Am liebsten unsigniert
Comics und Sprechblasen, Zeitungsillustrationen und große Rasterpunkte - der Stil des Pop-Artisten Roy Lichtenstein ist unverwechselbar. Nun stellt das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zum ersten Mal Plakate aus, die der 1997 gestorbene Künstler mit seiner typischen Handschrift versah. Über 70 Poster - vom ersten Ausstellungplakat der Leo Castelli Gallery 1962 über Arbeiten für das New Yorker Filmfest oder das Pariser Herbstfestival bis hin zu Werbung für Amnesty international - ermöglichen einen umfassenden Einblick in die überraschend vielfältige Bilderwelt des Roy Lichtenstein.
Die weißen Museumswände mit einem Raster leuchtend blauer Punkt überzogen, hängen in manchem Kabinett die Bilder gleich in Dreierreihen übereinander. Ein angemessener Auftritt, denn es geht um Pop Art, um den Pop-Artisten Roy Lichtenstein und vor allem um seine Plakate. Also um die bekannten Motive wie das lautmalerische "Crak!" neben einem Sturmgewehr, aus dessen Mündung eine rote Stichflamme züngelt. Oder die Freiheitsstatue mit Fackel, schräg von unten angeschnitten, in grellen Farben, mit grobem Streifenmuster hinterlegt. Aber eben nicht als Gemälde, nicht als Unikate, sondern in hoher Auflage als Plakate – oder eben "Poster", wie es Ende der Sechziger hieß. Denn darin lag der feine Unterschied zwischen dem Alten Europa und der Neuen Welt.
"Das die Pariser Künstler eine Generation älter waren: das waren Picasso, Miro, Chagall, die die großen Künstlerplakate der fünfziger und sechziger Jahre machten. Und in den USA war es die junge Generation der Pop-Art-Künstler."
Jürgen Döring betreut die Grafische Sammlung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, er kennt die Erfolgsstory des Roy Lichtenstein. Begonnen hat alles 1961, als der knapp 40-jährige Professor für Malerei seinem Faible für Comic-Motive folgte – und damit Anschluss fand an die künstlerischen Weggefährten Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg und vor allem Andy Warhol:
"Der Galerist Castelli hat ganz schnell gemerkt, dass es manche Bilder von Lichtenstein gab, die sehr gut ankamen. Das waren die mit den Blondinen, wo er kleine Szenen aus Comic-Romanen groß gezogen hat, einen Meter mal einen Meter fünfzig groß gemalt hat, wo dann diese Köpfe der Blondinen ganz, ganz plakativ herauskamen."
Es waren weniger diese Motive, der von Leo Castelli geschätzte "sex appeal", an dem sich die Leidenschaft eines deutschen Sammlers entzündete. Claus von der Osten interessierte sich auch für die Machart, für Roy Lichtensteins graphische Experimente, mit denen der New Yorker Künstler seine berühmten Rasterpunkte hinbekam – ein serielles Druckverfahren nicht nur malerisch nachahmte, sondern zugleich um einige Dimensionen vergrößerte.
"Ich bin als Kunsterzieher natürlich universell – und drucken fand ich mit am schönsten. Hier hängt sogar ein Plakat, was ich für eine Ausstellung in Hameln gedruckt habe, selber."
Damit fing es an: Das Plakat, das Poster als bezahlbare, leicht zu realisierende Möglichkeit, die eigentlichen Kunstwerke zu reproduzieren. Aber in mancher Hinsicht begann dieser Spross, das Künstlerplakat, seinen Ahnherrn, das Gemälde, zu überflügeln. Kurator Jürgen Döring:
"Das Plakat ist eine wunderbare Angelegenheit, weil es die großen Bereiche unseres Lebens, nämlich die Welt der Wirtschaft, des Alltags genauso drin hat wie die kulturelle Welt oder die politische Welt. Das haben Sie in anderen Kunstgattungen nicht. Künstlerplakate werben für politische Parteien oder gegen politische Parteien, sie können durchaus auch handfeste Produktwerbung sein – und natürlich haben Sie jede Menge Kultur darin. Es ist einfach eine sehr, sehr interessante Gattung."
Roy Lichtenstein selbst spielte humorvoll mit diesem Phänomen, von Anfang an: Selbst sein Galerist Leo Castelli soll laut aufgestöhnt haben, als er die überdimensionale Darstellungen einer Socke oder eines kompletten Badezimmers zum ersten Mal sah. Es waren ganz gewöhnliche, sozusagen kommerzielle Motive aus dem Anzeigenteil oder eben aus Comics, monumental zelebriert. Für Claus von der Osten nun kehrte sich dieses Verhältnis zwischen Kommerz und Kunst, Alltag und Ästhetik noch einmal um, als er mit dem Sammeln begann:
"Erst Postkarten, wenn man noch 15 ist. Aber dann kann man sich als Schüler leisten, sagen wir mal, für zehn Mark damals eine Lithographie zu kaufen. Also: man hat dann ein Original und man hat nicht irgendwie nur eine Abbildung. Das fand ich schon wichtig, denn alles andere kann ich mir ja nicht leisten."
Vor allem die Plakate in den USA waren selten zum Aushang bestimmt, denn gegen riesige billboards und TV-Spots wären sie kaum angekommen. Künstlerplakate zielten von vornherein auf Sammler, waren erschwingliche Graphik. Und wenn heute ein Gemälde von Roy Lichtenstein für 20 Millionen Euro versteigert wird, kostet ein Plakat allenfalls ein Tausendstel dieser Summe – und auch das ist die absolute Ausnahme:
"Ich bedaure immer, wenn das signiert ist. Ich habe da eines, das ist signiert – und hat dann 5000 gekostet. Das konnte ich gerade noch machen. Dahinter steckt natürlich der Wunsch, statt dann 100 Euro dafür zu erlösen: mit der Unterschrift würde man vielleicht 4000 kriegen. Aber im Moment ist das große Wunder, dass zum Beispiel Auktionshäuser sagen: es ist ja nicht zu fassen, es gibt kein unsigniertes Blatt mehr. Und die werden jetzt auch zurückgezogen die Blätter."
Schließlich handelt es sich um Gefälligkeitssignaturen, nicht um ein Künstlerzertifikat über limitierte Auflagen oder gar Unikate. Und vielleicht ist das auch der Grund für eine in diesem Falle ganz unkomplizierte, ebenso entspannte wie fruchtbare Zusammenarbeit von Sammler und Museum:
"Dieses Haus hat ja eine Tradition im Sammeln von Künstlerplakaten, vor 1900 schon, der ganze Jugendstil und Toulouse-Lautrec. Und deswegen muss das ja heute weitergehen. Und auf der anderen Seite ist ja kein Pfennig da um die kleinste Briefmarke zu kaufen. Es muss schon einer übernehmen, finde ich. Mach ich!"
Die erste umfassende Schau von Lichtenstein-Plakaten ist keine Premiere, kein Einzelfall, betont Kurator Jürgen Döring:
"Die Zusammenarbeit mit Claus von der Osten begann vor über zehn Jahren. Da haben wir einen großen Überblick zur Geschichte des Künstlerplakates gezeigt und haben seither sechs monographische Ausstellungen von Künstlern gemacht: Darunter Robert Rauschenberg und auch jüngere wie Martin Kippenberger. Und es war jeweils so eine wunderbare Sache, dass wir das, was wir ausgestellt haben, geschenkt bekamen."
Im Gegenzug wird die Mühe des Sammlers mit der Publikation eines Werkverzeichnisses bedacht. Und dieser Katalog ist wahrlich kein Ergebnis enzyklopädischer Fliegenbeinzählerei, sondern – bei aller kunsthistorischen Verlässlichkeit – auch Ausdruck des individuellen Sammlernaturells:
"Ich sammele ja alle Künstlerplakate, die es gibt – seit 1950. Die anderen hatte ich sowieso: den Beuys oder den Tinguely, Keith Haring war dann wunderbar – und Lichtenstein wird immer genommen. Es gibt ein paar Ausnahmen, die lasse ich dann weg, gibt ja auch ein paar blöde dabei, die lasse ich dann raus."
Service: Die Ausstellung "Roy Lichtenstein – Plakate" ist vom 19.12.2008 bis zum 1.3.2009 im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen.
"Das die Pariser Künstler eine Generation älter waren: das waren Picasso, Miro, Chagall, die die großen Künstlerplakate der fünfziger und sechziger Jahre machten. Und in den USA war es die junge Generation der Pop-Art-Künstler."
Jürgen Döring betreut die Grafische Sammlung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, er kennt die Erfolgsstory des Roy Lichtenstein. Begonnen hat alles 1961, als der knapp 40-jährige Professor für Malerei seinem Faible für Comic-Motive folgte – und damit Anschluss fand an die künstlerischen Weggefährten Claes Oldenburg, Robert Rauschenberg und vor allem Andy Warhol:
"Der Galerist Castelli hat ganz schnell gemerkt, dass es manche Bilder von Lichtenstein gab, die sehr gut ankamen. Das waren die mit den Blondinen, wo er kleine Szenen aus Comic-Romanen groß gezogen hat, einen Meter mal einen Meter fünfzig groß gemalt hat, wo dann diese Köpfe der Blondinen ganz, ganz plakativ herauskamen."
Es waren weniger diese Motive, der von Leo Castelli geschätzte "sex appeal", an dem sich die Leidenschaft eines deutschen Sammlers entzündete. Claus von der Osten interessierte sich auch für die Machart, für Roy Lichtensteins graphische Experimente, mit denen der New Yorker Künstler seine berühmten Rasterpunkte hinbekam – ein serielles Druckverfahren nicht nur malerisch nachahmte, sondern zugleich um einige Dimensionen vergrößerte.
"Ich bin als Kunsterzieher natürlich universell – und drucken fand ich mit am schönsten. Hier hängt sogar ein Plakat, was ich für eine Ausstellung in Hameln gedruckt habe, selber."
Damit fing es an: Das Plakat, das Poster als bezahlbare, leicht zu realisierende Möglichkeit, die eigentlichen Kunstwerke zu reproduzieren. Aber in mancher Hinsicht begann dieser Spross, das Künstlerplakat, seinen Ahnherrn, das Gemälde, zu überflügeln. Kurator Jürgen Döring:
"Das Plakat ist eine wunderbare Angelegenheit, weil es die großen Bereiche unseres Lebens, nämlich die Welt der Wirtschaft, des Alltags genauso drin hat wie die kulturelle Welt oder die politische Welt. Das haben Sie in anderen Kunstgattungen nicht. Künstlerplakate werben für politische Parteien oder gegen politische Parteien, sie können durchaus auch handfeste Produktwerbung sein – und natürlich haben Sie jede Menge Kultur darin. Es ist einfach eine sehr, sehr interessante Gattung."
Roy Lichtenstein selbst spielte humorvoll mit diesem Phänomen, von Anfang an: Selbst sein Galerist Leo Castelli soll laut aufgestöhnt haben, als er die überdimensionale Darstellungen einer Socke oder eines kompletten Badezimmers zum ersten Mal sah. Es waren ganz gewöhnliche, sozusagen kommerzielle Motive aus dem Anzeigenteil oder eben aus Comics, monumental zelebriert. Für Claus von der Osten nun kehrte sich dieses Verhältnis zwischen Kommerz und Kunst, Alltag und Ästhetik noch einmal um, als er mit dem Sammeln begann:
"Erst Postkarten, wenn man noch 15 ist. Aber dann kann man sich als Schüler leisten, sagen wir mal, für zehn Mark damals eine Lithographie zu kaufen. Also: man hat dann ein Original und man hat nicht irgendwie nur eine Abbildung. Das fand ich schon wichtig, denn alles andere kann ich mir ja nicht leisten."
Vor allem die Plakate in den USA waren selten zum Aushang bestimmt, denn gegen riesige billboards und TV-Spots wären sie kaum angekommen. Künstlerplakate zielten von vornherein auf Sammler, waren erschwingliche Graphik. Und wenn heute ein Gemälde von Roy Lichtenstein für 20 Millionen Euro versteigert wird, kostet ein Plakat allenfalls ein Tausendstel dieser Summe – und auch das ist die absolute Ausnahme:
"Ich bedaure immer, wenn das signiert ist. Ich habe da eines, das ist signiert – und hat dann 5000 gekostet. Das konnte ich gerade noch machen. Dahinter steckt natürlich der Wunsch, statt dann 100 Euro dafür zu erlösen: mit der Unterschrift würde man vielleicht 4000 kriegen. Aber im Moment ist das große Wunder, dass zum Beispiel Auktionshäuser sagen: es ist ja nicht zu fassen, es gibt kein unsigniertes Blatt mehr. Und die werden jetzt auch zurückgezogen die Blätter."
Schließlich handelt es sich um Gefälligkeitssignaturen, nicht um ein Künstlerzertifikat über limitierte Auflagen oder gar Unikate. Und vielleicht ist das auch der Grund für eine in diesem Falle ganz unkomplizierte, ebenso entspannte wie fruchtbare Zusammenarbeit von Sammler und Museum:
"Dieses Haus hat ja eine Tradition im Sammeln von Künstlerplakaten, vor 1900 schon, der ganze Jugendstil und Toulouse-Lautrec. Und deswegen muss das ja heute weitergehen. Und auf der anderen Seite ist ja kein Pfennig da um die kleinste Briefmarke zu kaufen. Es muss schon einer übernehmen, finde ich. Mach ich!"
Die erste umfassende Schau von Lichtenstein-Plakaten ist keine Premiere, kein Einzelfall, betont Kurator Jürgen Döring:
"Die Zusammenarbeit mit Claus von der Osten begann vor über zehn Jahren. Da haben wir einen großen Überblick zur Geschichte des Künstlerplakates gezeigt und haben seither sechs monographische Ausstellungen von Künstlern gemacht: Darunter Robert Rauschenberg und auch jüngere wie Martin Kippenberger. Und es war jeweils so eine wunderbare Sache, dass wir das, was wir ausgestellt haben, geschenkt bekamen."
Im Gegenzug wird die Mühe des Sammlers mit der Publikation eines Werkverzeichnisses bedacht. Und dieser Katalog ist wahrlich kein Ergebnis enzyklopädischer Fliegenbeinzählerei, sondern – bei aller kunsthistorischen Verlässlichkeit – auch Ausdruck des individuellen Sammlernaturells:
"Ich sammele ja alle Künstlerplakate, die es gibt – seit 1950. Die anderen hatte ich sowieso: den Beuys oder den Tinguely, Keith Haring war dann wunderbar – und Lichtenstein wird immer genommen. Es gibt ein paar Ausnahmen, die lasse ich dann weg, gibt ja auch ein paar blöde dabei, die lasse ich dann raus."
Service: Die Ausstellung "Roy Lichtenstein – Plakate" ist vom 19.12.2008 bis zum 1.3.2009 im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu sehen.