Rolf Schneider stammt aus Chemnitz. Er war Redakteur der kulturpolitischen Monatszeitschrift Aufbau in Berlin (Ost) und wurde dann freier Schriftsteller. Wegen "groben Verstoßes gegen das Statut" wurde er im Juni 1979 aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen, nachdem er unter anderem in einer Resolution gegen die Zwangsausbürgerung Wolf Biermanns protestiert hatte. Veröffentlichungen u.a. "November", "Volk ohne Trauer" und "Die Sprache des Geldes". Seine politischen und künstlerischen Lebenserinnerungen fasst er in dem Buch "Schonzeiten. Ein Leben in Deutschland" (2013) zusammen.
Nachrede des Rechtsextremismus ist verfehlt
Für den Schriftsteller Rolf Schneider ist die AfD lediglich eine "bürgerlich-konservative Strömung mit christdemokratischen Wurzeln und deutschnationalen Unterschleifen". Indem sie rechtsradikal genannt werde, werte der dadurch gestiftete Opferstatus die Partei auf.
Um dies vorauszuschicken: Ich habe die AfD niemals gewählt und werde sie niemals wählen. Ihr Auftreten irritiert mich, die meisten ihrer Führungsfiguren missfallen mir, ihre Bestrebungen sind mir fremd.
Meine einzige Beziehung zu ihr ist oder war einer ihrer heutigen Repräsentanten, mit dem ich, wiewohl wir politisch völlig unterschiedlich dachten, einmal befreundet war. Ich habe diese Beziehung nicht abgebrochen, sie ist nur allmählich ausgetrocknet.
Ich äußere mich hier, da mich die Darstellung und Behandlung der AfD in der Öffentlichkeit, der medialen zumal, einigermaßen verstören. Man nennt die Partei rechtspopulistisch, wenn nicht rechtsextrem, fremdenfeindlich sowieso. Ein anständiger deutscher Demokrat habe sie also zu meiden und zu boykottieren.
Kritik an Flüchtlingspolitik wird von Mehrheit geteilt
Betrachten wir die öffentlichen Argumente gegen sie. Dass sie politisch rechts stehe, ist ein Rückgriff auf die von der Französischen Revolution ererbte Gesäßgeographie. Die Verortung ist nicht falsch, aber sie besagt wenig.
Was Populismus sei, hat noch niemand erschöpfend definiert; der Begriff ist nicht eindeutig positiv und nicht eindeutig negativ besetzt, man kann ihn als opportunistische Demagogie verstehen, aber ebenso als Luthers Ohr am Volk.
Die behauptete Fremdenfeindlichkeit der AfD besteht darin, dass sie prinzipielle Einwände gegen die Flüchtlingspolitik der gegenwärtigen Regierung und deren Kanzlerin vorträgt. Solche Einwände teilen inzwischen eine demoskopisch erfasste Mehrheit der deutschen Bevölkerung wie auch Leute aus den regierenden Unionsparteien.
Mit Fremdenfeindlichkeit machten schon Andere Politik
Letztere gewannen einst, als es noch keine AfD gab, mit deutlich fremdenfeindlichen Programmen Landtagswahlen in Hessen und in Nordrhein-Westfalen.
Es ist wahr, dass ein AfD-Landesfürst biologistisch-völkische Ansichten vertritt, die unwissenschaftlich und überhaupt unerträglich sind. Hier muss daran erinnert werden, dass der Autor Thilo Sarrazin in zwei Erfolgsbüchern ähnliche Ansichten vortrug; bis heute ist er Mitglied der SPD. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber hat einst die Deutschen vor einer "durchrassten Gesellschaft" gewarnt.
Als zwei Führungsfrauen der AfD kürzlich Waffeneinsatz an den Grenzen empfahlen, war die Empörung groß. Dass lange zuvor der grüne Spitzenpolitiker Boris Palmer aus Tübingen das Gleiche äußerte, ist inzwischen gnädig vergessen.
Warum erzähle ich das? Ich will die AfD nicht verteidigen. Ich möchte nur, dass sie wahrgenommen wird als das, was sie ist.
Bürgerlich-Konservatives verbindet sich mit Deutschnationalem
Viele ihrer Ideen gab und gibt es bereits bei den bundesdeutschen Altparteien. Die AfD erweist sich, bei genauem Hinsehen, als bürgerlich-konservative Strömung mit christdemokratischen Wurzeln und deutschnationalen Unterschleifen, als eine Abspaltung von CDU/CSU jener Art, wie einst die Grünen eine Abspaltung von der Sozialdemokratie waren.
So radikal wie der Front National in Frankreich oder der Vlaams Belang in Belgien ist sie nicht.
Wer sie weiterhin in die Nähe des Neofaschismus rückt, verfehlt sie. Der dadurch gestiftete Opferstatus wertet sie auf. Möglich auch, dass die beharrliche Nachrede des Rechtextremismus sie schließlich genau dorthin treibt. Beides kann man eigentlich nicht wollen.