Altmaier wirbt für Strompreisbremse
Am zweiten Jahrestag der Natur- und Atomkatastrophe von Fukushima hat Bundesumweltminister Peter Altmaier dafür geworben, die Energiewende über alle Parteigrenzen hinweg zu gestalten. Es gehe nicht um tagespolitische Auseinandersetzungen, sondern um ein gesellschaftliches Projekt.
Ute Welty: Menschenketten, Straßentheater, simulierte Katastrophenschutzübungen – der zweite Jahrestag des Super-GAUs in Fukushima bringt die Menschen erneut auf die Straße. Die Anti-AKW-Bewegung erlebt eine Renaissance, und Deutschland hat sich eine Mammut-Aufgabe gestellt, nämlich die Energiewende zu schaffen. Bis 2022 soll der Ausstieg aus der Atomkraft vollbracht sein. Und dafür verantwortlich zeichnet Umweltminister Peter Altmaier. Guten Morgen!
Peter Altmaier: Guten Morgen!
Welty: Werden Sie manchmal wach mit dem Gedanken, das ist nicht zu schaffen und das wir vielleicht auch unter dem Einfluss der Ereignisse von vor zwei Jahren vorschnell und verängstigt gedacht haben?
Altmaier: Ganz ehrlich gesagt, nein. Ich glaube schon seit Anfang an, dass der Ausstieg aus der Kernenergie zu bewältigen ist ¬– er wird nicht einfach sein, aber wir können das schaffen, denn der Atomstrom hat in Deutschland niemals eine so große Rolle gespielt wie zum Beispiel in Frankreich. Wir müssen etwa ein Viertel unserer Stromerzeugung ersetzen durch andere Stromquellen. Das, glaube ich, ist zu schaffen. Was mir allerdings Sorgen macht und wo ich dann schon darüber nachdenke, ist: Wir wollen ja vermeiden, dass es dann durch Kohle- und Gaskraftwerke ersetzt wird, wir wollen unsere Klimaziele erreichen. Und deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Erneuerbaren Energien bezahlbar ausgebaut werden und an die Stelle der Kernkraft treten.
Welty: Die Menschen erleben eben vor allem, dass ihre Stromrechnungen steigen durch die Energiewende. Kann man denn damit überhaupt noch einen Blumentopf respektive die Bundestagswahl gewinnen?
Altmaier: Mir geht es bei diesem Thema nicht um Wahlkämpfe, denn wir reden über eine Herausforderung für die nächsten 30 Jahre. Allerdings nehme ich die Sorgen der Menschen sehr ernst. Ich habe mit vielen Bürgerinnen und Bürgern gesprochen, auch mit mittelständischen Unternehmern, mit Handwerkern, die mich gefragt haben, ja, wie weit steigen die Strompreise denn noch? Können Sie mir sagen, wann irgendwo auch mal eine Grenze erreicht sein wird – und das war der Grund für mich, zu sagen, wir brauchen eine Strompreisbremse, wir brauchen Verlässlichkeit bei der Entwicklung der Strompreise. Das geht aber nur, wenn die Energiewende insgesamt günstiger verläuft, wenn sie besser koordiniert wird. Und wenn wir auch den Mut haben, sie marktwirtschaftlich zu organisieren.
Welty: Ihre Strompreisbremse würde, wenn überhaupt, erst im nächsten Jahr greifen, und am Ende wird Geld in der Kasse der Energiewende fehlen. Wie wollen Sie gegenfinanzieren?
Altmaier: Nun, die Strompreisbremse soll so greifen, dass die nächsten absehbaren Erhöhungen, die drohen, nicht stattfinden, soweit es sich um die Energiewende handelt jedenfalls. Dazu brauchen wir Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Ich bin im engen Gespräch auch mit den Ländern von SPD und Grünen.
Das Zweite ist, wir werden dann dafür sorgen, dass auch diejenigen stärker an der Energiewende beteiligt werden, die bisher im Wesentlichen von den Kosten ausgenommen waren. Dazu gehören zum Beispiel energieintensive Unternehmen. Es ist richtig, diese Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten und zu schützen – ich habe trotzdem vorgeschlagen, dass sie einen moderaten Beitrag erbringen. Wir reden auch über andere Möglichkeiten der Einnahmeverbesserung für die Energiewende.
Es geht also nicht in erster Linie um Kürzen. Aber auch der Neuausbau von Windrädern und Biogasanlagen, der muss preiswerter werden als bisher, weil es ansonsten gar nicht zu verhindern ist, dass es Auswirkungen auf die Strompreise gibt. Und deshalb – wir haben gesehen bei den Photovoltaikanlagen auf den Dächern, die können preiswerter werden, die sind preiswerter geworden, und eine ähnliche Entwicklung brauchen wir auch in anderen Bereichen.
Welty: Sie sprachen gerade davon, dass die Einnahmesituation für die Energiewende verbessert werden soll – wer muss denn dann tiefer in die Tasche greifen? Denn von alleine wachsen Einnahmen ja in den seltensten Fällen.
Altmaier: Nein, wir haben im Augenblick das Problem, dass wir rund 18 Prozent des deutschen Stromverbrauchs ausgenommen haben von den Lasten der Energiewende, jedenfalls von den Volllasten der Energiewende, das sind im Wesentlichen energieintensive Unternehmen, das sind aber auch Unternehmen, die ihren eigenen Strom selbst produzieren. Und wir haben nun gesagt, wenn es eine Gemeinschaftsaufgabe ist für die nächsten Jahrzehnte, dann müssen auch alle einen angemessenen Beitrag leisten.
Und deshalb muss man hinterfragen, ob es zum Beispiel richtig ist, dass wir Bereiche wie die Braunkohle weiterhin von diesen Kosten der Energiewende ausnehmen. Wir müssen hinterfragen, ob es richtig ist, dass mit dieser Begründung im Schienenverkehr Subventionen gezahlt werden, denn der steht nicht im internationalen Wettbewerb. Wir müssen hinterfragen, ob es nicht möglich wäre, dass diejenigen Unternehmen, die sehr viel Strom verbrauchen, auch ein klein wenig mehr zur Solidarität beitragen. Das alles wird diskutiert, und ich denke, dass wir da auch zu Ergebnissen kommen.
Welty: In zehn Tagen treffen sich Bund und Länder erneut, um über die Energiewende zu sprechen. Auf der anderen Seite: letzte Woche der sogenannte Energiegipfel im Kanzleramt hinterließ mehr Fragen als Antworten. Was kann in zehn Tagen zu schaffen sein, was bislang noch nicht erreicht wurde?
Altmaier: Die Energiewende wird ja nur funktionieren, wenn sie nachhaltig ist, das heißt, wir können gar nicht erwarten, dass alle Probleme innerhalb von 14 Tagen gelöst werden. Es geht um ein Projekt für 30 Jahre. Aber, was wir schaffen können, ist, Planungssicherheit und Berechenbarkeit für die nächsten zwölf bis zwanzig Monate. Darüber haben wir gesprochen mit Bund und Ländern in Arbeitsgruppen, darüber reden die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin. Und wenn wir uns dort einig werden über die Grundlinien der Strompreisbremse, dann kann die noch Gesetz werden vor der Bundestagswahl.
Die grundlegende Reform, die wir brauchen, die sollten wir außerhalb des Wahlkampfes in Ruhe erörtern, und das hätte dann den großen Vorteil, dass diese Reform am Ende dann auch vielleicht von allen Parteien mitgetragen wird.
Welty: Also spielt die Bundestagswahl doch eine Rolle. Aber heute dagegen stellen Sie sich erst mal den Fragen von Schülern. Sie eröffnen nämlich die Aktion "Schulen zeigen Flagge für die Energiewende". Was versprechen Sie sich davon?
Altmaier: Nun, ich bin fest davon überzeugt, dass die Energiewende am Ende nur gelingen wird, wenn sie auch zu einem gesellschaftlichen Projekt wird. Sie ist ein Projekt für Techniker, sie ist ein Projekt für Politiker und Finanzleute, aber sie ist vor allen Dingen ein gesellschaftliches Projekt, das jeden angeht.
Und wenn wir es schaffen, die jungen Menschen in der Schule für die Energiewende zu begeistern, ihnen zu vermitteln, dass es um ihre eigene Zukunft geht, dann haben wir auch eine Chance, dass die Energiewende an Breite gewinnt und dass sie dann für die Zukunft auch tatsächlich zum Erfolg kommt.
Welty: Unterwegs in Sachen Energiewende, Bundesumweltminister Peter Altmeier. Ich danke für Ihre Zeit und für das Gespräch!
Altmaier: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Peter Altmaier: Guten Morgen!
Welty: Werden Sie manchmal wach mit dem Gedanken, das ist nicht zu schaffen und das wir vielleicht auch unter dem Einfluss der Ereignisse von vor zwei Jahren vorschnell und verängstigt gedacht haben?
Altmaier: Ganz ehrlich gesagt, nein. Ich glaube schon seit Anfang an, dass der Ausstieg aus der Kernenergie zu bewältigen ist ¬– er wird nicht einfach sein, aber wir können das schaffen, denn der Atomstrom hat in Deutschland niemals eine so große Rolle gespielt wie zum Beispiel in Frankreich. Wir müssen etwa ein Viertel unserer Stromerzeugung ersetzen durch andere Stromquellen. Das, glaube ich, ist zu schaffen. Was mir allerdings Sorgen macht und wo ich dann schon darüber nachdenke, ist: Wir wollen ja vermeiden, dass es dann durch Kohle- und Gaskraftwerke ersetzt wird, wir wollen unsere Klimaziele erreichen. Und deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Erneuerbaren Energien bezahlbar ausgebaut werden und an die Stelle der Kernkraft treten.
Welty: Die Menschen erleben eben vor allem, dass ihre Stromrechnungen steigen durch die Energiewende. Kann man denn damit überhaupt noch einen Blumentopf respektive die Bundestagswahl gewinnen?
Altmaier: Mir geht es bei diesem Thema nicht um Wahlkämpfe, denn wir reden über eine Herausforderung für die nächsten 30 Jahre. Allerdings nehme ich die Sorgen der Menschen sehr ernst. Ich habe mit vielen Bürgerinnen und Bürgern gesprochen, auch mit mittelständischen Unternehmern, mit Handwerkern, die mich gefragt haben, ja, wie weit steigen die Strompreise denn noch? Können Sie mir sagen, wann irgendwo auch mal eine Grenze erreicht sein wird – und das war der Grund für mich, zu sagen, wir brauchen eine Strompreisbremse, wir brauchen Verlässlichkeit bei der Entwicklung der Strompreise. Das geht aber nur, wenn die Energiewende insgesamt günstiger verläuft, wenn sie besser koordiniert wird. Und wenn wir auch den Mut haben, sie marktwirtschaftlich zu organisieren.
Welty: Ihre Strompreisbremse würde, wenn überhaupt, erst im nächsten Jahr greifen, und am Ende wird Geld in der Kasse der Energiewende fehlen. Wie wollen Sie gegenfinanzieren?
Altmaier: Nun, die Strompreisbremse soll so greifen, dass die nächsten absehbaren Erhöhungen, die drohen, nicht stattfinden, soweit es sich um die Energiewende handelt jedenfalls. Dazu brauchen wir Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Ich bin im engen Gespräch auch mit den Ländern von SPD und Grünen.
Das Zweite ist, wir werden dann dafür sorgen, dass auch diejenigen stärker an der Energiewende beteiligt werden, die bisher im Wesentlichen von den Kosten ausgenommen waren. Dazu gehören zum Beispiel energieintensive Unternehmen. Es ist richtig, diese Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten und zu schützen – ich habe trotzdem vorgeschlagen, dass sie einen moderaten Beitrag erbringen. Wir reden auch über andere Möglichkeiten der Einnahmeverbesserung für die Energiewende.
Es geht also nicht in erster Linie um Kürzen. Aber auch der Neuausbau von Windrädern und Biogasanlagen, der muss preiswerter werden als bisher, weil es ansonsten gar nicht zu verhindern ist, dass es Auswirkungen auf die Strompreise gibt. Und deshalb – wir haben gesehen bei den Photovoltaikanlagen auf den Dächern, die können preiswerter werden, die sind preiswerter geworden, und eine ähnliche Entwicklung brauchen wir auch in anderen Bereichen.
Welty: Sie sprachen gerade davon, dass die Einnahmesituation für die Energiewende verbessert werden soll – wer muss denn dann tiefer in die Tasche greifen? Denn von alleine wachsen Einnahmen ja in den seltensten Fällen.
Altmaier: Nein, wir haben im Augenblick das Problem, dass wir rund 18 Prozent des deutschen Stromverbrauchs ausgenommen haben von den Lasten der Energiewende, jedenfalls von den Volllasten der Energiewende, das sind im Wesentlichen energieintensive Unternehmen, das sind aber auch Unternehmen, die ihren eigenen Strom selbst produzieren. Und wir haben nun gesagt, wenn es eine Gemeinschaftsaufgabe ist für die nächsten Jahrzehnte, dann müssen auch alle einen angemessenen Beitrag leisten.
Und deshalb muss man hinterfragen, ob es zum Beispiel richtig ist, dass wir Bereiche wie die Braunkohle weiterhin von diesen Kosten der Energiewende ausnehmen. Wir müssen hinterfragen, ob es richtig ist, dass mit dieser Begründung im Schienenverkehr Subventionen gezahlt werden, denn der steht nicht im internationalen Wettbewerb. Wir müssen hinterfragen, ob es nicht möglich wäre, dass diejenigen Unternehmen, die sehr viel Strom verbrauchen, auch ein klein wenig mehr zur Solidarität beitragen. Das alles wird diskutiert, und ich denke, dass wir da auch zu Ergebnissen kommen.
Welty: In zehn Tagen treffen sich Bund und Länder erneut, um über die Energiewende zu sprechen. Auf der anderen Seite: letzte Woche der sogenannte Energiegipfel im Kanzleramt hinterließ mehr Fragen als Antworten. Was kann in zehn Tagen zu schaffen sein, was bislang noch nicht erreicht wurde?
Altmaier: Die Energiewende wird ja nur funktionieren, wenn sie nachhaltig ist, das heißt, wir können gar nicht erwarten, dass alle Probleme innerhalb von 14 Tagen gelöst werden. Es geht um ein Projekt für 30 Jahre. Aber, was wir schaffen können, ist, Planungssicherheit und Berechenbarkeit für die nächsten zwölf bis zwanzig Monate. Darüber haben wir gesprochen mit Bund und Ländern in Arbeitsgruppen, darüber reden die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin. Und wenn wir uns dort einig werden über die Grundlinien der Strompreisbremse, dann kann die noch Gesetz werden vor der Bundestagswahl.
Die grundlegende Reform, die wir brauchen, die sollten wir außerhalb des Wahlkampfes in Ruhe erörtern, und das hätte dann den großen Vorteil, dass diese Reform am Ende dann auch vielleicht von allen Parteien mitgetragen wird.
Welty: Also spielt die Bundestagswahl doch eine Rolle. Aber heute dagegen stellen Sie sich erst mal den Fragen von Schülern. Sie eröffnen nämlich die Aktion "Schulen zeigen Flagge für die Energiewende". Was versprechen Sie sich davon?
Altmaier: Nun, ich bin fest davon überzeugt, dass die Energiewende am Ende nur gelingen wird, wenn sie auch zu einem gesellschaftlichen Projekt wird. Sie ist ein Projekt für Techniker, sie ist ein Projekt für Politiker und Finanzleute, aber sie ist vor allen Dingen ein gesellschaftliches Projekt, das jeden angeht.
Und wenn wir es schaffen, die jungen Menschen in der Schule für die Energiewende zu begeistern, ihnen zu vermitteln, dass es um ihre eigene Zukunft geht, dann haben wir auch eine Chance, dass die Energiewende an Breite gewinnt und dass sie dann für die Zukunft auch tatsächlich zum Erfolg kommt.
Welty: Unterwegs in Sachen Energiewende, Bundesumweltminister Peter Altmeier. Ich danke für Ihre Zeit und für das Gespräch!
Altmaier: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.