Am Schnittpunkt von Kino, Theater und Video

Von Dorothea Breit |
Das Düsseldorfer K 21 zeigt eine Ausstellung über Video-Kunst mit dem Titel "Talking Pictures - Theatralität in zeitgenössischen Film- und Videoarbeiten". Ausgangspunkt ist das Phänomen, dass sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr Film- und Video-Künstler mit Darstellungsmethoden des Theaters beschäftigen. Das K21 Düsseldorf stellt eine Auswahl von zehn Werken internationaler Künstlerinnen und Künstler vor.
Danica Dakić filmte ihr Video über das Entstehen von Rollenverhalten in einem Dorf im Kosovo. Sie ließ Laien-Schauspieler ihre eigene Geschichte darstellen, einen Maler, eine Wahrsagerin, einen verarmten Landarbeiter, einen Theaterregisseur. Die Kulisse bildet das Dorf, die Landschaft, die Ruine eines Hauses auf einer Wiese und die Szenerie eines historisches Gemäldes aus dem Bestand des Louvre, die sie nachbauen ließ. Eine Hochzeitsgesellschaft tritt auf, tanzende Frauen in weißen Kleidern.

Die Ausstellung im K21 in Düsseldorf macht deutlich, wie sehr sich die Video-Kunst seit ihren Anfängen verändert hat. Die Video-Pioniere der 1960er und 1970er Jahre suchten Authentizität, unmittelbaren Ausdruck, die Gleichzeitigkeit von Realität und Filmbild, das Dokumentarische. Wogegen seit den 1990er Jahren zunehmend Fragen der Identität, der Verständigung, des zwischenmenschlichen Miteinanders, und nicht zuletzt die Frage nach den Rollen – Marionette oder Puppe? – zum Ausgangspunkt von Handlung und Darstellung werden. Die Kuratorin Doris Krystof:

"Es geht hier um Theatralität, mehr als um theaterhafte Dialoge. Es geht uns mehr um einen stilistischen, ästhetischen Begriff, der eben diese ganzen Mittel – elegisches, melodramatisches, pathetisches, sentimental - so etwa mit einfängt in die Kunst.
Es hat schon diesen Bruch zum bloß Authentischen, oder hinterfragt das, gibt’s das überhaupt? Also wo die Performance vielleicht viel näher dran wäre, die immer so ein bisschen realen Ausdruck hat. Da ist das Theatrale schon eine Stufe weiter und sagt: Das kann’s sowieso gar nicht geben, also nach dem barocken Topos: 'Dasein heißt, eine Rolle spielen'. Es geht gar nicht anders, wir spielen immer irgendwie, wir spielen uns immer was vor.
Hier geht’s ums Spiel, in seiner ganzen Facettenhaftigkeit, es ist ein Vorspielen."

Videokünstler greifen auf Mittel und Methoden der Textarbeit und der Darstellung im klassischen Theater zurück, um jeden subjektiven Ausdruck durch die Inszenierung zu reflektieren. Damit brechen sie auf erfrischende Weise die Illusionsmaschinerie des Kinos auf und die Künstlichkeit des Theaters. Der russische Künstler Victor Alimpiev lässt in der Zweikanal-Videoinstallation mit dem Titel "Wie heißt dieser Platz?" Schauspielschülerinnen einen Text sprechen, den er selbst geschrieben hat.

Abwechselnd ist eine Gruppe junger Frauen und das Gesicht einer der Darstellerinnen zu sehen, die Zwiesprache mit sich, den anderen, dem Publikum hält. Die Kamera umkreist die Gruppe aus verschiedenen Perspektiven, Text und Bild überlagern sich, der gesuchte Platz entpuppt sich als Ort des Sprechens. - Die Videokünstlerin Gillian Wearing arbeitet mit den Mitteln des Reality-TV.

In dem Video "Trauma" erzählen Menschen tragische persönliche Erlebnisse. Auf dem Bildschirm erscheint ihr Porträt, sie tragen jedoch eine Maske vor dem Gesicht. Wie im antiken Theater bleibt die Identität des Einzelnen verborgen, die individuelle Geschichte wird allgemeingültig. Ana Torf bezieht sich in ihrer Dia-Installation "The Intruder", der Eindringling, auf ein Stück des belgischen Dichters Maurice Maeterlinck. In der Art einer intimen Familienaufstellung hat sie Söhne, Enkel und Großvater im Wintergarten einer Villa inszeniert, wo sie warten und stereotype Phrasen sprechen. Ganz auf die Macht flackernder monumentaler Bilder setzt dagegen Catherine Sullivan in ihrer Installation mit fünf parallelen Videoprojektionen. Ein Panoptikum einstudierter Bewegungen, Aktionen, Gesten und Mimiken ist zu sehen. Durch die Wiederholung erkennt man allmählich Szenen, Fragmente aus bekannten Filmen von Ingmar Bergmann oder Arthur Penn. Sullivan hat sie von Schauspielern nachspielen lassen.

"Talking Pictures" ist der englische Ausdruck für Tonfilm. Der Titel der Ausstellung im K21 verweist auch auf das uralte erzählerische Potenzial von Bildern und, so die Kuratorin Doris Krystof:

"Dann gibt es einen Film von Yvonne Rainer, der heißt 'Kristina Talking Pictures', und im Grunde steht der in einer gewissen Weise ein bisschen hinter dieser ganzen Idee, weil Yvonne Rainer als diejenige, die so in den 60ern mit als Tänzerin im Feld der Minimal Art eigentlich bekannt wurde, wo sehr, sehr abstrahierte Darstellungsweisen entwickelt wurden, Anfang der 70er Jahre begonnen hat, das aufzugeben zugunsten elegischer Film-Bild-Sprachen, und das entwickelt hat. Und die ist für mich, für uns so ne Koriphäe, so ne Autorität in dem Ganzen. Ich glaube, dass sie was vorgeprägt hat, was heute viele jüngere Künstler – Yvonne Rainer ist Jahrgang 1931 – was die nachvollziehen im Moment."

Die Ausstellung versammelt insgesamt zehn hoch komplex strukturierte Film- und Video-Kunstwerke und stößt dabei auch an die Grenzen musealer Präsentationsmöglichkeiten. Man wollte Blackboxes vermeiden und größtmögliche Offenheit erhalten. Der Preis dafür ist die akustische Überlagerung aller Arbeiten. Die Ausstellungshalle ist erfüllt von einer Kakafonie, die oft störend wirkt, weil laute Arbeiten die leiseren übertönen, zum Beispiel den poetisch nostalgischen Videofilm "Sieben Intellektuelle in einem Bambuswald" des Chinesen Yang Fudong. Yang schlägt einen großen historischen Bogen von einer Legende aus dem dritten Jahrhundert bis in die Gegenwart: Eine Gruppe junger Frauen und Männer der neuen städtischen Elite wandert durch eine Nebel verhangene Landschaft in schwarz-weiß, eine Kulisse in der Ästhetik der traditionellen chinesischen Tuschmalerei. – Eine anspruchsvolle Ausstellung, die großes visuelles und intellektuelles Vergnügen bereitet!

Service: Die Ausstellung "Talking Pictures " ist vom 18. August bis zum 4. November 2007 in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zu sehen.