Heinz Schindler hat sich bei Westfalia Wickede umgehört. Der Verein war gerade für seine Integrationsleistungen vom Landessportbund ausgezeichnet worden, als er vor rund vier Jahren bei seinem Integrationsbemühungen an seine Grenzen stieß. Das berichtet der Vereinsvorsitzende.
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Einsatz gegen Gewalt auf dem Spielfeld
06:58 Minuten
Im Amateurfußball nimmt bundesweit die Gewalt zu, sagt der frühere Schiedsrichter Theo Mennecke. Vor fünf Jahren begann er mit einer Taskforce im Fußballkreis Bochum gezielt dagegen vorzugehen.
Thomas Jaedicke: Die Gewalt im Umfeld des Amateurfußballs hat in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. Schlägereien auf dem Platz, tätliche Angriffe auf Schiedsrichter, Spielabbrüche. Fast 5000 Vorfälle, von denen 685 zu Spielabbrüchen führten, wurden in der Saison 2018/19 registriert. Der DFB ist problembewusst, es gibt diverse Schulungen und Präventionsprogramme. Aber richtig in den Griff bekommt man das Problem nicht. Ende Oktober streikten zum Beispiel die Berliner Schiedsrichter an einem Wochenende. Fast 1500 Spiele fielen aus. Am Telefon in Bochum ist jetzt der ehemalige Schiedsrichter Theo Mennecke. Wie groß sind die Probleme bei Ihnen im Fußballkreis Bochum?
Theo Mennecke: Ich kann nur Folgendes berichten: dass die Anzahl der Spruchkammerverfahren angestiegen sind, was aber nicht nur im letzten Sinne mit Spielabbrüchen zu tun hat, sondern auch mit Vorfällen der Spieler untereinander, wo die gegeneinander tätlich geworden sind, wo Foulspiele erfolgt sind, die eine Spruchkammerverhandlung zur Folge hatten. Das heißt, wo Kontakte hergestellt wurden, ohne dass der Ball Spielobjekt war, sondern getreten wurde und dergleichen mehr.
Jaedicke: Als Sie vor 45 Jahren angefangen haben dann in der D-Jugend, gab es da auch schon Gewalt auf dem Platz?
Mennecke: Nein, um Gottes Willen, da waren wir aber ganz weit von weg. Das ist eine Entwicklung, die, wie man ja festgestellt hat, äußerst bedauerlich ist, die sich aber dann immer mehr nach oben geschaukelt hat. Früher war es, wie man so schön sagt, viel, viel anders, Gott sei Dank, die Entwicklung ist doch relativ schlimm im Moment.
Die Anfänge liegen im Elternhaus
Jaedicke: Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Mennecke: Ich will mal ganz unten anfangen, ich will mal im Elternhaus anfangen, gehe dann über zur Schule, wo sich Dinge ganz anders entwickelt haben, als man sie erahnt hat. Das heißt, der Zugriff auf die Kinder von den Elternhäusern ist teilweise sehr, sehr schlecht und das entwickelt sich dann weiter bis in den schulischen Bereich und wird dann natürlich auch in Richtung Sport so entwickelt.
Jaedicke: Kann man das als Querschnitt in der gesamten Gesellschaft feststellen oder werden besonders Mannschaften, die einen hohen Anteil von Spielerinnen und Spielern mit Migrationshintergrund haben, auffällig?
Mennecke: Das ist sicherlich eine Entwicklung, die nicht zu unterschätzen ist, weil diese Menschen ganz, ganz anders emotionaler sind als Deutsche im Regelfall, aber man kann jetzt nicht pauschal hergehen und denen alles zur Last legen. Das ist also sicherlich nicht unbedingt der richtige Ansatz. Dass sich das nach oben entwickelt hat, dass diese Menschen, die zu uns gekommen sind, natürlich eine andere Lebensweise haben und emotionaler sind als vielleicht deutsche Sportler, lässt sich sicherlich nicht ausschließen.
Jaedicke: Sie haben vor fünf Jahren im Fußballkreis Bochum eine Taskforce gegründet, um die Gewalt einzudämmen. Warum gerade vor fünf Jahren?
Der Druck wurde größer
Mennecke: Diese Entwicklung ist entstanden aus einem Hallenturnier. Wir machen Anfang des Jahres immer die sogenannten Hallenmeisterschaften, jetzt auch in Bochum am übernächsten Wochenende wieder. Da hat es einen Vorfall gegeben, der einen Schiedsrichter so übel verletzt hat, der Torwart hat ihn umgecheckt. Und das war eine Entwicklung, die uns überhaupt nicht gefallen hat im Kreisschiedsrichterausschuss, ich war damals Vorsitzender des Kreisschiedsrichterausschusses, was ich über 20 Jahre gemacht habe.
Wir haben uns dann zusammengesetzt und haben zunächst erst mal den Turnierspieltag komplett abgebrochen und sind dann zu der Auffassung gekommen, dass wir den darauf folgenden Turnierspieltag eine Woche später komplett nicht mit Schiedsrichtern besetzen. Das, was Berlin gemacht hat, haben wir vor Jahren schon gemacht. Und der Ruf wurde immer lauter und der Druck wurde auch von Seiten der Schiedsrichter immer größer, dass man gesagt hat: Wir sind jetzt wieder kurz davor, einen Spieltag komplett abzusagen. Dann muss man natürlich auch mal versuchen, vernünftig vorzugehen, um die Dinge dann auf den richtigen Weg zu bringen, und das haben wir dann gemacht und haben dann die sogenannte Taskforce gegründet, bestehend aus mehreren Leuten aus dem Schiedsrichterbereich, von der spielleitenden Stelle, und haben uns dann mit diesen Dingen intensiv beschäftigt.
Das heißt, wir gehen dann Sonntag nach Beendigung der Spiele her, das ist mein Job. Ich kontrolliere die Spielberichte und stelle dann fest, was wo passiert ist, beziehungsweise ich bekomme, wenn Spielabbrüche da sind, in den meisten Fällen auch Anrufe der betroffenen Schiedsrichter, die sich dann bei mir melden und sagen: Hör mal, ich habe das Spiel aus dem und dem Grund abgebrochen. Dann versuchen wir, die Dinge Sonntagabend noch miteinander zu besprechen, mit der spielleitenden Stelle, mit meinem Kollegen Bernhard Böhning, um zu wissen, was ist passiert, wie gehen wir damit um. Und leiten dann alle weiteren Dinge in Richtung Sportgericht gegebenenfalls in die Wege.
Nicht auf Erfolgen ausruhen
Jaedicke: Rennen Sie da offene Türen ein auch bei den Vereinen? Wie kommt man da ins Gespräch?
Mennecke: Wenn man so lange als Sportfunktionär unterwegs ist, kennt man natürlich jede Menge Leute, und die kennen uns natürlich auch. Man kommt also relativ leicht ins Gespräch. Die zeigen sich auch fast immer betroffen und sagen: Mensch, das geht gar nicht. Die sind da sehr kommunikativ und wir kooperieren auch vernünftig miteinander, da sind eigentlich die wenigsten Probleme.
Jaedicke: Nur ist es eine Sache, direkt nach so einem Vorfall zu sagen, ja klar, das geht alles nicht, da müssen wir was anderes versuchen. Trägt die Arbeit, die Sie da mit Ihren vier Kollegen machen, denn auch Früchte? Ändert sich tatsächlich etwas, haben Sie die Gewalt eindämmen können?
Mennecke: In bestimmten Bereichen auf jeden Fall, aber das ist manchmal so: Man freut sich, man hat zwei, drei Sonntage, da passiert so gut wie gar nichts, und dann bricht es auf einmal über einen herein und dann sind wieder Vorfälle da, die uns die Haare zu Berge stehen lassen. Das ist also eine äußerst schwierige Sache. Man kann jetzt nicht sagen, jetzt haben wir alles wunderbar im Griff. Sich auf den Erfolgen auszuruhen, ist der total falsche Ansatz aus unserer Sicht. Das sind Erfahrungswerte, die wir haben, wo wir hin und wieder in Bereiche gelangen, die uns auch an die Grenzen bringen und uns zur Verzweiflung bringen, das kann man also ganz eindeutig so sagen.
Jaedicke: Sie sind tätig mit dieser Taskforce im Fußballkreis Bochum. Sind Sie auch vernetzt mit dem übrigen Bundesgebiet. Wissen Sie, sieht das in anderen Regionen genauso aus?
Austausch in Kleve
Mennecke: Ruhrgebiet ist natürlich ein Ballungszentrum, da machen wir uns überhaupt nichts vor. Wenn man jetzt mal Richtung Duisburg schaut, Niederrhein, Mittelrhein, Gelsenkirchen, Dortmund, Bochum, das sind also die Ballungsgebiete, die auch einen sehr, sehr hohen Anteil von ausländischen Sportkameradinnen und -kameraden haben, da machen wir uns gar nichts vor, und da gibt es auch mehr Vereine und Mannschaften. Wenn man die ganze Sache mal reflektiert, dann muss man davon ausgehen, dass viele deutsche Vereine nicht mehr lebensfähig wären, wenn sie diese ausländischen Sportler nicht in ihren Reihen hätten, da muss man ganz klar von ausgehen.
Das ist natürlich eine Sache, die die ganze Angelegenheit dann teilweise noch verkompliziert, aber wir können uns da nicht aus der Verantwortung ziehen, wir müssen gucken, wie die Dinge dann laufen. Wir bekommen natürlich Informationen auf jeden Fall von anderen Bereichen, man guckt auch immer in die Presse, was ist passiert, wir tauschen uns da untereinander auch aus.
Wir waren letztes Jahr in Kleve zu einer Tagung vom Westdeutschen Fußballverband mit dem königlich-niederländischen Verband, da waren mein Kollege und ich eingeladen, auch aus dem Grund, weil wir in Bochum die Taskforce gegründet haben. War ein sehr interessanter Meinungsaustausch auf höchster Ebene und da sind wir eigentlich in Bochum schon relativ gut aufgestellt und man kann dann natürlich die eine oder andere Erfahrung von den anderen Verbänden und Bereichen dann natürlich auch bekommen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.