AfD will "Ressentiments hoffähig machen"
Die Alternative für Deutschland (AfD) ist in Umfragen im Aufwind. Ihr Rechtskurs in der Flüchtlingskrise zahlt sich offenbar aus. Die AfD stellt sich mittels Rechtspopulismus als "Anti-Einwanderungspartei" neu auf, sagt der Rechtsextremismus-Forscher Alexander Häusler vor deren Parteitag.
Der Rechtsextremismus-Forscher Alexander Häusler erklärt die wachsende Zustimmung für die AfD als Reaktion auf die Anschläge in Paris und den wachsenden Rechtspopulismus in der Partei.
Ziel der Alternative für Deutschland (AfD) sei es, "ausgrenzende rechte Theoreme mehrheitsfähig zu machen", sagte Häusler im Deutschlandradio Kultur vor Beginn des Bundesparteitags der "Alternative für Deutschland (AfD)", zu dem an diesem Wochenende in Hannover rund 600 Delegierte erwartet werden. Der aktuelle Höhenflug in Wählerbefragungen erklärte er als Reaktion auf die Anschläge von Paris. Dabei gelinge es der AfD mit ihrem Anti-Einwanderungskurs Stimmen zu gewinnen, indem sie populistisch Ängste mit "Untergangsprophezeihungen" schüre. Ob es ihr aber gelingen werde, dies auch bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr in Wählerstimmen umzusetzen, bleibe abzuwarten.
Neue Machtkämpfe sind zu erwarten
Auch nach dem Austritt vom AfD-Gründer Bernd Lucke nach dem Essener Parteitag im Juli gebe es in der Partei "erhebliche Machtkämpfe". Der Rechtsaußen-Parteiflügel um den Thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke habe mit seinen Pegida-orientierten Erfurter Mittwochsdemonstrationen und nationalistischem Auftreten den Rechtsruck in der Partei weiter vorangetrieben und erwarte für seine Unterstützung Petrys gegen Lucke jetzt "Tribute". Nicht auszuschließen sei, dass Höcke versuchen werde, Petry den Vorsitz streitig zu machen, so der Sozialwissenschaftler und wissenschaftliche Mitarbeiter am Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf (FORENA).
"Blinken" ins rechte und bürgerliche Wählerklientel
Das auf das Bürgertum abzielende bürgerliche Auftreten von Frauke Petry und ihres Co-Parteivorsitzenden Jörg Meuthen unterscheide sich aber weniger inhaltlich als lediglich im Auftreten von der "deutlich nationalistischen Tönung mit teilweise völkischen Einklängen und Einsprengseln", mit denen der rechte Parteiflügel um Höcke und den stellvertretenden Bundesvorsitzenden Alexander Gauland versuche "ganz deutlich nach Rechtsaußen zu blinken". Häuser bezeichnete dies als Arbeitsteilung. Inhaltlich stelle sich die 2013 als wirtschaftsliberale Partei gegründete AfD aber als "Anti-Einwanderungspartei" neu auf.
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Das vollständige Interview im Wortlaut:
Christian Rabhansl: Sie bezeichnen sich als mutig, als Alternative, und sie sehen sich oft falsch dargestellt oder gar verleumdet von einer Lügenpresse: Die Anhänger der Alternative für Deutschland versammeln sich heute in Hannover zu ihrem Bundesparteitag. Die Partei will sich als feste Größe etablieren, obwohl sie doch viel im etablierten Politikbetrieb ablehnt. Ob ihr diese Gradwanderung gelingen wird und in welche inhaltliche Richtung sich diese inzwischen fast drei Jahre alte Partei bewegt, darüber spreche ich mit Alexander Häusler. Er forscht an der Hochschule Düsseldorf zu Rechtsextremismus und hat auch gemeinsam mit Rainer Roeser ein Buch über die AfD geschrieben, "Die rechten >Mut<-Bürger" heißt es. Guten Morgen, Herr Häusler!
Alexander Häusler: Guten Morgen!
Rabhansl: In Ihrem Buchtitel, da steht der Mut in Anführungsstrichen, die AfD selbst attestiert sich in ihrem Slogan Mut zur Wahrheit – wie beobachten Sie die Partei und ihre Anhänger? Sind die mutig, sind die ängstlich, sind die wütend?
Häusler: Dieser Titel, der spielt an auf den zentralen Slogan in dieser Partei, die für sich in Anspruch nimmt, den Mut zur Wahrheit auszusprechen. Man kann feststellen, wenn man sich die Wahlplakate und die Inhalte anguckt, die da drüber transportiert werden, dass dieser Slogan Mut zur Wahrheit eine Chiffre ist, das auszusprechen, was am ressentimentgeladenen Stammtisch dort zum Ausdruck gebracht wird, so nach dem Motto, das muss dann doch mal endlich sagen dürfen in Bezug auf Minderheiten, in Bezug auf Einwanderung und dergleichen. Das heißt also, diese Partei, die für sich in Anspruch nimmt, Stimme des Volkes zu sein, nutzt das eben, um Ressentiment hoffähig oder mehrheitsfähig zu machen.
Rabhansl: Das war ja nicht unbedingt immer so. Anlass zur Parteigründung war ja die angebliche Alternativlosigkeit der Politik Merkels, die Europolitik, das kann man zu Recht kritisieren, denn welche Politik ist schon alternativlos, und damals ging es eigentlich um ein klar wirtschaftsliberales Profil der Partei. Wenn Sie die AfD heute einordnen, wie viel Wirtschaft, wie viel Liberalismus finden Sie noch?
Versuch "ausgrenzende rechte Theoreme mehrheitsfähig zu machen"
Häusler: Guckt man auf das Votum der Wähler der AfD selber, so kann man feststellen, dass die AfD aus Sicht ihrer Wähler schon lange nicht mehr nur eine bloße Anti-Euro-Partei, eine Ein-Themen-Partei ist, sondern vielmehr eine Anti-Zuwanderungs-, Anti-Einwanderungspartei. Die Mehrheit der Wähler sagt, wir wählen die AfD aus genau diesem Grund, und das ist auch der Versuch der AfD, sich jetzt neu aufzustellen auf dem politischen Feld, nämlich nachdem ursprünglich das Eurothema bedient worden ist, jetzt das Einwanderungsthema dahingehend zu nutzen, als dass man sich dort als Stimme des Volkes versucht, darzustellen dahingehend, dass man jetzt endlich nun die Grenzen dicht machen soll und im Bezug auf das Volk sagt, wir werden überfremdet, wir werden überrannt, überlaufen und dergleichen. Das heißt also, ausgrenzende rechte Theoreme mehrheitsfähig zu machen unter diesem Motto Mut zur Wahrheit.
Rabhansl: Dieser inhaltlichen Verschiebung ist ja ein ziemlich brutaler innerer Machtkampf vorangegangen. Jetzt gibt es also die Verschiebung. Wenn wir das mal ganz ohne Wertung betrachten, schmälert die Partei dadurch ihre Chancen, weil sie so manchen Wähler abschreckt, erschreckt oder vergrößert sie ihre Chance, weil so offener Rechtspopulismus bislang in Deutschland eigentlich kein Zuhause hat.
Häusler: Man muss sich ganz deutlich klar machen, dass es innerhalb der Partei auch erhebliche Machtkämpfe gibt. Die neue Vorsitzende, Frauke Petry ist ja mithilfe des Rechtsaußenflügels in Ihrer Partei, also dem Umfeld um die sogenannte Erfurter Resolution, zur Macht gekommen, indem sie dann hat Lucke stürzen können, und dieser Rechtsaußenflügel innerhalb der Partei will jetzt Tribut dafür haben. In Person des Thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke, der sich dort auch in Erfurt als so eine Art rechter Straßenkämpfer inszeniert in Pegida-ähnlichen Demonstrationen, wird dieser Rechtskurs immer weiter vorangetrieben, und es könnte sein, dass er ihr auch versucht, den Vorsitz irgendwann einmal offen streitig zu machen.
"Arbeitsteilung, was das Auftreten angeht" - Inhaltlich kein großer Unterschied
Rabhansl: Die beiden unterscheiden sich aber in ihrem Auftreten ganz erheblich: Die Bundesvorsitzende Frauke Petry, die scheint ja doch sehr in die etablierte Politik drängen zu wollen, die weiß, wie man sich zu benehmen hat an der richtigen Stelle, die weiß, wie man sich sehr elegant kleidet, wie man sehr zivilisiert auftritt – welche Bedeutung hat dieses Gesicht der AfD für den Erfolg?
Häusler: Da ist so eine Art Arbeitsteilung, was das Auftreten angeht, mehr oder weniger vollzogen worden: Während Petry und ihr Co-Vorsitzender Meuthen eher versucht, das Bürgertum anzusprechen, versuchen Björn Höcke und Alexander Gauland, der Vorsitzende der AfD in Brandenburg, mit eigentlich eher deutlich deutsch-nationalistischen Tönungen, teilweise mit völkischen Anklängen und Einsprengseln durchaus ganz deutlich nach rechts außen zu blinken. Die beiden haben ja einen sogenannten Fünf-Punkte-Plan vorgelegt zum Thema Grenzschließung in der Asylpolitik, der sich gerade inhaltlich nicht großartig von dem unterscheidet, was Petry und Meuthen sagen, aber die Form und Artikulation ist eine andere. Auf der einen Seite wird versucht, vorsichtig in das Bürgertum hinein zu blinken und das andere ist mehr oder weniger offen auf den rechten Rand orientiert.
Rabhansl: Dazu kommen die Umstände, es gab Terroranschläge in Paris, die Flüchtlingsdebatte zieht sich lange hin, die etablierten Parteien wirken da sehr, sehr uneins und in einer Umfrage der vergangenen Woche im Auftrag der "Bild"-Zeitung, der INSA-Meinungstrend, da ist die AfD von 0,5 Prozent vor den Anschlägen auf 10,5 Prozent gestiegen, also quasi aus dem statistischen Nichts zur drittstärksten Kraft nach CDU und SPD aufgestiegen. Hat sowas Dauer?
"Wie das zu Buche schlagen wird, das bleibt abzuwarten"
Häusler: Das obliegt immer diesen Konjunkturen, und gerade im Kontext jetzt dieser schrecklichen islamistischen Mordanschläge ist sowas natürlich höchst emotionalisiert, und das ist natürlich Wasser auf die Mühlen rechter Aktivisten und Populisten, die eben das Spiel mit der Angst beherrschen, das aufgreifen nach dem Motto, das haben wir schon immer gesagt, seht ihr, die multikulturelle Gesellschaft ist gescheitert, jetzt müssen wir die Grenzen dicht machen, dort werden Untergangsprophezeiungen gemacht, und die reale prickelige, gefährliche Weltlage spielt dem natürlich zu, dahingehend, dass diese Angstszenarien dort Wirkung erzeugen können. Ob das von Dauer ist, das bleibt abzuwarten. Man kann durchaus sagen, dass eine Mehrheit der Leute in Deutschland schon von Politik eher erwarten, einen kühlen Kopf und sachorientierte Lösungen, anstatt diese rechten Schreckgespenstszenarien, die dort inszeniert werden. Wie sich das weiter entwickeln wird und ob das wirklich sich in den nächsten kommenden Landtagswahlen in drei Bundesländern im nächsten Frühjahr, wie das zu Buche schlagen wird, das bleibt abzuwarten.
Rabhansl: Alexander Häusler forscht in Düsseldorf zum Thema Rechtsextremismus, und wir haben gesprochen über die AfD, die sich heute zum Bundesparteitag in Hannover versammelt. Haben Sie vielen Dank für das Gespräch!
Häusler: Ich bedanke mich!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.