Alternative zum Kunstbetrieb

Von Silke Lahmann-Lammert |
In der Hamburger Hafencity steht derzeit eine Ausstellungsstadt, in der internationale Künstler ihre Werke zeigen und in direkten Kontakt zum Publikum treten. Sie suchen nach Alternativen, weil sie zum Beispiel die Kommerzialisierung von Kunst verweigern.
Athi Joja steht auf einer Leiter und pinselt Farbe an die Wand. Seine Künstlergruppe - das Kollektiv "Gugulective" aus Südafrika - hat eine Wohnung in ihren Container auf dem Festivalgelände gebaut. Ein Haus, erklärt Athi Joja, wie es die meisten Schwarzen in Gugulethu bewohnen – dem Township, in dem die Künstlerinitiative zu Hause ist:

"Die Schwarzen leben in unglaublicher Enge. Künstler haben keine andere Möglichkeit, als im Schlafzimmer zu arbeiten. Familien müssen mit fünf Kindern in einem Raum schlafen. In solchen Verhältnissen gibt es keine Privatsphäre, keine Würde des Einzelnen."

Um die beklemmende Atmosphäre spürbar zu machen, hat die Künstlergruppe das Haus auf den Kopf gestellt: Die Möbel hängen unter der Decke, die Wände enden etwa einen 1,50 Meter über dem Fußboden des Containers.

Athi Joja: "Die Ausstellungsbesucher müssen in den Container kriechen, um die Wohnräume von unten zu betrachten. Eine Atmosphäre wie in einem Archiv, in dem verborgene Räume konserviert werden. Für mich symbolisiert dieses statische Bild die Stagnation, in der die Schwarzen in Südafrika leben. Egal ob wir eine neue schwarze oder eine neue weiße Regierung haben: Nichts verändert sich. Alles bleibt beim Alten."

Gugulective ist eine von 30 Künstlerinitiativen, die sich in der Hafencity treffen. Das Festival "Subvision" - initiiert von der Hamburger Hochschule für Bildende Künste - will internationale Gruppen zusammenbringen, die Alternativen zum etablierten Ausstellungsbetrieb suchen. Sei es, weil sie sich der Kommerzialisierung verweigern. Sei es, weil es in ihren Ländern keine Strukturen gibt, um Kunst zu präsentieren.

Ein Problem, mit dem auch Gugulective zu kämpfen haben, erzählt Kuratorin Brigitte Kölle. Die südafrikanischen Künstler behelfen sich mit einem Shebeen, einer ehemaligen Kneipe in ihrem Township in der Nähe von Kapstadt:

Brigitte Kölle: "Also in einer Gegend, die sozial eher vernachlässigt ist. Wo's sonst kaum ein Kultur- oder Kunstangebot gibt. Und diese Shebeen sind in der Zeit der Apartheid Orte gewesen des Treffens von politischen Aktivisten vor allen Dingen. Und Gugulective greift also diese Tradition, diese ursprüngliche Bedeutung eines Shebeens als einem Treffpunkt, ein Ort des Austausches, der Kommunikation, der Beschäftigung mit gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten auf und belebt diese Tradition aufs Neue."

Aber auch Künstler aus westlichen Metropolen beklagen mangelnde Ausstellungsmöglichkeiten. Mirka Raitu zum Beispiel, Mitbetreiberin der Galleria Huuto in Helsinki. Ein Ausstellungsraum von Künstlern für Künstler.

Mirka Raitu: "Und das war dann für uns nach der Schule, nach dem Studium, haben wir uns zusammengetan und wir müssen dann selber etwas finden und was machen, wo man nicht sich krank bezahlen muss oder erst mal einen Galerist finden, wo man was zeigen will."

Aus Bukarest ist die Gruppe CAA/CAA angereist. Gründerin Lia Perjovschi präsentiert in ihrem Container Teile eines Archivs, das sie mit ihrem Mann Dan über Jahrzehnte zusammengetragen hat. Ein Fundus an Bildern und Informationen zu zeitgenössischer Kunst, die in der Ära Ceausescu unerwünscht war. Ein künstlerischer Blackout – meint Lia Perjovschi – von dem sich das Land bis heute nicht erholt hat.

Ob aus Bukarest, London, Tel Aviv, Hongkong, Vancouver oder Krakau: Jeder Container auf dem Festival "Subvision" bietet Einblick in eine andere Welt, in andere gesellschaftliche und künstlerische Bedingungen. Zwölf Tage bleibt die Ausstellungsstadt in der Hafencity geöffnet. Ein Ort, hofft Kuratorin Brigitte Kölle, an dem Publikum und Künstler ins Gespräch kommen:

"Das ist im Kunstbetrieb doch etwas, was sehr selten ist. Normalerweise haben wir es mit Künstlern zu tun, die Ausstellungen machen, meistens zur Eröffnung da sind, aber am nächsten Morgen schon wieder nach Hause fahren. Also dieser direkte persönliche Austausch mit dem Publikum ist bestimmt etwas, was 'Subvision' auszeichnet."

Service:
Das Festival für Gegenwartskunst, das offiziell den Namen "subvision. kunst. festival. off" trägt, findet vom 26. August bis 6. September 2009 in Hamburg statt.