Alternative Tests für Medikamente
An der Universität Konstanz beschäftigen sich Wissenschaftler seit 20 Jahren damit, Tierversuche durch alternative Prüfverfahren zu ersetzen. Dabei gelang ihnen nun der Durchbruch: Das Testverfahren "Pyrodetect” rettet 20.000 Kaninchenleben pro Jahr.
Ein nüchterne Laborraum an der Uni Konstanz: Der Mediziner Stefan Fennrich zeigt begeistert auf ein kleines weißes Kästchen, das auf einem Tisch liegt:
"Dieses weiße Schächtelchen kann in Europa etwa 200.000 Tiere, Kaninchen ersetzen, die verwendet werden, um infizierbare Arzneimittel zu überprüfen."
"Pyrodetect" steht auf dem Deckel des Kästchens, ein Verfahren, das Stefan Fennrich zusammen mit den Professoren Thomas Hartung und Albrecht Wendel an der Uni Konstanz entwickelt hat. Seit kurzem arbeitet er am Universitätsklinikum Tübingen, kehrt aber wegen des Forschungsvorhabens immer wieder nach Konstanz zurück. Dieser Tage wurde das neue Prüfverfahren als europäische Alternative zum herkömmlichen ‚Kaninchentest‘ bei der Neueinführung von Medikamenten zugelassen. Dabei geht es um so genannte ‚Pyrogene‘ – kleine winzige Verunreinigungen, Rückstände toter Bakterien, die sich gerne in Medikamenten einnisten und dann eine verheerende Wirkung entfalten.
"Der Name setzt sich aus 'Pyros', Feuer, Pyrotechnik, Hitze und 'Genesis', 'Entstehung', zusammen. Das heißt: Pyrogene induzieren im menschlichen Körper eine Entzündungsreaktion wie zum Beispiel Fieber. Im weiteren Verlauf kommt es zum Blutdruckabfall, zum Multiorganversagen, zum Schock. Und wer in diesen Zustand hat nur noch eine Überlebenschance von 50 Prozent auf der Intensivstation."
Klare Sache deshalb: Neue Medikamente müssen absolut pyrogenfrei sein. Wie dies aber feststellen? Da half bislang nichts: Ein Kaninchen musste mit dem neuen Medikament injiziert werden. Bekam es starkes Fieber, dann deutete dies auf Pyrogene hin. Die meisten Versuchskaninchen sterben bei solchen Versuchen – für die Konstanzer Forscher allemal ein Anlass, nach Alternativen zu suchen. Ihr neuer Pyrogentest, dessen Elemente sich in dem kleinen weißen Kästchen befinden, arbeitet mit menschlichem Blut. Das muss vorher Blutspendern abgenommen werden.
"Wir bringen das Blut mit der Probe in Kontakt. Das machen wir in 37 Grad außerhalb des menschlichen Körpers in einem Brutschrank. Und über Nacht passiert im Labor genau das, was im menschlichen Körper passieren würde – nämlich, wenn die Probe verunreinigt ist, werden Fiebermoleküle freigesetzt, die wir am nächsten Tag mit einer bestimmten Methode, dem so genannten ‚Elisa-Verfahren‘, nachweisen können."
Enthält die Medikamentenmethode tatsächlich Pyrogene, dann bilden sich im menschlichen Blut sogenannte Antikörper und Botenstoffe, die normalerweise dem Gehirn signalisieren: Krankheitserreger im Körper eingedrungen, Temperatur hochfahren, um diese zu vernichten! Die Reaktion wäre heftiges Fieber. Da sich die Blutprobe jedoch statt im Körper in einem Reagenzglas befindet, bleibt es bei der Ausbildung des Botenstoffes. Die Konstanzer Wissenschaftler haben deshalb eine Substanz entwickelt, die das Blut nur dann verfärbt, wenn diese Botenstoffe gebildet werden.
"Je tiefer gelb die Farbreaktion wird, desto mehr Verunreinigungen von Pyrogenen ist vorhanden. Und dann muss man aufpassen!"
Das funktioniert perfekt, so ganz ohne lebende Tiere: Drei Jahre haben die Konstanzer Forscher die Alternativmethode zum herkömmlichen Kaninchenversuch getestet. Nun ist Pryodetect, so die korrekte Bezeichnung der Alternativmethode, europaweit zugelassen worden. Das rettet nicht nur rund 200 000 europäische Kaninchenleben pro Jahr. Der neue Test vom Bodensee ist auch wesentlich genauer als die Versuchskaninchen, erklärt der Konstanzer Biologe Mardas Daneshan, Mitglied im Expertenteam der Universität Konstanz:
"Wenn man menschliche Zellen benutzt, macht man Aussagen über den Menschen. Wenn man tierische Zellen benutzt, macht man eigentlich eine Aussage über das Tier. Das heißt: Ich kann einmal ein Kaninchen sehr schlecht mit dem Menschen vergleichen, zum anderen sind die Kaninchen untereinander unterschiedlich in ihrer Aktivität."
Wenn somit Kaninchen fiebrig reagieren oder nicht, muss das nicht hundertprozentig entsprechende Reaktionen beim Menschen zur Folge haben. Bei dem neuen Testverfahren PyroDetect ist dies sehr wohl der Fall. Dass der nun europaweit zugelassen wurde, feiern die Experten an der Universität Konstanz als großen Erfolg bei der Suche nach Alternativen zu Tierversuchen. Mardas Daneshan:
"Das ist sozusagen der Höhepunkt unserer 20jährigen Forschung auf diesem Gebiet. Wir haben am Ende doch einen Test geschaffen, der erste Test seiner Art, der international anerkannt ist, in Europa eingeführt wird und auch von den amerikanischen Autoritäten akzeptiert wird. Das heißt: Wir haben einen Test, der international dazu führt, eine bessere Sicherheitsprüfung zu haben und Tierverbrauch zu vermeiden und damit ein Stück weit ethischer zu sein in unserem Verbrauch und in unserer Produktion."
Auf ihren Lorbeeren ruhen sich die Konstanzer Wissenschaftler nicht aus: Nun erforschen sie, wie man mit dem neuen Verfahren den Fieber auslösenden Pyrogenen auch in Klimaanlagen oder in Implantaten auf die Schliche kommen kann.
"Dieses weiße Schächtelchen kann in Europa etwa 200.000 Tiere, Kaninchen ersetzen, die verwendet werden, um infizierbare Arzneimittel zu überprüfen."
"Pyrodetect" steht auf dem Deckel des Kästchens, ein Verfahren, das Stefan Fennrich zusammen mit den Professoren Thomas Hartung und Albrecht Wendel an der Uni Konstanz entwickelt hat. Seit kurzem arbeitet er am Universitätsklinikum Tübingen, kehrt aber wegen des Forschungsvorhabens immer wieder nach Konstanz zurück. Dieser Tage wurde das neue Prüfverfahren als europäische Alternative zum herkömmlichen ‚Kaninchentest‘ bei der Neueinführung von Medikamenten zugelassen. Dabei geht es um so genannte ‚Pyrogene‘ – kleine winzige Verunreinigungen, Rückstände toter Bakterien, die sich gerne in Medikamenten einnisten und dann eine verheerende Wirkung entfalten.
"Der Name setzt sich aus 'Pyros', Feuer, Pyrotechnik, Hitze und 'Genesis', 'Entstehung', zusammen. Das heißt: Pyrogene induzieren im menschlichen Körper eine Entzündungsreaktion wie zum Beispiel Fieber. Im weiteren Verlauf kommt es zum Blutdruckabfall, zum Multiorganversagen, zum Schock. Und wer in diesen Zustand hat nur noch eine Überlebenschance von 50 Prozent auf der Intensivstation."
Klare Sache deshalb: Neue Medikamente müssen absolut pyrogenfrei sein. Wie dies aber feststellen? Da half bislang nichts: Ein Kaninchen musste mit dem neuen Medikament injiziert werden. Bekam es starkes Fieber, dann deutete dies auf Pyrogene hin. Die meisten Versuchskaninchen sterben bei solchen Versuchen – für die Konstanzer Forscher allemal ein Anlass, nach Alternativen zu suchen. Ihr neuer Pyrogentest, dessen Elemente sich in dem kleinen weißen Kästchen befinden, arbeitet mit menschlichem Blut. Das muss vorher Blutspendern abgenommen werden.
"Wir bringen das Blut mit der Probe in Kontakt. Das machen wir in 37 Grad außerhalb des menschlichen Körpers in einem Brutschrank. Und über Nacht passiert im Labor genau das, was im menschlichen Körper passieren würde – nämlich, wenn die Probe verunreinigt ist, werden Fiebermoleküle freigesetzt, die wir am nächsten Tag mit einer bestimmten Methode, dem so genannten ‚Elisa-Verfahren‘, nachweisen können."
Enthält die Medikamentenmethode tatsächlich Pyrogene, dann bilden sich im menschlichen Blut sogenannte Antikörper und Botenstoffe, die normalerweise dem Gehirn signalisieren: Krankheitserreger im Körper eingedrungen, Temperatur hochfahren, um diese zu vernichten! Die Reaktion wäre heftiges Fieber. Da sich die Blutprobe jedoch statt im Körper in einem Reagenzglas befindet, bleibt es bei der Ausbildung des Botenstoffes. Die Konstanzer Wissenschaftler haben deshalb eine Substanz entwickelt, die das Blut nur dann verfärbt, wenn diese Botenstoffe gebildet werden.
"Je tiefer gelb die Farbreaktion wird, desto mehr Verunreinigungen von Pyrogenen ist vorhanden. Und dann muss man aufpassen!"
Das funktioniert perfekt, so ganz ohne lebende Tiere: Drei Jahre haben die Konstanzer Forscher die Alternativmethode zum herkömmlichen Kaninchenversuch getestet. Nun ist Pryodetect, so die korrekte Bezeichnung der Alternativmethode, europaweit zugelassen worden. Das rettet nicht nur rund 200 000 europäische Kaninchenleben pro Jahr. Der neue Test vom Bodensee ist auch wesentlich genauer als die Versuchskaninchen, erklärt der Konstanzer Biologe Mardas Daneshan, Mitglied im Expertenteam der Universität Konstanz:
"Wenn man menschliche Zellen benutzt, macht man Aussagen über den Menschen. Wenn man tierische Zellen benutzt, macht man eigentlich eine Aussage über das Tier. Das heißt: Ich kann einmal ein Kaninchen sehr schlecht mit dem Menschen vergleichen, zum anderen sind die Kaninchen untereinander unterschiedlich in ihrer Aktivität."
Wenn somit Kaninchen fiebrig reagieren oder nicht, muss das nicht hundertprozentig entsprechende Reaktionen beim Menschen zur Folge haben. Bei dem neuen Testverfahren PyroDetect ist dies sehr wohl der Fall. Dass der nun europaweit zugelassen wurde, feiern die Experten an der Universität Konstanz als großen Erfolg bei der Suche nach Alternativen zu Tierversuchen. Mardas Daneshan:
"Das ist sozusagen der Höhepunkt unserer 20jährigen Forschung auf diesem Gebiet. Wir haben am Ende doch einen Test geschaffen, der erste Test seiner Art, der international anerkannt ist, in Europa eingeführt wird und auch von den amerikanischen Autoritäten akzeptiert wird. Das heißt: Wir haben einen Test, der international dazu führt, eine bessere Sicherheitsprüfung zu haben und Tierverbrauch zu vermeiden und damit ein Stück weit ethischer zu sein in unserem Verbrauch und in unserer Produktion."
Auf ihren Lorbeeren ruhen sich die Konstanzer Wissenschaftler nicht aus: Nun erforschen sie, wie man mit dem neuen Verfahren den Fieber auslösenden Pyrogenen auch in Klimaanlagen oder in Implantaten auf die Schliche kommen kann.