Amanda Gormans Gedicht "The Hill We Climb"

Ein Text, der unter die Haut geht

07:27 Minuten
Die 22-jährige afroamerikanische Dichterin Amanda Gorman trägt anlässlich der Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden ihr Gedicht "The Hill We Climb" vor.
Die ganze Welt hörte zu, als Amanda Gorman in Washington ihr Gedicht "The Hill We Climb" vortrug. © imago images / ZUMA Wire / Chris Kleponis
Azadê Peşmen im Gespräch mit Max Oppel |
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Amanda Gormans zur Amtseinführung von Joe Biden vorgetragenes Gedicht beschwört eine neue Solidarität in der US-Gesellschaft. Für die Journalistin Azadê Peşmen ist die junge Afroamerikanerin auch die Verkörperung dessen, was heute in den USA möglich ist.
Ihr Auftritt bei der Amtseinführung von US-Präsident Joe Biden beeindruckte weltweit viele Menschen. Die Social-Media-Kanäle glühten, nachdem die afroamerikanische Lyrikerin und Aktivistin Amanda Gorman auf dem Capitol Hill ihr Gedicht "The Hill We climb" – Den Berg erklimmen - im Spoken-Word-Stil vorgetragen hatte: Der Inhalt, aber auch die intensive Art des Vortrags, machten den Text für viele Zuhörer zum Ereignis.
Die 22-jährige Gorman, Tochter einer alleinerziehenden Mutter und Studentin an der Eliteuniversität Harvard, spricht davon, dass eine kleine Afroamerikanerin aus einfachen Verhältnissen einst die Möglichkeit haben werde, US-Präsidentin zu werden. Prompt bezog sich Ex-Außenministerin Hillary Clinton in einem Tweet darauf und kürte Amanda Gorman zur Wunschkandidatin 2036.
Auch die Kulturjournalistin Azadê Peşmen ist beeindruckt und sagt: "Das ist ein starker Text, der geht unter die Haut." Gorman beschwöre Solidarität und Einheit. Ihr Gedicht sei reich an Metaphern. So beziehe die junge Dichterin sich unter anderem auf den 2. Zusatzartikel der US-Verfassung, der das Recht, Waffen - englisch: "arms" - zu tragen zusichert. Gorman fordere, die Waffen niederzulegen und sich stattdessen die Arme - ebenfalls "arms" - zu reichen.

Verkörperung des "American Dream"

Für viele verkörpert Gorman mit ihrem Lebenslauf den "American Dream". Dazu Peşmen: "Doch das birgt auch ein wenig die Gefahr, dass das instrumentalisiert wird... Dass sie ein bisschen vorgeschoben wird: 'Hier, sie hat es geschafft, warum schaffst du es nicht auch?"
Die Journalistin sieht es ähnlich wie die US-Schauspielerin und Aktivistin Laverne Cox: Statt Gorman als "Role Model" und damit als Vorbild zu bezeichnen, sollte lieber von "Possibility Model" geredet werden, als Beispiel dafür, was in den USA möglich ist, aber noch nicht die Regel.

Lyrik und kein Rap

Mit einer gewissen Skepsis sieht Peşmen auch den Vergleich von Gormans Spoken-Word-Gedicht mit dem Rap. Wegen des Sprachrhythmus sei das zwar naheliegend, aber: "Ich frage mich, ob man den Vergleich auch gebracht hätte, wenn Amanda Gorman weiß wäre? Ich glaube nicht. Ich finde, man kann einfach mal Lyrik Lyrik sein lassen."
(mkn)
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