Musik gegen den Hass
Als die Australierin Courtney Barnett 2015 ihr erstes Album herausbrachte, war sie mit ihrem rauen Alternative Rock sofort ein Kritiker-Liebling. Ein paar Schreib- und Komponierblockaden später hat sie ein neues, großartiges und vielschichtiges Album herausgebracht.
Autorin: "Wie geht es Dir?
Courtney: "I am very well - thanks."
"Aber sag mir, wie Du Dich wirklich fühlst!"
"I waited for this question – I am a little tired, but I am good."
Courtney: "I am very well - thanks."
"Aber sag mir, wie Du Dich wirklich fühlst!"
"I waited for this question – I am a little tired, but I am good."
Sie hat natürlich auf diese Frage gewartet – sie sei etwas müde, aber es gehe ihr gut. Sie werde sehr oft gefragt, wie es ihr wirklich gehe, erzählt Courtney Barnett. Angesichts von Hass und Frust, der sich vor allem im Netz anonym und ungefiltert breitmache, sei das auch eine gesellschaftliche Frage. Daher der Albumtitel "Tell me how you really feel". Es ist das zweite Album der 30-jährigen Australierin und muss sich am unbekümmert geschrammelten Debüt messen lassen. Als wolle sie alle Erwartungen sofort unterlaufen, beginnt sie die neue Platte inhaltlich hoch aktuell mit diesem Bezug zur Aggressivität im Netz, aber eben auch mit dem Stimmungskiller "Hopelessness".
Ein guter Schachzug, denn nun kann es hinsichtlich Stimmung und Drive nur noch bergauf gehen.
Erinnerung an das große Vorbild Nirvana
Im Song "Nameless, Faceless", das an ihr großes Vorbild Nirvana erinnert, singt Barnett: "Habt ihr echt nichts Besseres zu tun, ich wünschte, jemand würde euch umarmen, es muss einsam sein, wenn man so wütend ist und sich übersehen fühlt".
Da ist es wieder: Ihr beim Debüt so gelobtes Talent, mit klarem Blick sehr anschaulich, aber knapp und nüchtern, Alltägliches zu beschreiben. Auch ihren lustigen Sarkasmus hat sie sich bewahrt. Ihre Songtexte offenbaren nur scheinbar Verständnis für Protestwähler und Internettrolle. Der Musikerin ging es darum, das Innenleben solcher Menschen auszuleuchten.
Spielerisch gegen den Hass
"Ich versuche die Gefühle aufzudecken, die dieses Verhalten auslösen. Wut, die von der Angst herrührt übersehen zu werden, vergessen zu werden von der Gesellschaft und es zeigt sich auf diese wütende, hässliche Weise. Es betrifft jeden. Die Wut verbreitet sich weltweit auf so vielfältige Weise. Wenn wir sagen, wir haben uns daran gewöhnt, dass Leute so wütend sind, voll von Hass und das man es nicht ändern kann, dann haben wir uns schon damit abgefunden."
Barnett stellt sich spielerisch dem Hass. Auf ihrer Website führt sie den Gedanken des Albums fort. In eine Kommentar-Box sollen Besucher und Besucherinnen schreiben, wie sie sich wirklich fühlen.
"Ich glaube, es ist eine Art soziales Experiment, um zu sehen, wie die Leute die Frage interpretieren und beantworten, ob sie ehrlich sind oder sarkastisch oder wütend."
Social-Media-Spiel mit den Fans
Über eine zweite Kommentar-Box fragt die Künstlerin nach den zu der jeweiligen Stimmungslage passenden Songs. Was aus diesem Social-Media-Spiel mit ihren Fans wird, an dem sich zum Zeitpunkt des Interviews schon 3.000 Menschen beteiligt haben, da bleibt sie vage. Und da zeigt sich die lässig-abwartende Slacker-Attitüde, für die Courtney Barnett so bekannt ist und als Ikone der Fraktion Anti-Leistungsgesellschaft hochgejubelt wurde. Man solle Geduld haben.
Da kokettiert sie etwas, ansonsten gehen Courtney Barnett jegliche Allüren ab. Ihre klarblauen Augen dominieren das ungeschminkte Gesicht. Es wirkt etwas konturlos, das dunkle halblange Wuschelhaar und ihre schlichte hellblaue T-Shirt-Hose-Kombination unterstreichen ihre Blässe.
Lakonische Haltung
"Tell me how you really feel" ist ein großartiges Album geworden – vielschichtiger als das Debüt, mit Blues-Anspielungen, Riot-Grrrl-Punk und West-Coast-Feeling. Und dazu die sprachliche Treffsicherheit: In "City looks pretty" textet sie "Ich werde so sein, wie Du willst, wenn Du es willst, aber ich werde nie sein, wie Du es brauchst". Einzigartig ihre lakonische Haltung - auch bei der Frage, wieso der Sound nun reifer wirkt, stellenweise gesetzter. Liegt‘s nur am Älterwerden?
"Ich habe ziemlich viel Pfefferminz-Tee getrunken, während ich das Album geschrieben habe. Der wächst in unserem Garten, wie Unkraut. Also ich hab das getrunken, vielleicht hat der Tee für die Gelassenheit gesorgt."