Amélie Nothomb: "Klopf an dein Herz"
Aus dem Französischen von Brigitte Große
Diogenes Verlag, Zürich 2019
150 Seiten, 20 Euro
Dialoge von unbedarfter Plumpheit
05:20 Minuten
Amélie Nothomb ist ein Literaturstar. Für ihren neuen Roman "Klopf an dein Herz" war sie für den renommierten Prix Goncourt nominiert. Ernsthaft? Für diese Plattitüden und diesen Kitsch?
Amélie Nothomb ist ein Star. Jedes Jahr schreibt sie drei neue Romane, von denen sie einen jeweils veröffentlicht. Übersetzt werden die Werke der belgischen Autorin in 40 Sprachen, auf Deutsch gibt es um die 30 Titel von ihr. In diesem Jahr war Amélie Nothomb für den Prix Goncourt nominiert.
Bekommen hat den dann zwar ein anderer, aber die 52-Jährige, die sich bevorzugt in Schwarz kleidet, leidenschaftlich gerne Hüte trägt und Champagner trinkt, weder Handy noch Internet benötigt und jeden Tag nach eigenen Angaben stundenlag Leserpost handschriftlich beantwortet, ist auf derlei Auszeichnungen ohnehin nicht angewiesen - 2015 wurde ihr vom belgischen König der Titel einer Baronin verliehen.
Einerseits inszeniert sich Nothomb als Kunstfigur, andererseits suggeriert sie in ihren Büchern Authentizität, wahre Gefühle, emotionale Abgründe und Autobiographisches. So auch im jüngsten, auf Deutsch erschienenen Roman "Klopf an dein Herz".
Das Herz krampft sich zusammen
Die Geschichte beginnt mit der jungen Marie, "groß und von schöner Gestalt, illuminiert von einem leuchtenden Blond". Sie gehört Anfang der 1970er-Jahre zur Jeunesse dorée einer Provinzstadt, genießt selbstgefällig Bewunderung und Neid der Gleichaltrigen. Bevor sie aber ihr Leben gestalten kann, wird sie schwanger. Es folgt die Heirat mit dem Sohn des Apothekers vor Ort und mit Zwanzig die Geburt ihrer ersten Tochter Diane.
Diese nun lotst Amélie Nothomb in diesem Roman durch triste Kindheit, turbulente Studienjahre inklusive Magersucht und Burn-out, zu innerer Ruhe und beruflicher Erfüllung. Diane ist ein von der Mutter ungeliebtes Kind. Immer wieder versucht sie vergeblich, deren Zuneigung zu erlangen.
Als sie noch zwei Geschwister bekommt und erlebt, dass diese durchaus geliebt werden, kapselt sie sich emotional ab, "das Herz des Kindes krampfte sich zusammen vor Schmerz". Diane zieht zu den verständnisvollen Großeltern, verliebt sich später in ihre kühle Dozentin, identifiziert sich mit deren vernachlässigter Tochter, wiederholt ihre verletzende Kindheitserfahrung, und wird schließlich doch selbst eine erfolgreiche Kardiologin.
Handlung nach Schnittmuster
Das Herz also steht wenig überraschend im Mittelpunkt dieses Romans, der sich nicht entscheiden kann, ob er die Emanzipationsgeschichte einer Frau erzählen oder auf Arzt-Kitschromanniveau verharren soll. Die Dialoge sind von unbedarfter Plumpheit, die Figuren scheinen aus der Retorte zu kommen, die Handlung entwickelt sich nach der Logik eines Schnittmusters für Konfektionsware.
Gespickt sind die 150 Seiten durchgängig mit Plattitüden: "Getreu seiner Gewohnheit ging das Leben unerbittlich weiter." Oder tiefenpsychologischen Erkenntnissen á la "Das Gute an der Verachtung ist, dass man sich dem Verachteten überlegen fühlen kann."
Die Lektüre des Buches lässt einen mit dem Gefühl der Leere in der Brust zurück, und als Herzschrittmacher ist es schon gar nicht zu gebrauchen. Klopf an deinen Kopf, möchte man der Autorin aufmunternd zurufen, trink noch einen Champagner und schreib vielleicht mal über den großen Zeh!