Altkanzler Schröder als Podcaster

Tickt wie Merkel, spricht wie Trump

07:47 Minuten
Alt-Bundeskanzler Gerhard Schroeder steht zwischen jungen Birken.
Altkanzler Gerhard Schröder versucht sich jetzt als Podcaster © laif / Dominik Butzmann
Von Korbinian Frenzel |
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Wiederhören mit dem Altkanzler Schröder im Netz: Er sendet jetzt jede Woche seinen eigenen Podcast, 30 Minuten im Gespräch mit seinem früheren Regierungssprecher Béla Anda. Das ist spannender als befürchtet, meint unser Kritiker.
Man muss der gebeutelten Sozialdemokratie eins lassen: Ihren Kanzlern konnte man immer besser zuhören als denen der anderen. Brandts Prägnanz, die scharfe Rhetorik eines Helmut Schmidt – und schließlich der sonore Sound des Selbstbewusstseins, die immer leicht verschmitzte Breitbeinigkeit eines Gerhard Schröders.

Wer sie vermisst hat, hat ab sofort ein Gegenmittel. Der Altkanzler spricht wieder – in seinem eigenen Podcast. Jede Woche 30 Minuten im Gespräch mit seinem früheren Regierungssprecher Béla Anda. Kritische Fragen, man ahnt es bei dieser Versuchsanordnung, sollen nicht das erste Wesensmerkmal dieser Unterhaltung sein.

"Wenn ich das mal so sagen darf …"

Nein, Gerhard Schröder liefert auf Stichwort das, wofür man ihn mag – oder eben auch nicht. Ein Spiel der vermeintlichen Bescheidenheit, gerne eingeleitet mit Schröder-Klassikern wie "Im Übrigen …" oder auch "Wenn ich das mal so sagen darf …".

In seinem Podcast darf er. Und so verteilt der Kanzler a.D. in Folge 1 gleich mal einen halben Klassensatz Kopfnoten. Merkel? "Hat einen guten Job gemacht", sagt Schröder und schiebt gönnerhaft hinterher: "Warum sollte man das verschweigen?".

Die SPD-Minister Heil und Scholz ? Sowieso top. Wobei – Achtung, Tadel! – Scholz zulange mit der "schwarzen Null" geliebäugelt habe. Söder – sagt Schröder – mache das "ganz professionell".
Weniger nett klingt es, wenn es um die EU-Kommission geht ("Brüsseler Bürokraten"). Und noch weniger, wenn Schröder über den ukrainischen Botschafter spricht. Der hatte Schröder mal als "Top-Lobbyisten" des russischen Präsidenten Wladimir Putin bezeichnet. Schröder nennt ihn im Gegenzug "Zwerg".

Populismus in verträglichen Dosen

Um es gleich zu sagen: Wer diesen Podcast hört, wird keinen "neuen" Gerhard Schröder kennenlernen. Es ist vielmehr eine Wiederbegegnung, die allerdings spannender ist als befürchtet. Nicht so sehr, weil Schröder mit neuen, unerwarteten Gedanken und Vorschlägen aufwartet. Sondern weil er eine interessante Mischung verkörpert, die es auf der polarisierten politischen Bühne so gut wie gar nicht mehr gibt.

Schröder kann die ganze Klaviatur, auch die des Populismus – oder wie es Béla Anda äußerst freundlich formuliert: "Du hast ja immer ein seismografisches Gefühl gehabt für das, was die Leute bewegt."

Aber er verfällt nicht den Verlockungen, nur der Aufmerksamkeit wegen diese Register zu ziehen, etwa das Handeln der heute Regierenden anzugreifen. Kein schlechtes Wort über die Corona-Maßnahmen, kein Infragestellen der europäischen Solidarität. Er ist wie schon in der Flüchtlingskrise elder statesman.
Um es in ein Bild zu bringen: Schröder tickt rational und ausgewogen wie eine Angela Merkel, aber er spricht – wenn er will – wie Donald Trump.

"Gerhard Schröder – eine Agenda", ausgerechnet so haben der Altkanzler und Béla Anda das Podcast-Projekt betitelt. Das ist eine freundliche Frechheit an die Adresse aller Kritiker der Hartz-Reformen – und damit mindestens an die halbe SPD. Geschenkt.

Agenda? Das hatten wird doch schon mal

Problematisch ist der Titel in anderer Hinsicht. Agenda heißt, da macht einer ein politisches Programm. Und gleich zu Beginn gibt es von Béla Anda die verräterische Formulierung, es solle im Podcast darum gehen, was Schröder als Bundeskanzler in der Corona-Krise gemacht hätte…

Gut, wir alle wissen, wie dringend die SPD einen gescheiten Kanzlerkandidaten braucht. Aber Gerhard Schröders Zeit, eine politische Agenda aufzustellen, ist wirklich vorbei. Basta.
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