Milde Gabe oder Müllentsorgung?
Säckeweise schleppen viele Deutsche ihre alte Kleidung, Schuhe und Wäsche zu Sammelstellen wie der des Roten Kreuzes. Viele der Spenden sind allerdings in so schlechtem Zustand, dass sie unbrauchbar sind. Warum wird so etwas trotzdem gespendet?
Menschen schleppen blaue Kleidersäcke zu den Sammelstellen. In jeder Hand einen. Voll gefüllt mit Pullovern und Hemden, mit Unterwäsche und Hosen. Freudige Stimmung bei den Spendern. Skeptische Blicke bei den Helfern des Bayerischen Roten Kreuzes:
"Nee, das kann man nicht mehr verwenden, also das ist getragene Unterwäsche, das ist nicht gewaschen. Sportklamotten, Handschuhe, alles durcheinander, mit Hundehaaren drauf."
Hannah Hutschenreiter vom Bayerischen Roten Kreuz sieht die spendenwilligen Menschen eigentlich mit großer Begeisterung. Aber:
"Also, da gibt es sowohl die große Freude, wie auch die große Verzweiflung. Wenn man sich vorstellt, dass viele Leute die Kleidercontainer nutzen... dann können sie so einen ganzen Container wegschmeißen, was natürlich bitter ist."
"Die Spenden haben uns regelrecht erschlagen"
Immer häufiger können die Wohlfahrtsverbände wie das Rote Kreuz die Mengen an Spenden nicht mehr bewältigen. Da kämen die Menschen, machten sich die Mühe mit den blauen Säcken und dann könne man das meiste nicht brauchen, seufzt eine Helferin:
"Ich habe nicht mit so einer Resonanz gerechnet. Die Spenden haben uns regelrecht erschlagen, aber jetzt sehen wir ein Licht am Ende des Tunnels."
"Das ist für die syrischen Kinder und für die irakischen Kinder, für die Flüchtlingskinder, damit sie im Winter nicht frieren."
Stundenlang hat diese Frau zu Hause gestrickt, für die Flüchtlingskinder. Sich extra Gedanken gemacht und die Wolle gekauft. Ob das die Kinder überhaupt anziehen werden?
"Das ist auf jeden Fall ein Stück Unsterblichkeit. Man möchte so eine Art Transzendenz erschaffen. Also das ist auch ein Angstpuffer vor dem eigenen Tod", ...
...meint die Sozialpsychologin Daniela Niesta Kayser von der Universität Potsdam. Etwas selbst zu stricken, das sei einfach altruistisch, uneigennützig einfach nur helfen wollen. Auch wenn der andere das vielleicht nicht möchte?
Sozialpsychologen unterscheiden zwei Formen des Spendens. Die altruistische. Und der gesellschaftliche Zwang:
"Wo man sozusagen zeigt, man ist großzügig und man erhofft sich dann auch eine Anerkennung von den anderen und das man dann ein Gefühl des Sich-gut-Fühlens vermittelt. Wir leben eben in einer Gesellschaft, in der wir nach Normen leben und indem man die Normen bestätigt, findet man sich besser wieder innerhalb der Gesellschaft."
Geben ist seliger denn nehmen - da ist was dran
Kürzlich in Fürstenfeldbruck, als zahlreiche afrikanische Flüchtlinge nur mit Sandalen im Kalten standen - ein Hilfeaufruf und zwei Container Schuhe waren in kürzester Zeit beieinander. Nur waren es zu viele und man müsse sie ja auch nach Größen sortieren, sagt Hutschenreuter:
"Also man hat wegen dieser Sondergeschichte ein Schule aufgemacht und jetzt ist diese Schule voll angefüllt mit den Spenden und muss jetzt umziehen, um überhaupt das ganze vernünftig sichten zu können... was man brauchen kann und was nicht."
Ist es ein Aufdrängen der gebrauchten Kleidung, die sowieso im Müll gelandet wäre? Eine Art Ablasshandel, weil es einem gut geht? Oder ist es ein überlegtes Spenden von Sachen, von denen man sich vielleicht nur schwer trennt? Eine Art Opfergabe, um von dem Reichtum abzugeben, für den man dankbar ist?
Es sei sehr schwer, zwischen dem guten Willen der Menschen und ihren Drang, Überflüssiges wegzugeben zu unterscheiden. Man stehe da zwischen allen Stühlen, bedauert Christoph Frey Geschäftsführer der Arbeiter Wohlfahrt München-Stadt. Eine Spende, ob es die Schuhe oder das Selbstgestrickte sei, lehne er grundsätzlich nicht ab. Es gehe oftmals ja gar nicht darum. Geben ist seliger wie nehmen, da sei schon etwas dran:
"Ich will da niemandem moralisch bewerten oder zu nahe treten und wir nehmen da auch die Spenden an, wenn jemand in die Einrichtung kommt, auch wenn der 27. Kuchen für 25 Menschen reinkommt, sondern es geht ja nicht um den Kuchen, sondern um das Zeichen... und das allein ist für mich schon eine ganze Menge wert."