Im Schatten des schwarz-gelben Riesen
Wenn die Profikicker international mitspielen, freuen sich die Fans. Dass deren Bundesligaspiele dann aber auch am Sonntag stattfinden, hat Folgen für die kleinen Amateurvereine – wie ein Besuch in direkter Nachbarschaft des BVB Dortmund zeigt.
Anderthalb Kilometer Luftlinie trennen das Trainingsgelände von Borussia Dortmund und den SV Brackel 06, Aufsteiger in die Westfalenliga. Die Europa-League-Teilnahme des BVB hat Bundesliga zur klassischen Amateurzeit am Sonntagnachmittag zur Folge. Der große Nachbar wird dann schier übermächtig. Mit Spielverlegungen will der SV Brackel retten, was geht, so sein Vorsitzender Olaf Schäfer:
"Wir spielen letztendlich bisschen früher, weil wir viele Fans auch haben, die 'ne Dauerkarte haben. Natürlich auch teilweise Spieler, Trainer und so weiter und so fort. Damit versuchen wir noch aufzufangen die Zuschauer, die unser Spiel angucken und anschließend da hinfahren. Für uns ist es einfach so 'ne Geschichte: dreißig bis fünfzig Prozent haben wir dadurch weniger Zuschauer. Wir müssen's einfach machen, wir haben das jetzt das fünfte Mal gemacht. Von acht Heimspielen. Das ist schon gewaltig."
Gähnende Leere auf der Anlage in Kirchhörde
Im Südwesten Dortmunds, in Kirchhörde, von wo aus die Pylonen des BVB- Stadiondaches wie gelbe Heuschreckenbeine in der Stadtsilhouette erscheinen, steht dem sportlichen Leiter und Ex- Profi Jörg Mielers die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Weit mehr Leute gehen zum Bus Richtung BVB-Arena als sich auf der gepflegten Anlage seines Kirchhörder SC einfinden:
"Mit voller Wucht trifft das unseren Verein. Wenn man sieht, dass man ein Derby hat, was zwei, drei Kilometer entfernt ist der Gegner und an der Tabellenspitze steht. Der noch aufsteigen kann in die Oberliga und man hat nur sechzig zahlende Zuschauer, ist es schon sehr traurig. Wenn man abends dann sieht, dass Borussia Dortmund spielt und die Stadt voll ist mit BVB, und hier bei uns auf der Anlage gähnende Leere ist, ist das natürlich sehr deprimierend."
"Echte Liebe", so der Slogan des BVB, sie tut den kleinen Vereinen weh. Und sie nimmt keine Rücksicht, manche fürchten um ihre Existenz, beobachtet Hans Walter von Oppenkowski. Er ist im Fußballkreis Dortmund für die Vereinsentwicklung zuständig:
"Subjektiv betrachtet scheint es so zu sein, dass der bezahlte Fußball den Amateurfußball nicht mehr brauchen will. Der bezahlte Fußball hat seine eigenen Nachwuchszentren aufgebaut. In den unteren Jahrgangsbereichen partizipiert er zwar noch von den Amateurvereinen, aber in den oberen viel, viel weniger als in der Vergangenheit."
Klar kommen mit dem, was übrigbleibt
30 Kilometer weiter westlich die B1 entlang sieht man die Lage beim Siebtligisten VfB Günnigfeld entspannt. Die eigenen Spielzeiten an den Großen auszurichten, bringt nichts, denn man sitzt mittendrin zwischen Dortmund, Schalke, Bochum und Rot-Weiß Essen. So nah und so weit weg zugleich, empfindet es der Vorsitzende Frank Scheffler:
"Das Drumherum ist das gleiche, also die spielen auch aufm Rasen und mit 'nem Ball. Aber ansonsten sind es mittlerweile zwei unterschiedliche Dinge. Der Profifußball und der Amateurfußball, den wir hier betreiben, hat miteinander relativ wenig zu tun. Die Schere, die die Bundesliga bedauert mit England und Deutschland, diese Schere ist in Deutschland im Amateur- und im Profibereich schon so weit auseinander, dass es schon keine Schere mehr ist. Wir machen unser Ding und die Profis machen ihr Ding. Und da gibt's auch keine Unterstützung in irgendeiner Art und Weise. Wir müssen mit dem klar kommen, was übrig bleibt."
Etwa der Blick in ferne Fußballwelten via Pay TV und erhoffte Einnahmen aus der dritten Halbzeit. Und so wünschen die Amateurvereine im Schatten des BVB den Schwarz-Gelben nur das Beste. Nicht nur als Fan, Olaf Schäfer vom SV Brackel:
"Der BVB kann ja letztendlich auch nichts dafür, ich sag jetzt mal, dass die Europa League dann eben donnerstags dann stattfindet. Da müssen wir einfach durch. Gott sei Dank ist der BVB ab nächstem Jahr wieder in der Champions League und dann haben wir dieses Thema nicht mehr!"