Altersvorsorge

Trübe Aussichten für Millennials?

Ein Mann guckt in eine aufgeklappte Euromünze. (Zeichnung)
Viele Millenials fragen sich, woher sie einmal Rente nehmen sollen. © imago / Ikon Images
Von Maximilian Klein |
Wenn wir alt sind, gibt es sowieso keine Rente mehr: So denken viele der heute 30-Jährigen und kümmern sich erst gar nicht um Altersvorsorge. Auch Autor Maximilian Klein dachte bisher so. Bis er sich aufraffte und mit Freunden, Banken und Versicherungen sprach.

(Wiederholung vom 28. August 2017)

Wir reden über alles. Auf Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat. Mit "Wir" meine ich meine Generation. Die nach 1980 Geborenen. Wir labern. Gerne. Viel. Offen. Grenzenlos. Es geht um Sex, um Liebe, um Mode, um Kinder. Ernährung. Gesundheit. Karriere. Filme. Produkte. Aber über zwei Dinge reden wir nicht: Geld. Und das Alter.
"Ich muss mich mit diesem Thema beschäftigen. Wobei: Keiner macht das gerne, weil Alter natürlich dann irgendwas mit Gebrechlichkeit und Endlichkeit zu tun hat."
"Wenn Sie heute als 33-Jähriger eine Rente von 100 Euro versuchen anzusparen, dann müssen Sie jetzt im Monat 35 Euro ausgeben. Wenn Sie in fünf Jahren erst anfangen, kostet das schon 44 Euro. Und wenn Sie erst in zehn Jahren anfangen, kostet das 56 Euro."

Man müsste sich kümmern – und tut es dann doch nicht

Rentenvorsorge. Das klingt wie Prostatauntersuchung. Man weiß, dass es irgendwann sein muss. Aber man drückt sich darum. Und im sich darum Drücken, sind wir ja richtig gut. Wir wissen, dass die Plastiktüte bei Lidl die Meere verschmutzt, kaufen sie trotzdem. Wir wissen, dass das T-Shirt bei H&M nicht aus glücklicher Arbeiterhand kommt, kaufen es trotzdem. Wir wissen, dass wir alle alt werden. Gehen aber lieber in die nächste Bar einen Gin Tonic bestellen als zur nächsten Bank einen Rentensparplan auflegen.
Ich bin Anfang 30. Selbstständig. Verdiene mit dem, was Sie hier hören, meinen Lebensunterhalt. Und alle um mich herum bekommen schlechte Laune, wenn ich Sie auf das Thema Rente anspreche. Aber da ich später nicht vom Flaschenpfand abhängig sein will, mache ich mich auf die Suche. Nach meiner Rente!
Boris. Ein guter Freund von mir. Nach harten Überredungskünsten stellt er sich meinem Mikro. Er ist Kindergärtner. Engagiert. Leitet eine Kita. Liebt seinen Beruf. Die Kinder und Eltern lieben ihn. Arbeitet nebenbei ehrenamtlich im Gefängnis. Sein Verdienst: Reden wir nicht darüber. Wie ich ist er Anfang 30. Rente? Schon mal darüber nachgedacht, Boris?
"Ja, schon. Aber nicht so richtig intensiv. Ich hab jetzt ab und zu mal Diskussionen mit Freunden oder so. Und natürlich läuft das Ganze immer unter dem Schleier des gefährlichen Halbwissens, dass ich sowieso niemals Rente bekommen werde. So, das ist irgendwie ganz klar. Das erzählen wir uns ja alle seit Jahren."

Die Rente haben wir schon abgeschrieben

Ein ganzes Lebenskapitel, das auf uns zukommt, scheinen wir abgehakt zu haben. Auf geht's gen Abgrund. Und wenn wir da sind, einfach einen Schritt weiter gehen. Keine Generation vor uns ist mit so vielen Freiheiten groß geworden. Für meine Generation geht es seit der Geburt vor allem in eine Richtung, bergauf. Mit so vielen Möglichkeiten: Reisen, Bildung, Kommunikation, Freiheit, Frieden.
Wir konnten uns vor allem mit einem Thema gut beschäftigen, uns selbst. Studieren bis zum Umfallen, Reisen, Sabbatical-Jahr vor dem Arbeitsleben, Sprachaufenthalt in Südostasien. Peinlich dokumentiert auf Instagram. Und dann kam auf einmal der Tag, an dem auch wir erwachsen wurden. Für viele etwas plötzlich, findet mein Freund Boris:
"Naja, das ist halt total spannend, das, natürlich. Also in meiner Generation oder zumindest in meinen Kreisen, in meinem Milieu, Freundeskreis, da haben halt die wenigsten viele Arbeitsjahre auf dem Buckel. Die sind dann ähnlich alt wie ich. Und haben deutlich weniger gearbeitet. Weil, weiß nicht, sie immer studiert haben. Irgendwie dann nur so Nebenjobs hatten. So und dann nicht eingesehen haben einzuzahlen."

Das Hier und Jetzt ist aufwendig genug

Heute leben viele von uns dichtgedrängt in den Metropolen. Das Geld von Mama und Papa, der Studienkredit und der Bar-Job sind schon seit ein paar Jahren Geschichte. Wir müssen auf eigenen Beinen stehen. Schlagen uns herum mit horrenden Mieten, Kurzzeitarbeitsverträgen und langen Kita-Aufnahme-Castings für unsere kleinen Luises und Milans.
Eben noch waren wir Weltmeister im Shots trinken. Jetzt träumen wir von Sicherheit, Eigenheim und einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als Beamter. Rente? Puh. Das passt nicht, das geht nicht, das schaffen wir nicht. Das Hier und Jetzt ist aufwendig genug. Doch an Träumen mangelt es uns nicht. Auch nicht für das Alter.
"Ich glaube, ich habe da eine ziemlich romantische Vorstellung. Also, ich möchte schon gut leben, aber schon auch anders leben. Also gesünder und vielleicht auch nicht in einer Großstadt oder so. Aber ich bin mir auch nicht ganz sicher. Vielleicht will ich auch noch Meeresluft auch noch in der Nähe haben. Aber ich möchte auf jeden Fall den Standard eher halten."

Wir überspielen die Angst mit Träumen und Hoffnungen

Angst. Sie dröhnt auch durch meine Generation. Altersarmut gehört zu den Dingen, vor denen die Deutschen am meisten Angst haben. Wir überspielen die Angst mit Träumen und Hoffnungen. Auch Boris:
"Also, ich habe zum Beispiel eine Lebensversicherung. Das ist ja nicht wirklich eine Altersvorsorge. Das wäre eine Altersvorsorge für meine Liebsten. Wenn ich jetzt sofort sterbe, dann kriegen die Geld. Aber wenn ich warte, bis die ausläuft, dann kriege ich genau das, was ich eingezahlt habe. Vielleicht sogar weniger, ich weiß es nicht."

Ich weiß es auch nicht. Aber ich kenne einen, der es vielleicht wissen könnte. Mein Freund Torben. Wir kennen uns noch aus Ausbildungszeiten. Er ist einer von denen, die richtig Karriere gemacht haben. Was er anfasst, wird zu Gold. Erfolgreicher Werber. Erfolgreicher Hobbymusiker. Leitet eine Werbeagenturagentur in Manhattan, New York. Zwei Kinder. Ich frage ihn auf Skype:
"Hast Du Dir schon mal über die Rente Gedanken gemacht?"
"Ich habe mir sehr früh Gedanken über die Rente gemacht. Ich glaube, ich war 14 oder 15 und habe damals über meinen Vater so eine private Rente abgeschlossen. Die erst mein Vater gezahlt hat, und sein Deal war: Du gehst studieren, du gehst erstmal was Vernünftiges lernen und irgendwann musst du deine Rente mal übernehmen. Von deinem ersten eigenem Gehalt übernimmst du dann auch deine Rente. Und ich habe mit dann so ein Ding unterschrieben und das dann irgendwann selber gemacht."

Der ultimative Rentenvorsorgekatalog

Geld haben ist das eine. Damit umgehen können ist eine Tugend. Gerade wenn es um die Rente geht. Torben hat einen ganzen Vorsorgekatalog aufzufahren.
"Ich habe damals was ganz Simples gemacht und habe gesagt, ich habe monatlich so viele Kosten von... X-Euro brauche ich jeden Monat. Und wenn ich jetzt 67 bin, wie viel brauche ich dann? Irgendwie so viel wie heute, habe ich gedacht. Dann gehe ich noch ins Kino und ins Theater und in Puff. Und bisschen Geld muss ja dann dafür da sein."
"Machst Du auch was für deine Kinder?"
"Ich habe zwei Kinder und ich habe für beide auch schon so ein Ding abgeschlossen mit der Geburt. Da zahlen wir jetzt monatlich so ein bisschen Kleingeld rein. Und wenn die 18 sind, dann dürfen sie darüber verfügen. Aber wenn wir denen ordentlich Angst machen vor der Rente, bis dahin werden die damit genauso umgehen wie ich damals."

Aufregung pur! Das erste Rentenberatungsgespräch

Wo fängt man an, sich um seine Rente zu kümmern? Ich überwinde mich, greife zum Telefonhörer und wähle die Nummer meiner Bank. Ich neige dazu, deren Anrufe nicht entgegen zu nehmen. Nehmen Sie sich mindestens anderthalb Stunden Zeit, sagt meine Beraterin am Telefon. Meine erste Rentenberatung im Leben. Ich bin fast aufgeregt. Erleichtert, einen Anfang gemacht zu haben. Anja Schlüter, meine Beraterin bei der Commerzbank, klärt mich auf:
"Wir haben hier jetzt Ihre aktuelle Situation im Überblick. Also ich hätte jetzt gesagt, im Durchschnitt 2400 Brutto im Monat. Wenn ich die Steuern entsprechend abziehe, bleibe ich so bei 1900 im Monat."
Ich: "Das ist sehr optimistisch. Ich würde eher realistisch sagen, weil es schwankt, von meinem Gefühl würde ich eher sagen, 1700."
Ausbildung. Studium. Praktika. Selbstständig. Seit drei Jahren. Ich werde voraussichtlich in diesem Jahr 28.000 Euro Brutto verdienen. Rekordjahr. Meine Fixkosten: 1000 Euro.
Mein Anteil Miete 400 Euro. Strom 40 Euro, Gas 110 Euro, Studienkredit monatlich 300 Euro, Krankenversicherung rund 400 Euro, Carsharing im Schnitt 150 Euro.
Auf einem Haufen von Datenblättern liegen ein Taschenrechner und ein Kugelschreiber
Für den Durchblick bei der Rente ist rechnen gefragt.© ©istock/Pali Rao
Anja Schlüter: "Sie sind selbstständig. In einer Partnerschaft. Mit einem Kind. Eine kleine Familie. Ansonsten steht gegebenenfalls mal der Erwerb von einer Eigentumswohnung an. Haushaltsüberschuss round about 250 Euro zur Verfügung."
Damit habe ich nicht gerechnet. Ich habe tatsächlich einen Haushaltsüberschuss. Es fühlt sich häufig anders an. Auf dem Monitor von Frau Schlüter bauen sich bunte Diagramme auf.
"Wenn man auch nur eine Drei-Prozent-Kapitalanlage zugrunde legt, müssen Sie lediglich 228 Euro zur Seite packen entsprechend bei drei Prozent Rendite, um auf eine monatliche Rente von 1000 Euro zu kommen."

Sind 1500 Euro Rente zu viel verlangt?

1000 Euro Rente. 250 Euro Haushaltsüberschuss. Real würde ihre Rechnung für meine Situation bedeuten: Jeglicher Spielraum, die Familie mal zum Essen einzuladen oder an die Anschaffung eines eigenen Autos zu denken – weg. Oder vielleicht sogar mal in den Urlaub fahren – geht nicht. Sind 1500 Euro Rente zu viel verlangt?
Der demografische Wandel. Dieser Verfluchte. Immer weniger Einzahler müssen immer mehr Rentner versorgen. Die zu erwartenden Renten schrumpfen. Also heißt es aufstocken. Am Kapitalmarkt.
Leichter gesagt als getan. Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins erstmals auf null Prozent gesenkt. Null Prozent. Nix gibt es mehr. Der Positivzins seit der Entscheidung Mario Draghis für den Sparer quasi abgeschafft. Dazu kam, dass Banken, die Geld horten wollen, mit Negativzinsen bestraft werden. Also für das Horten von Geld Geld zahlen müssen. Somit wurden sie gezwungen, ihr Heu auf den Markt zu werfen. Die Investitionen sollten so angekurbelt werden. Um zum Beispiel Infrastrukturprojekte leichter zu finanzieren. Kredite für Immobilien sind zurzeit so niedrig wie lange nicht.

Gute Zinserträge nur mit Risiko

Die Kehrseite: Sparbücher, Tagesgeldkontos, Lebensversicherungen, früher klassische Altervorsorgeprodukte, werfen keine Zinsen mehr ab. Den Preis zahlen wir alle. Mit dem Verschwinden einer finanziell sicheren Zukunft. So wie wir sie noch von unseren Eltern kennen. 35 Jahre arbeiten, einzahlen in die gesetzliche Rentenkasse, mit 63 beziehungsweise 65 aufhören, um sich dann um die Geranien und die Enkelkinder zu kümmern. Dabei eine ordentliche Rente, Schaukelstuhl. Sense.
Um heute die Chancen auf ähnliche Renditen wie früher zu bekommen muss risikoreich angelegt werden. Die Banken ködern mit vermeintlich hohen Zinsen. Auf dem Bildschirm von meiner Bankberaterin Anja Schlüter prangt plötzlich eine Sechs-Prozent-Rendite. Sie stockt.
"Ähm, da gibt es unterschiedliche ja Anlageformen."
"Können Sie die sechs Prozent garantieren?"
"Die sechs Prozent, machen wir uns nichts vor, die können wir nur erzielen, also, die kriegen wir nicht auf einem klassischen Sparbuch hin. Sondern da kommen Risiken mit dazu. Sprich, wir müssen ein Stück weit auch in Wertpapiere investieren. Aber auch da gibt es eben diese fondsgebundenen Altersvorsorgen. Und auch da gibt es Produkte, die durchaus eine Zahlungsgarantie mit eingebaut haben."

Anlagetyp? Ich bin eher Geldverleber

Was für ein Anlagetyp sind Sie? Eine Frage, die ich in dem Gespräch häufiger gestellt bekomme. Ich will immer sagen, gar kein Anlagetyp. Eher so der Geldverleber. Aber wenn, dann doch bitte ohne großes Risiko. Ich merke, wie auch mein Vertrauen in Banken sehr gelitten hat in den letzten Jahren. Stefan Zahm von der Allianz:
"Wenn ich sage, mir sind Garantien wichtiger, kann ich natürlich nicht davon ausgehen, dass selbst auch Allianz auf dem Markt derzeit sechs Prozent erwirtschaftet. Schaffen wir einfach nicht. Muss man ehrlich sagen. So wie es ist. Wird auch in nächster Zukunft nicht wahrscheinlich sein. Eher, dass wir da bei drei Prozent Nettoverzinsung für Kunden bleiben. Aber keine sechs Prozent erwirtschaften können."
"Dann ist das ja ein kleines bisschen Augenwischerei bei 228 Euro und den sechs Prozent."

Mit PEPP will die EU das Rentenproblem lösen

Der Ausstieg der Briten aus der Europäischen Union hat den Staatenbund in seine bisher schwerste Krise gebracht. Aber die Union lebt. Alle Mitgliedsstaaten haben ein Problem: die Alterspyramide. Immer weniger junge Menschen, immer mehr Rentner. Die EU muss sich etwas zum Thema Rente einfallen lassen. Ich fliege nach Brüssel. Dort stellte gerade die Europäische Kommission einen neuen Vorschlag für ein EU-weites Rentenprogramm vor. Vielleicht eine supranationale Lösung als Antwort auf ein drängendes Problem?
Vanessa Mock ist bei der europäischen Kommission Sprecherin für finanzielle Dienste und Steuern. Sie ist Britin, ehemalige Radiojournalistin und spricht Englisch, Deutsch, Französisch. Sie muss PEPP an die Medien verkaufen: Das Pan European Personal Pension Product.
"Es ist auf verschiedenen Ebenen ein großes Thema, glaube ich. Erstens auf einer sozialen Ebene, weil es in einigen Mitgliedsländern große Probleme gibt dadurch, dass es auch Altersarmut gibt. Es ist noch nicht aktuell genug in den Geistern, dass unsere Bevölkerung sehr schnell sehr alt wird. Und dass wir eigentlich vor diesem Fels stehen, wo wir für eine Person, die in Rente geht, nur zwei Arbeiter haben."
Der Vorschlag der EU ist wie immer komplex. Selbst in Brüssel verstehen nicht immer alle alles. Zu kompliziert sind die Gesetzgebungen und das Ineinandergreifen der sieben großen EU-Institutionen. Nichts ist einfach. Schon gar nicht, wenn es um 27 verschiedene Rentensysteme geht. Vanessa Mock versucht zu erklären:

"Es ist keine gesetzliche Rentenversicherung. Es ist eine Ergänzung zu der gesetzlichen Rentenversicherung. Es ist wirklich ein Produkt, das erste europaweite Produkt für die Altersvorsorge."

Das Ziel: eine EU-weite Altersvorsorge

Unser Arbeitsalltag wird immer mobiler. Fluch und Segen zugleich. Nicht wenige Menschen müssen und wollen über die Landesgrenzen hinweg arbeiten. Deutsche Arbeiten in UK an den Hochschulen als Dozenten. Spanier suchen in Deutschland Ausbildungsplätze. Portugiesen verdingen sich auf schwedischen Fischerbooten. Studenten ziehen kreuz und quer durch die Union. Ein Projekt in dem Land, ein Auftrag in dem anderen Land. Arbeitsalltag im globalen Dorf Europa. Und wir denken manchmal, dass wir unser Geld am Strand mit Laptop auf dem Schoß verdienen können. Schöner Traum. Meistens ist das Internetblogschwachsinn. Selbst wenn – ich muss auch mit Laptop an der Riviera in irgendeine Rentenkasse einzahlen. Vanessa Mock erklärt, was PEPP ausmacht:
"Was ganz neu ist, ist, dass es auch mitnahmefähig ist. Das heißt also, wir haben jetzt Studenten, Arbeitskräfte, die halt sehr mobil sind. Die alle überall ein bisschen in Europa arbeiten. Und zurzeit haben wir das Problem, dass es fast unmöglich ist, so eine Art von Pension oder Altersvorsorge dann mitzunehmen. Man müsste dann praktisch einen neuen Fonds eröffnen und dann sehr, vielleicht sehr hohe Kosten bezahlen, wenn man das dann irgendwie im eigenen Land haben möchte. Also, wenn ich jetzt 60, 65 oder auch 70 Jahre alt bin und ich möchte in Spanien alt werden, dann könnte ich meinen Fonds mitnehmen."
In Spanien alt werden. Hört sich gut an. Aber ich weiß immer noch nicht, wie ich dieses verlockend klingende Ziel erreichen kann. Und viele mit mir auch nicht. Vanessa Mock erklärt:
"Aktuell werden Vorsorgeprodukte in Europa in Höhe von 700 Millionen Euro verwaltet. Wir haben kalkuliert, dass bis 2030 der Wert auf 1,4 Milliarden Euro steigen wird. Mit PEPP, also mit sehr konkreten Modellen, werden es 2,1 Milliarden Euro sein. Bis 2030, halt weil es dieses Potenzial gibt. Und weil wir wissen, der Verbraucher, der Konsument wird auch diese Art Produkt brauchen."

Noch zu wenig Investitionen in PEPP

1,4 Milliarden Euro an privaten Vorsorgegeldern lagern in Rentenfonds. Europaweit. Hört sich viel an. Aber, so Vanessa Mock:
"Es ist eigentlich noch viel zu wenig. Und wir denken, das sollte noch viel höher sein. Aber das Problem ist, dass wir gesehen haben, dass zurzeit zum Beispiel noch viel zu wenig in diese Art von Fonds investiert wird. Im Durchschnitt ist es weniger als ein Drittel der Europäer, die zwischen 25 und 59 Jahre alt sind, die so eine Art von Pensionsfonds haben. Es sollte eigentlich fast 90 Prozent sein."
PEPP ist ein Siegel. Eine Anlageform, die in der ganzen EU angeboten werden soll. Ein Italiener soll es in seiner Bank bekommen wie ein Pole, wie ein Deutscher. Das Geld fließt nicht in einen EU-Spar-Topf, sondern wird national von der jeweilig kooperierenden Bank verwaltet.

Das Versprechen, das PEPP abgibt – es soll eine sichere Anlage sein. Dafür das Siegel "EU-Produkt". Die Spielregeln sollen klar abgesteckt sein. Auf der Suche nach so einem Produkt bin ich ja. Vanessa Mock erklärt die Unterschiede:
"Man kann zum Beispiel ein Produkt mit sehr hohem Risiko kaufen. Damit man zum Beispiel die Chance hätte, höhere Gewinne zu haben. Oder eins, wo praktisch eine Garantie ist. Man bekommt das Geld, was man gespart hat, wieder zurück."
Die Flaggen der Mitgliedsstaaten der EU sind zusammen mit der EU-Flagge auf einem Tisch im Europäischen Informationszentrum aufgestellt, fotografiert am 08.02.2017 in Erfurt (Thüringen). Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/ZB | Verwendung weltweit
Die Europäische Union will mit PEPP eine EU-weite Form für eine Rentenanlage schaffen.© dpa/Jens Kalaene

Rente – Zeit ist der entscheidende Faktor

Berlin. An der Friedrichstraße reihen sich die Verbände aneinander. Hinter dem Namen Verband verstecken sich Lobbyisten. Auch der Gesamtverband der deutschen Versicherer (GDV) hat hier sein Büro. Rente ist ein Kerngeschäft der Versicherer. Peter Schwark ist Geschäftsführer des GDV in Berlin.
"Zeit ist der entscheidende Faktor in der Alterssicherung. Wenn sie heute als 33-Jähriger eine Rente von 100 Euro versuchen anzusparen, dann müssen Sie jetzt im Monat 35 Euro ausgeben. Wenn Sie in fünf Jahren erst anfangen, kostet das schon 44 Euro. Und wenn Sie erst in 10 Jahren anfangen, kostet das 56 Euro. Das heißt, Zeit ist der entscheidende Faktor."
Er liefert eine einfache Rechnung. Endlich ein Leuchtturm im Dschungel der Rentenvorsorge.
"Auf jeden Fall macht es Sinn, als Selbstständiger 20 Prozent vom Einkommen vorzusorgen. Das sollte man sich schon vornehmen. Das muss nicht in den ersten Jahren der Selbstständigkeit sein. Wo man vielleicht einen kleinen Start hat. Aber die Dinge entwickeln sich ja auch. Und für denjenigen, der angestellt tätig ist, der schon mit dem Arbeitgeber zusammen 20 Prozent oder 18 Prozent in die gesetzliche Rente einzahlt, würde ich auch sagen, vier bis sechs Prozent vom Einkommen noch mal zurück zu legen, um den Lebensstandard im Alter zu halten."

Den Lebensstandard im Alter halten. Laut den Berechnungen meiner Bank ist das für mich und in meiner finanziellen Situation kaum möglich. Peter Schwark von der Versicherungsbranche rechnet etwas anders:
"Ich zahle im Alter ja auch weniger Steuern. Und natürlich muss ich im Alter keine Altersvorsorge mehr betreiben. Das führt dazu, dass ich nicht das volle Nettoeinkommen versichern muss. Ich muss nicht das gleiche Nettoeinkommen haben wie im Alter, um damit meinen Lebensstandard zu sichern. Sondern es reicht dann aus, vielleicht 70 Prozent davon anzustreben.

Riestern lohnt sich vor allem für Gutverdiener

Riester-Rente. Ein Projekt der Bundesregierung im Jahre 2001. Der Gegenplan zur schmelzenden umlagefinanzierten Rente, erdacht vom damalige Arbeitsminister Walter Riester. Eine Rentensparform, die sich von den Turbulenzen des Kapitalmarktes befreit, große Steuervorteile sichern soll – und Zulagen vom Staat sollten die lebenslange Rente sichern. 16 Millionen Deutsche haben bis heute einen Riestervertrag abgeschlossen. Doch die Regularien sind kompliziert, die Margen klein. Der Riestervertrag lohnt sich vor allem für Gutverdiener. Menschen mit mittlerem und kleinem Einkommen haben es schwer, mit Riesterverträgen nennenswert Geld anzusparen. Die Alternative: einen Kredit aufnehmen und ein Haus kaufen. Angeblich ja die Altersvorsorge schlechthin. Peter Schwark hat da Bedenken:

"Aber die meisten Leute werden nicht so viel Geld haben, dass das egal ist. Und die müssen dann gucken, wo sie ihr Kapital binden. Und ein Haus bindet möglicherweise zu viel Kapital und verursacht zu hohe Kosten, um im Durchschnitt der Bevölkerung eine gute Altersvorsorge zu sein. Das muss man dann zum Rentenbeginn möglicherweise verkaufen. Und da ist dann die Frage: Wie ist der Markt?"
"Damit die Rente nicht klein ist, wenn die Kinder groß sind" – so heißt es auf einem SPD Plakat. Oder "Gegen Rente ab 67" auf einem Plakat der Linken. Genaue Erklärungen, wie die Forderungen umgesetzt werden sollen, sucht man in den Wahlprogrammen vergeblich. CDU und Grüne sparen sich das Thema im Wahlkampf. Peter Schwark findet, das Thema Rente sollte nicht für einen kurzfristigen Wahlerfolg instrumentalisiert werden:
"Es gibt da ein Konzept der SPD, eines des DGB und noch mehr bietet die Linke. Wer soll das bezahlen? Das ist die zentrale Frage. Meines Erachtens ist es kein Thema, das auf dem Altar des Wahlkampfes geopfert werden soll."

Revival der betrieblichen Altersvorsorge

Die Altersvorsorge besteht aus drei Säulen: Gesetzlich. Betrieblich. Privat. Die betriebliche Altersvorsorge war lange Zeit recht unbeliebt. Man steckte das Geld lieber in andere, attraktiver erscheinende Anreize für Arbeitnehmer. Sie erlebt derzeit ein Revival. Klaus Stiefermann, Leiter der Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge, erklärt, warum.
"Wir kommen aus einer Welt bis Ende der 90er-Jahre, wo für 100 Euro eines alten Menschen 85 Euro von der gesetzlichen Rentenversicherung kamen, fünf Euro kamen über den Betrieb, 10 hat er privat vorgesorgt. Die Riesterreform damals, Anfang der 2000er Jahre ,will einen anderen Mix herstellen zwischen erster Säule, die ist umlagenfinanziert, da zahlen die Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein und das Geld, was dort reinfließt, wird dann gleich wieder verteilt an die aktuellen Rentner."
Probleme auf dem Arbeitsmarkt führen später zu Problemen bei der Altersvorsorge, erklärt Klaus Stiefermann.
"Wenn ich sicherstelle, dass ich meinen Marktwert erhalte, denn der ist wichtig. Dort, wo es Probleme mit der Altersversorgung gibt, geht es in aller Regel einher mit Problemen, die ich vorher hatte im Arbeitsmarkt. Wer ein niedriges Einkommen hat, kann nicht davon träumen, eine gigantische Rente zu haben. Das Zweite ist eben, sehr frühzeitig anfangen, in der zweiten und dritten Säule etwas zu tun. In beiden Fällen gilt das Prinzip von Zins und Zinseszins. Ist im Augenblick dann eben ärgerlich, wie wir gerade bei sicheren Kapitalanlagen niedrige Zinsen haben. Aber Zinsen wirken, und je eher ich sie einsetze, desto eher wirken sie."

Alle werden immer älter – ein Problem für das Rentensystem

Ein großes Problem beim Thema Rente ist nicht nur das Missverhältnis zwischen Alt und Jung, sondern auch die Lebenserwartung. Ich habe das "Rad des Lebens" vor mir liegen. Ein Marketingtool der Versicherungsbranche. Es will verdeutlichen, wie sich die Lebenserwartung statistisch entwickelt. Beängstigend. Gewollt. Ich drehe die Scheibe auf mein Alter. Die Prozentzahlen erscheinen.
Für einen Mann, 33 Jahre:
80 Jahre alt wird er zu 83,5 Prozent
90 Jahre zu 53,9 Prozent
100 Jahre zu 14,3 Prozent
Früher war klar, ein Mann bezieht nach dem Renteneintritt 14 Jahre die Rente, eine Frau im Schnitt 16 Jahre, bevor der Löffel abgegeben wird. Bessere medizinische Versorgung und bessere Lebensumstände. Lange Rentenzahlungen. Ein Problem. Klaus Stiefermann sieht ein generelles Umdenken beim Thema Rente auf uns alle zukommen.
"Ich glaube, das würde es auch manchen Menschen einfacher machen, über das Alter nachzudenken, wenn es nicht so ein völlig radikaler Schnitt ist. Heute noch 100 Prozent und morgen null Prozent. Das hat auch etwas zu tun mit Wertschätzung, Wertigkeit. Man muss außerdem sehen, wir werden immer älter. Das muss ich in irgendeiner Form berücksichtigen."
Vielleicht rüruppe ich jetzt? Basisrente. Hört sich gut an, oder? Kann ich jedes Jahr von der Steuer absetzen. Lebenslange Rente, mittleres Risiko. 100 Euro im Monat. In 37 Jahren bekomme ich damit 317 Euro.
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