Altstadt-Rekonstruktion in Frankfurt am Main

Von der umstrittenen Sanierung zur beliebten Kulturmeile

08:03 Minuten
Ein Platz in der neuen Altstadt in Frankfurt am Main - aufgrund der Verbreitung des Coronavirus sind viele Restaurants und Geschäfte geschlossen.
Ein Platz in der neuen Altstadt in Frankfurt am Main: Aufgrund der Coronapandemie sind viele Restaurants und Geschäfte geschlossen. © imago images / Hannelore Förster
Von Ludger Fittkau |
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Sie war heftig umstritten, die Rekonstruktion eines Teils der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Altstadt von Frankfurt am Main. Vor zwei Jahren wurde das Quartier zwischen Dom und Römer im Herzen der Stadt eröffnet. Inzwischen hat es Preise bekommen.
Der Glockenklang vom nahen Dom mischt sich mit den Stimmen der Menschen auf den Hühnermarkt in der rekonstruierten Altstadt von Frankfurt am Main. Die Tische der Außengastronomie auf dem zentralen Platz des vor zwei Jahren eröffneten Quartiers sind - mit Hygieneabstand – an diesem sonnigen Septembertag noch gut besetzt. Ein Südhesse bleibt mit seinem Freund aus Basel auf dem Hühnermarkt stehen:
"Wir haben jetzt hier Besuch aus der Schweiz, ja."
Obwohl der Freund aus Basel aus seiner Heimat viele schöne Stadtkulissen kennt, zeigt er sich von der rekonstruierten Frankfurter Altstadt durchaus beeindruckt:
"Sehr schön."
Diese Meinung teilen die meisten der Menschen, die durch das kleine Quartier zwischen Dom und Römer in Frankfurt am Main schlendern. Was überrascht und auch von den Verantwortlichen der Stadt zunächst nicht intendiert war: Die Altstadt-Rekonstruktion hat sich in den ersten beiden Jahren regelrecht zu einem Anziehungspunkt für Kulturinteressierte entwickelt.
Der Inhaber eines Modegeschäfts, der seinen Namen nicht nennen will, beobachtet, dass vor allem viele Besucherinnen und Besucher der Kunsthalle Schirn und anderer nahegelegener Museen das Quartier für sich entdeckt haben:
"Wo Ausstellungen sind, wo Vernissagen sind, da kommen auch die Leute." Und wirklich viele kämen von weit her, sagt er. "Nicht nur wegen der Frankfurter Altstadt, sondern auch explizit wegen dieser Ausstellungen."

Zahlreiche Museen und die Kulturothek

Neben der Kunsthalle Schirn liegen auch das wichtige Museum für Moderne Kunst sowie das Caricatura-Museum unmittelbar am neuen Quartier.
Blick auf einen Teil der neuen Altstadt und ein Gebäude mit der Aufschrift "Museum MMK" in Frankfurt am Main
Im Museumsviertel: ein Straßenzug in Frankfurts neuer Altstadt© Deutschlandradio / Ludger Fittkau
Dazu kommt der Neubau des historischen Museums der Stadt sowie direkt im Altstadtquartier selbst das Struwwelpeter-Museum. Außerdem ein kleines Museum zu Ehren von Friedrich Stoltze, dem Frankfurter Mundartautor, Satiriker und radikalen Demokraten des 19. Jahrhunderts.
Ein paar Meter weiter gibt es eine "Kulturothek". Die Frau, die ich im Ladenlokal antreffe, will ebenfalls ungenannt bleiben. Die Kulturothek Frankfurt sei Laden und gleichzeitig Veranstaltungsagentur, sagt sie. Der Laden führe Produkte, die in der Region hergestellt wurden. "Aber andererseits bieten wir eben auch Stadtbegehungen an, also rund um die neue Altstadt und auch zu anderen Schwerpunkten."

"Etablierung des Quartiers gelungen"

Matthias Leister ist ein wenig überrascht, dass sich die vor Baubeginn sehr umstrittene Altstadtrekonstruktion in den vergangenen zwei Jahren zu einem regelrechten Kulturquartier entwickelt hat. Der Bauingenieur war der Projektleiter des kommunalen Großprojektes.
"Die Altstadt hat so viele Faktoren und wir haben auch viel überlegt: Wie machen wir diese bei der Bevölkerung quasi bekannt - wie etablieren wir dieses Quartier? Ich glaube, das ist gelungen."
Die Museen seien "so ein bisschen mit entstanden". Zum Beispiel sei das Struwwelpeter-Museum erst in der Projektphase dazugekommen.
"Und ich glaube auch, das Caricatura- Museum - auch wenn es unter der Baustelle leiden musste - und auch die Schirn hat dadurch auch noch mal eine Aufwertung erfahren, was die Besucherströme angeht."

"Da ist eine Kulturmeile entstanden"

Ein schöner Nebeneffekt für Matthias Leister: Die Aufwertung der an die neue Altstadt angrenzenden Braubachstraße mit dem Haus des Buches des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels mittendrin. Am östlichen Rand der Altstadt steht hier das bedeutende Museum für Moderne Kunst, während die Paulskirche am westlichen Ende des Straßenabschnitts mit dem rekonstruieren Viertel liegt.
"Da ist eigentlich so eine Kulturmeile entstanden", sagt Leister. "Also, es war schon gedacht, die Altstadt mehr mit ihrer Umwelt als zweitem Schritt zu vernetzen. Wir werden auch den Domplatz noch machen, da haben wir angefangen, das ist auch beauftragt."
Die Braubachstraße in der neuen Frankfurter Altstadt mit dem Museum für Moderne Kunst. Am Eingang zur U-Bahnstation steht "In die Schirn gehen ist keine Kunst".
Aufgewertet durch die Altstadtsanierung: die Braubachstraße mit dem Museum für Moderne Kunst© Deutschlandradio / Ludger Fittkau
So soll sich die lebendige Altstadtstruktur in der Innenstadt buchstäblich breitmachen, wünscht sich Projektleiter Matthias Leister: mit neuer Straßengastronomie und zusätzlichen Kulturangeboten auf öffentlichen Plätzen, sowohl in Richtung der zentralen Einkaufsstraße Zeil im Norden als auch in Richtung Mainufer. Doch bei Außengastronomie gerät man immer wieder in Konflikt mit der Feuerwehr.
"Das war ja auch das Manko in der Altstadt, wenn man so will." Man habe sich damals bewusst dazu entschieden, die Parzellen in ihrer alten Struktur aufzubauen, so Leister. Jetzt brauche man für eine Genehmigung aber zwei Treppenhäuser als Fluchtweg und das auf kleinstem Raum.
"Deshalb ist der zweite Fluchtweg oftmals über ein anleiterbares Fenster realisiert worden, was dann wieder bedingt, dass ich normalerweise keine Außengastronomie machen kann. Und, wie so oft, will man aber alles."
Da sei man jetzt dran. "Ich glaube, man hat jetzt auch so einen Konsens mit der Feuerwehr, dass man doch mehr spielen kann. Leichtes Mobiliar ist das Stichwort. Und damit sollte es drin sein, dass ich alle Interessen so ein bisschen unter einen Hut bringe."

Die Läden im Rohzustand übernommen

Neben der aktuellen Corona-Krise waren die ersten Monate nach Eröffnung der "neuen Altstadt" für die Bewohner und Händler sowie für die Projektleitung die schwierigste Phase. Weil die Bauten nämlich im Rohbau übergeben wurden.
"Wir sind direkt im Juli 2018 direkt hier eingezogen"", sagt eine Händlerin. "Wir waren einer der ersten Läden, die geöffnet hatten."
Das sei nicht einfach gewesen am Anfang - eine Baustelle.
"Es war gewöhnungsbedürftig und sehr improvisiert, zumindest am Anfang. Aber es hat sich ja dann auch alles ganz gut eingependelt."
Projektleiter Matthias Leister sieht heute auch kritisch, dass man in der neuen Altstadt bauökologisch des Guten zu viel wollte. Dadurch seien sowohl die Handwerksgewerke als auch die ersten Nutzerinnen und Nutzer an die Grenzen des Machbaren getrieben worden, bilanziert der Bauingenieur nach zwei Jahren:
"Die Qualität ist hoch, aber man hat vielleicht zu viel versucht."
Er glaube, es hätte allen geholfen, wenn zum Beispiel die Fachwerkbauten nicht nach dem Passivhausstandard gebaut worden wären.
"Wir haben hier wirklich, was man nicht so sieht, sehr komplizierte Häuser gebaut. Da ist sehr viel auf kleinstem Raum realisiert worden, und die Häuser sind alle unterschiedlich. Und das macht es für den Betrieb nicht unbedingt einfach."

Wunsch nach mehr Sicherheit in der Nacht

Tagsüber läuft der Betrieb in der neuen Frankfurter Altstadt allerdings dennoch weitgehend reibungslos - auch in Coronazeiten. Ein bisschen anders sieht das aus Sicht einiger Händler in der Nacht aus.
"Ein ganz großes Manko, wenn ich das ansprechen darf, für die Altstadt ist die Überwachung", sagt ein Händler. "Die Altstadt ist sehr unsicher. Also, wenn Sie nachts durchlaufen, ist hier kein Mensch. Stellen Sie sich vor, Sie sind Geschäftsmann mit Geld, oder Sie sind eine Frau, wollen alleine irgendetwas trinken, dann ist das hier sehr, sehr unsicher."
Wachpersonal oder Videoüberwachung sehen die Händler als Option. Doch auch, wenn es sicherlich noch Verbesserungsmöglichkeiten im Detail gibt: Die "neue Frankfurter Altstadt" wird nach zwei Jahren von den allermeisten Gästen gut angenommen. Projektleiter Matthias Leister ist daher zufrieden.
"Es gab ja auch in der Fachwelt natürlich Gegenstimmen. Nun, über die Qualität würde ich sagen, haben wir einen großen Konsens erzielt. Weil jeder, der sagte, das ist zu viel Altstadt für die Rekonstruktion, zu wenig Neubau - oder auch umgekehrt, man einigte sich bei der Qualität."
Die Altstadt habe ja auch einige Preise gewonnen.
"Das ist durchaus berechtigt, weil wir haben wirklich viel Wert darauf gelegt."
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