdem habe ich die Ziegen übernommen."
Und das mit großer Begeisterung.
Erika Krüger: "Mir gefällt an den Ziegen am meisten, dass sie ihren eigenen Kopp haben. Das finde ich einfach schön, dass die wirklich nicht alles machen, was man will; dass die wirklich selbstbestimmt sind! Darum mag ich die wahrscheinlich auch so gerne!"
Lotti und ihre beiden Töchter Fenia und Fanni warten schon. Weil das frisch gemähte Gras erst noch eine Weile trocknen muss, hat Erika Krüger den drei Tieren einen Eimer mit altem Brot aus der Hofbäckerei gebracht.
Erika Krüger: "Ist doch herrlich, oder? Da habe ich immer meinen Spaß dran!"
Was die Ziegen nicht schaffen, bringt Erika in den Stall - vor allem zu den kleinen Ferkeln.
Erika Krüger: "Es gibt ja nicht so das alte Brot. Aber ich bringe es dann immer hier her, weil ich Spaß dran habe, hier im Kuhstall und bei den Schweinen zu sein. Ich muss einfach eingebunden sein, in das, was die Landwirtschaft macht. Hören Sie diese Kleinen? Das ist doch geradezu schön!"
Ihr ganzes Berufsleben lang hat sich die gelernte Erzieherin um junge Menschen gekümmert. Der Umzug auf den Biohof vor gut vier Jahren war für Erika Krüger wie eine Rückkehr zu ihren Wurzeln, eine Rückkehr auch in ihre Heimat in Mecklenburg. Dort hielten der Vater und der Großvater nach dem Krieg ein paar Tiere, um die Familie durchzubringen. Jetzt ist Erika Krüger Teil der Gemeinschaft der 10 "Alten" auf dem Hof.
Erika Krüger: "Das war natürlich für uns eine Umstellung! Wir kommen aus sechs verschiedenen Bundesländern und haben uns vorher ja nicht gekannt. Und das hat nach meiner Einschätzung schon so anderthalb Jahre bis zwei gedauert, bis das so einigermaßen harmonisch wurde – wir haben uns alle sehr bemüht. Aber wir hatten ja alle unseren Kopf für uns. Und mussten uns ja erst mal hineinfinden in dieses neue Leben."
In der Hofbäckerei hat sich Gerlinde Nägel die Schürze umgebunden. Die ersten Brote hat sie schon in den Ofen geschoben, eine zweite Partie steht in der Gärkammer bereit.
Gerlinde Nägel: "In der Woche machen wir zurzeit 560 Brote, aber an vier Tagen."
Verkauft wird das Brot im Hofladen nebenan. Dort finden die Kunden neben ökologischen Produkten auch Käse und Fleisch aus eigener Herstellung. Die 42-Jährige gehört zu den zwei Familien, die in Klostersee 80 Hektar Land bewirtschaften. Die Betriebsgemeinschaft kümmert sich um Milchkühe und Schweine. In diesen Tagen haben sie damit begonnen, das Korn zu dreschen. Zusammen mit den Kindern, den beiden Lehrlingen und den Halbtagskräften sitzen täglich zwölf Menschen um den Mittagstisch. Arbeit gibt es genug. Um so dankbarer ist Gerlinde Nägel, dass auch die Senioren mit anfassen.
Gerlinde Nägel: "Wenn es jetzt mal knapp wir, weil Backstube und Kochen ansteht und Fleischvermarktung, dass dann jemand einspringt: einmal kochen. Oder Kinder abholen. Das sind inzwischen ganz selbständige Dinge geworden, wo sie dann auch mit eigenen Ideen kommen."
Gemeinsam leben und arbeiten. Nach diesem Grundsatz bringen sich auch die zehn neuen Mitbewohner auf dem Hof mit ein – immer freiwillig und je nach dem, was die einzelnen Bewohner körperlich leisten können. Denn nicht materielle, sondern ideelle Gründe gaben den Ausschlag für das Altenwohnprojekt. Es hat in Klostersee einfach noch eine Generation gefehlt. So sieht es nicht nur Gerlinde Nägel. So empfindet es auch Christina Ellenberg von der Betriebsgemeinschaft.
Christina Ellenberg: "Es ist wärmer geworden. Es ist sozial wärmer geworden. Es ist so, dass man sozialen Kontakt zu jedem auch ganz unterschiedlich hat. Und es ist wirklich nicht die Frage, wie man sie findet. Sondern sie sind hier, und man lernt sie kennen und gern zu haben und kann sie nicht mehr wegdenken."
Die zwölf Hühner und ihre Küken kann Sophie Viol nur mit einiger Mühe aus ihrem rot gestrichenen Holzhäuschen herauslocken. Seit einiger Zeit lauert im nah gelegenen Wald ein Raubtier auf seine Gelegenheit, ein Fuchs vielleicht. Jeden Tag bringt die 62-Jährige frisches Wasser, sorgt für das Futter, öffnet den Verschlag und schaut zu, wie die ganze Schar über den Hofplatz zieht. Sie hat gut zu tun.
Sophie Viol: "Das ist ja heute etwas verpönt, will ich mal sagen. Überall wird mit anti-aging gearbeitet. Und alt werden, das ist verbunden mit Krankheit und Tod und das wird ja auch ausgeklammert in der Gesellschaft. Ich finde, das gehört alles dazu zum Leben. Insofern habe ich kein Problem mit dem Wort "alt"."
Keiner der zehn Bewohner der so genannten Alte(n)scheune ist pflegebedürftig oder auf ständige medizinische Betreuung angewiesen. Gedanken über das Thema macht sich die Gemeinschaft dennoch. Hannelore Aichele hat früher selbst einen Pflegedienst geleitet.
Hannelore Aichele: "Die größeren oder kleineren Gebrechen im Alter, die können eigentlich alle zu Hause versorgt werden. Und das ist in so einer Gemeinschaft viel einfacher, als wenn ich irgendwo isoliert lebe am Berge und niemanden habe, der sich um mich kümmert. Also von daher haben wir schon mal eine gewisse Sicherheit. Und das ist ein schönes Gefühl, das ist wunderbar!"
Und wie die Alten auf Hof Klostersee vertraut auch Gerlinde Nägel ganz darauf, dass aus der Hofgemeinschaft längst eine Hilfsgemeinschaft erwachsen ist.
Gerlinde Nägel: "Was wir hier aufbauen, unabhängig von diesem Mietvertrag – mehr gibt es an Rechtsbeziehungen ja nicht – das sind menschliche Beziehungen. Und dann muss man im Einzelfall überlegen, was macht jetzt am meisten Sinn. Aber da haben wir einfach die Zuversicht, dass wir das, indem wir uns menschlich verbunden haben, dann so regeln, wie es irgendmöglich und am besten für alle ist."