Buchhinweise:
Katrin Wilkens: "Mutter schafft! Es ist nicht das Kind, das nervt, es ist der Job, der fehlt"
Westend, Frankfurt 2019
240 Seiten, 18 Euro
weitere Informationen mit Leseprobe beim Verlag
Irene Götz (Hrsg.): "Kein Ruhestand: Wie Frauen mit Altersarmut umgehen"
Kunstmann, München 2019
320 Seiten, 20 Euro
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Viel Arbeit, aber kein Job
53:52 Minuten
Risiko Altersarmut – für Frauen ist es oft höher als für Männer. Doch angesprochen wird das Thema nur selten. Die Autorin Katrin Wilkens, die Ethnologin Irene Götz und der Journalist Jens Dirksen sprechen über Ursachen und mögliche Lösungsansätze.
Mütter verzichten dreimal während ihres Lebens auf Geld: während der Kindererziehung; während der Teilzeitarbeit und in der Rente. Da kommen schnell riesige Summen zusammen, erklärt Katrin Wilkens.
Mit "Mutter schafft! Es ist nicht das Kind, das nervt, es ist der Job, der fehlt" hat die freie Journalistin und Trainerin für Weiterbildung ein Buch zum Thema geschrieben hat. Darin beschreibt sie wie eine normal verdienende Frau mit einem Netto-Gehalt von 2800 Euro als Mutter bis zu 750.000 Euro für ihre Altersversorgung verliert.
Ein unpopuläres Thema
Dass Kinder das Armutsrisko in Deutschland erhöhen, ist eine Binsenwahrheit. Entsprechend höher ist die Gefährdung für Frauen, im Alter von Armut betroffen zu sein, wie auch eine Übersicht der Bundeszentrale für politische Bildung belegt. Doch über Altersarmut unter Frauen wird immer noch viel zu wenig gesprochen. Ein "Kukident-Thema", sagt Katrin Wilkens: Niemand wolle sich gern damit beschäftigen: "Wenn man sagt 'Lass uns mal über Rente reden', da drehen alle sich sofort um."
Die Herausgeberin und Ethnologie-Professorin Irene Götz beschreibt in dem Buch "Kein Ruhestand. Wie Frauen mit Altersarmut umgehen" die Lebensumstände von Rentnerinnen in München. In der bayerischen Metropole sind 1350 Euro im Monat die Armutsgefährdungsgrenze, doch die meisten Frauen haben nur um die 700 Euro Rente im Monat. Das reicht in der teuersten Stadt Deutschlands natürlich vorn und hinten nicht.
"Es darf keine Mieterhöhung kommen", beschreibt Götz die Lebenslage der Renterinnen. "Wenn mir das Sozialamt wieder im Genick sitzt und sagt 'Deine Wohnung ist zu teuer, such dir eine andere!', wo soll ich denn in München eine billigere finden?"
Das Problem ist hausgemacht, erzählt sie weiter: Die jetzige Situation sei auch eine "Folge der ganzen Minijobs." Langfristig brauche es daher "wieder Erwerbsarbeit, die sich lohnt."
Die Kosten steigen
München sei nur die "Avantgarde", sagt Jens Dirksen, Kulturchef der "WAZ": In ein paar Jahren werde das Leben auch in den anderen Ballungsräumen deutlich teurer werden. Eigentlich hätte er sich lieber nicht mit dem Thema beschäfigt, räumt er ein. Doch dann habe ihm beim Lesen dieser Bücher "die Wut gekriegt." Denn: 2036 wird jede vierte Rentnerin in Deutschland in Armut leben.
Die Lesart präsentiert die Aufzeichnung einer Veranstaltung vom 4. Juni 2019 im Grillo-Theater in Essen.