Altersbezüge

Wie gerecht ist das Rentenpaket?

Ein riesiges Werbeplakat zum Rentenpaket des Ministeriums für Arbeit und Soziales hängt in Berlin an einer Häuserwand.
Ein Werbeplakat zum Rentenpaket hängt in Berlin an einer Häuserwand. © picture-alliance/ dpa / Jens Kalaene
Moderation: Gisela Steinhauer · 28.06.2014
Am 1. Juli tritt das Rentenpaket in Kraft: mit einer möglichen abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren, Änderungen bei der Mütterrente und einer leichten Erhöhung der Erwerbsminderungsrenten. Die Kosten: rund 160 Milliarden Euro bis 2030.
Die Koalition preist das Rentenpaket als Schritt zu mehr Gerechtigkeit, Kritiker bewerten es als überteuerte Klientelpolitik und Wahlgeschenk. Wem nützt die Reform, wer zahlt drauf? Wo bleibt bei all dem die Generationengerechtigkeit?
"Das Rentenpaket ist richtig, weil es Gerechtigkeitslücken schließt, die Lebensleistungen besser anerkennt und Erwerbsminderungsrentner besser stellt", sagt der SPD-Politiker Martin Rosemann. "Wir sorgen mit diesen Verbesserungen auch wieder für mehr Vertrauen in das System. Dies ist auch nötig, wenn man verlangt, dass die Menschen länger arbeiten sollen."
Der heute 38-Jährige weiß aber auch, dass er als Politiker noch viele Rentenreformen beschließen werden muss: "Dieses Paket löst nicht alle Probleme, die vor uns liegen – dafür ist es auch nicht angelegt." Deshalb sitzt er auch in einer Koalitionsarbeitsgruppe, die "flexible Übergänge vom Arbeitsleben in die Rente" diskutiert: "Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können heute aus gesundheitlichen Gründen oft nicht bis zur Regelaltersgrenze arbeiten. Für diese Menschen müssen wir entsprechende Lösungen finden."
Schritt in die falsche Richtung?
"Die abschlagfreie Rente ab 63 geht in die falsche Richtung", sagt hingegen Reinhold Schnabel. Der Finanzwissenschaftler von der Universität Duisburg gehört zu den vehementen Kritikern des Rentenpakets:"Die Rente mit 63 hat für einen typischen Rentner mit 45 Beitragsjahren einen Wert von rund 30.000 Euro! Dieses Angebot wird kaum jemand ablehnen. Das Potential für ein Arbeiten im Rentenalter wird durch das Rentenpaket drastisch reduziert, weil mindestens 100.000 Fachkräfte im Alter von 64 und 65 Jahren aus dem Arbeitsmarkt genommen werden."
Er schätzt die Gesamtkosten weitaus höher, auf 230 Milliarden Euro: "Die junge Generation wird das zum Teil bezahlen, über höhere Beiträge. Es wird aber leider auch so sein, dass man einen Teil dieser Versprechen wieder zurücknehmen muss, wenn die Demographie richtig zuschlägt – und das wird sie ab 2020. Aber nicht nur die Jüngeren sind die, die die Leistungen mittragen müssen, sondern auch die aktuellen Rentner. Die Rentensteigerungen werden langsamer ausfallen, so dass auch die 20 Millionen Rentner, die heute in Rente sind, ebenfalls betroffen sind."
Schnabel warnt vor neuen Kosten der Rentenreform - Rosemann rechnet mit weniger Nutznießern der neuen Regelungen
Reinhold Schnabel warnte nun am Sonnabend im Deutschlandradio Kultur davor, dass die Rentenreform der Bundesregierung deutlich teurer werden wird. 160 Milliarden Euro bis 2030 werden nicht reichen, sagte Schnabel. Während von vielen rund bislang rund 50.000 Frühverrentungen pro Jahr prognostiziert wurden, rechne er mit zusätzlichen 100.000 Frühverrentungen: "Dann haben wir gleich eine Milliarde mehr, die an direkten Kosten in der Rentenversicherung anfallen. [...] Wir bekommen eine Frühverrentungswelle. De facto wird die Rente mit 67 für einen Großteil der Beschäftigten abgeschafft und es bleibt bei der Rente von 63 bis 65", sagte Schnabel. Es werde Mittel und Wege geben, auf die notwendigen 45 Beschäftigungsjahre für die abschlagsfreie Rente zu kommen.

Dagegen erklärte der SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Rosemann,dass die Zahl derjenigen, die von der Neuregelung profitierten, künftig permanent abnehmen werde: "Weil es immer weniger Menschen gibt, die solche extremen Erwerbsbiografien haben, dass sie im Alter von 14, 15 oder 16 Jahren schon ins Berufsleben eingestiegen sind, aber denen müssen wir eben auch gerecht werden."

Das Gespräch von Gisela Steinhauer mit Reinhold Schnabel und Martin Rosemann und ihre Antworten auf die Fragen der Hörerinnen und Hörer können Sie hier bis zum 28. 11. 2014 nachhören.
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