Phosphorfunde an deutschen Stränden
Auch 70 Jahre nach Kriegsende liegen in der Ost- und Nordsee immer noch 1,5 Millionen Tonnen Altmunition. Der industriellen Nutzung im Meer sind sie im Weg. Unterwasserroboter forschen nach Granaten, Bomben und Minen - die teilweise metertief im Meeresboden schlummern.
Ruhige Fahrt auf dem Forschungsschiff "Elisabeth Mann Borgese" in der Lübecker Bucht. Letzte Vorbereitungen für den ersten Einsatz des autonomen Unterwasser-Roboters Seahorse werden getroffen. Das gelbe, gut fünf Meter lange Vehikel hängt an einem Kran und soll an der Seitenwand zu Wasser gelassen werden. Die Männer an Deck sind eingespielt, nur wenige Kommandos notwendig.
An Bord ist auch ein Wissenschaftsteam aus Ingenieuren, Akustikspezialisten und Informatikern. Seahorse soll den Meeresboden nach Munition absuchen.
Dr. Wolfgang Jans von der Wehrtechnischen Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen leitet den Einsatz.
"Sie werden Munition finden, die im Anschluss an den 2. Weltkrieg verklappt wurde, dazu ist Munition da, die im Rahmen von Kampfhandlungen ausgebracht wurde, sei es, dass man Minensperren errichtet hat, sei es, dass Munition über Bord gegangen ist, weggeworfen wurde. Es gibt viele Möglichkeiten."
Schätzungsweise 1,5 Millionen Tonnen Altmunition liegen seit über 70 Jahren in Nord- und Ostsee: Granaten, Bomben, Minen: konventionelle und chemische Kampfmittel. Ein großer Teil davon wurde nach Kriegsende im Meer verklappt. Aus den Augen aus dem Sinn – es gab andere Probleme.
Doch heute bereiten diese Altlasten insbesondere der Industrie große Sorgen: Seekabel für transatlantische Internetverbindungen oder Gas-Pipelines müssen sicher verlegt werden.
"Im Rahmen der Energiewende möchte man natürlich nicht Windparks errichten auf Gebieten, wo Munition liegt. Und man muss diese Windparks natürlich mit dem Land verbinden, das heißt man muss Kabel legen. Das sind industrielle Nutzungen für die sie Bereiche im Meer brauchen, die sauber sind von Munition."
Unterwasserroboter erforscht Meeresboden
Der Unterwasserroboter ist mittlerweile abgetaucht und erforscht das 700 mal 700 Meter große Testgebiet. Hier liegt an bekannten Stellen unscharfe Munition. Mittels Sonarortung per Schall, aber auch durch magnetische Untersuchungen sollen die Methoden für das Auffinden von Munition verbessert werden. Für Dinge, die aufdem Meeresboden liegen, gibt es spezielle Echolote, die erfolgreich funktionieren. Doch ein Großteil der Munition wurde im Laufe der Zeit mit Sedimenten zugespült und liegt teilweise metertief imMeeresboden.
Hochsensible Messdaten vom Meeresgrund und eine intelligente Software – damit hoffen die Wissenschaftler einmal unbekannte Meeresgebiete erfolgreich nach Munition absuchen zu können, zum Beispiel in einem zukünftigen Offshore-Windpark.
Doch was dann?
Lennard Bakkers arbeitet bei der Firma Boskalis-Hirdes, Spezialist für Meeresarbeiten aller Art, vom Nassbaggern bis Bergungsarbeiten.
Was mit gefundener Munition passiert, sagt er, hängt davon ab, ob sie sicher geborgen und an Land gebracht werden kann.
"Die sicher transportiert werden können, werden meistens an Bord genommen und dann an Land entsorgt bei Vernichtungsanlage und die nicht Transportierbaren müssen vor Ort gesprengt werden."
Technischer und finanzieller Aufwand enorm
Keine sehr gefährliche Sache, wie auch bei einer kontrollierten Sprengung an Land. Doch gibt es nicht Schäden für Meerestiere durch eine starke Druckwelle? Lennard Bakkers winkt ab.
"Ja es gibt Druckwellen, aber da sind Maßnahmen, meistens werden Blasenschleier drumherum gelegt und durch den Luftblasenschleier um die Sprengung wird eigentlich die Druckwelle nur nach oben stattfinden und nicht außerhalb des Blasenschleiers."
AUV Seahorse ist längst wieder aufgetaucht und an Deck gehievt worden. Seine magnetischen und akustischen Daten vom Testgebiet in der Lübecker Bucht sind längst in den Computer überspielt. Die Auswertung wird jedoch länger dauern als der vierstündige Tauchgang.
Dennoch: Es sind erst die Anfänge gemacht. Tausende Tonnen Munition am Meeresboden sind nicht von heute auf morgen aufzufinden und unschädlich zu machen. Der technische und finanzielle Aufwand ist enorm. Geeigneten Maßnahmen müssen daher politische Entscheidungen vorausgehen.
Was allerdings nicht passieren darf ist, die Dinge einfach in die Zukunft zu verlagern oder gar zu vergessen. Wolfgang Jans:
"Aus meiner persönlichen Wahrnehmung heraus ist es so, dass da ein Problem besteht, das in Teilen eine Gefährdung darstellt, der man sich widmen sollte, und es ist sicher auch, wenn man an die Belastung der Meere denkt, wünschenswert, diese zu minimieren. Inwieweit man das bei der Dimension dieses Problems kann, das ist ne zweite Frage."