An der Front der Forschung
Das Zentrum für Kunst und Medientechnologie ist nicht nur eine künstlerische Plattform an der Schnittstelle zu den sich rasant entwickelnden Medien, sondern auch Forschungs- und Produktionsstätte. Die Jubiläumsschau "Imagining Media" zieht eine Bilanz.
Ein breiter Metallschrank mit sechs Glastüren steht behäbig in einer Nische der Schau. 2000 Videokunstwerke aus der Pionierzeit des Mediums sind darin auf CDs gespeichert, eine Art Jukebox mit Bildschirm. 20 Jahre ist der Kasten alt - und schon hoffnungslos von gestern, ausrangiert, ein Museumsstück, das man bequem durch einen kleinen Tischcomputer ersetzen kann. So sieht sie aus, die Zukunft der Medienkunst: kaum geschaffen, schon veraltet.
Ein ähnliches Schicksal dürfte wohl den meisten der rund 200 Werke blühen, die in dieser Schau den Besucher in ihren Bann ziehen. Mit ihren virtuellen Realitäten und interaktiven Schnittstellen, mit ihren netzbasierten Avataren, Datenmasken, Lichtspielen, Touchscreens und Sensoren, mit all dem Hightech-Equipment aus Keyboards und Knöpfen, Robotern und Reglern, Kabeln und Platinen gleicht sie mehr einer Multimedia-Messe als einem Museum - und ZKM-Chef Peter Weibel blickt auf dieses labyrinthische Labor aus dunklen Kojen, Tischen, Tastern und Konsolen nicht ohne Stolz zurück:
"Das ZKM hat wesentlich dazu beigetragen, sowohl durch seine Ausstellungen wie auch durch seine Produktionen, dass die Medienkunst sich durchgesetzt hat. Also es gibt heute keine Großausstellung, von Documenta Kassel bis Biennale von Venedig, wo nicht riesige Videoinstallationen oder Filminstallationen oder Computerwerke vorhanden sind."
Das ZKM begreift sich als der Motor dieser ganzen Gattung. Es ist Forschungsstelle, Produktionsstätte und Museum in einem, und mit seinen Spezialisten hat es fast ein Monopol. Rund 500 Gastkünstler und Stipendiaten aller Sparten und aus aller Welt, darunter Prominente wie der Choreograf William Forsythe, waren hier bereits zugange, und wer die Entwicklungshilfe des ZKM in Anspruch nehmen will, muss ein tragfähiges Konzept vorweisen, betont Peter Weibel:
"Er muss ein bisschen an der Front der Forschung sein, weil wir möchten ja nur Arbeiten machen, die an der Front der Forschung sind. Wir möchten ja nichts machen, was es schon gibt. Wir möchten ja immer wieder im Labor neue Dinge ausprobieren."
Die Panoramatechnik hat man hier entwickelt: 360-Grad-Projektionen in hollywoodreifer 3D-Technik, bei der 25 kreisförmig angeordnete Kameras ihre Aufnahmen zu einem nahtlosen Rundumbild zusammenrechnen und faszinierend neue Seherlebnisse bieten. Und das Institut für Musik und Akustik hat einen "Klangdom" gebaut, dessen 60 Lautsprecher jeden Ton rechnergesteuert exakt im Raum verteilen.
Audiovisuell vernetzt ist übrigens die ganze Jubiläumsschau. Jedes Exponat, jede Installation ist mit einem sogenannten QR Code verlinkt, mit einem quadratischen Etikett, das man mit der Kamera seines Mobiltelefons einlesen kann. Dabei gelangt man übers Internet zu einer Datenbank, erklärt die zuständige Online-Redakteurin[*]:
"Wir hinterlegen in der Datenbank Textmaterialien, aber auch Soundfiles, kleine Videofiles, sodass sich der Benutzer über den Ausstellungsraum hinaus, sag ich mal, Hintergrundinformationen zum Künstler und zum Werk aufs Handy laden kann."
Für den Nutzer ist dieser technische Schnickschnack einstweilen nicht viel mehr als eine teure Spielerei. Vieles von dem, was im ZKM mit riesigem Aufwand an Geld und Technik erschaffen und erfunden wurde, ist in der hauseigenen Sammlung gelandet, meist zu moderaten Preisen; denn es gibt, sagt Peter Weibel, für diese Kunst fast keinen Markt.
"Die Medienkunst ist in meinen Augen die reinste Kunst heute, weil sie durch Marktmechanismen nicht verzehrt ist. Die wenigen privaten Sammler, die machen noch keinen Markt."
In der Tat: Wer etwa hat schon Platz für die riesige Lichtwand der Künstlerin Rosalie, die im Foyer des Hauses hängt, 27 Meter lang und fast zehn Meter hoch, bestückt mit Tausenden farbiger Leuchtdioden, computergesteuert und akustisch unterlegt? Kein Wunder, dass sogar ein Euphoriker wie Weibel, während er noch zukunftstrunken schwärmt von molekularer Musik und molekularen Materialien, von einem "Getto" der Medienkunst spricht und das ZKM auch als eine Art Arche Noah sieht, in der die Medienkunst vor ihrem eigenen Fortschritt gerettet werden muss.
"Man kann mittlerweile mit viel einfacheren, billigeren Computern größere Effekte erzielen. Also wir sind in einigen Fällen überholt worden."
Der technische Fortschritt ist auch der Fluch der Medienkunst. Schon hortet man Glühbirnen und Röhrenbildschirme, um diese Kunst auch künftig in Betrieb zu halten, und zerbricht sich den Kopf darüber, was zu tun ist, um die rasend schnell veraltenden Systeme zu warten, zu bedienen oder gar komplett zu rekonstruieren. Denn irgendwann, sagt Christoph Blase, der Experte vom ZKM-Institut für antiquierte Videosysteme, wird jeder Apparat mal seinen Dienst quittieren.
"Die Konsequenz daraus ist, dass man bei den Produzenten dieser Werke eigentlich das Bewusstsein schärfen muss, und das A und O ist eine ausgezeichnete Dokumentation, dass wir also ganz genau wissen, welche Hardware ist da drin. Wir kaufen teilweise schon Hardware nach in einem Moment, wo die Hardware noch funktioniert."
Wie lange das vorhält? Jahrzehnte vielleicht, Jahrhunderte wohl eher nicht. So mag es sein, dass die Medienkunst - nicht als solche, aber doch im Einzelfall - eine der kurzlebigsten Gattungen der ganzen Kunstgeschichte ist. Denn ihr technischer Absturz, ihr Verfall ist so gut wie programmiert: Immer ein Schritt voraus, und der Entwicklung doch stets hinterher.
Service:
Die Ausstellung "Imagining Media - produced@zkm" ist im Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe bis zum 31. Dezember 2010 zu sehen.
Ein ähnliches Schicksal dürfte wohl den meisten der rund 200 Werke blühen, die in dieser Schau den Besucher in ihren Bann ziehen. Mit ihren virtuellen Realitäten und interaktiven Schnittstellen, mit ihren netzbasierten Avataren, Datenmasken, Lichtspielen, Touchscreens und Sensoren, mit all dem Hightech-Equipment aus Keyboards und Knöpfen, Robotern und Reglern, Kabeln und Platinen gleicht sie mehr einer Multimedia-Messe als einem Museum - und ZKM-Chef Peter Weibel blickt auf dieses labyrinthische Labor aus dunklen Kojen, Tischen, Tastern und Konsolen nicht ohne Stolz zurück:
"Das ZKM hat wesentlich dazu beigetragen, sowohl durch seine Ausstellungen wie auch durch seine Produktionen, dass die Medienkunst sich durchgesetzt hat. Also es gibt heute keine Großausstellung, von Documenta Kassel bis Biennale von Venedig, wo nicht riesige Videoinstallationen oder Filminstallationen oder Computerwerke vorhanden sind."
Das ZKM begreift sich als der Motor dieser ganzen Gattung. Es ist Forschungsstelle, Produktionsstätte und Museum in einem, und mit seinen Spezialisten hat es fast ein Monopol. Rund 500 Gastkünstler und Stipendiaten aller Sparten und aus aller Welt, darunter Prominente wie der Choreograf William Forsythe, waren hier bereits zugange, und wer die Entwicklungshilfe des ZKM in Anspruch nehmen will, muss ein tragfähiges Konzept vorweisen, betont Peter Weibel:
"Er muss ein bisschen an der Front der Forschung sein, weil wir möchten ja nur Arbeiten machen, die an der Front der Forschung sind. Wir möchten ja nichts machen, was es schon gibt. Wir möchten ja immer wieder im Labor neue Dinge ausprobieren."
Die Panoramatechnik hat man hier entwickelt: 360-Grad-Projektionen in hollywoodreifer 3D-Technik, bei der 25 kreisförmig angeordnete Kameras ihre Aufnahmen zu einem nahtlosen Rundumbild zusammenrechnen und faszinierend neue Seherlebnisse bieten. Und das Institut für Musik und Akustik hat einen "Klangdom" gebaut, dessen 60 Lautsprecher jeden Ton rechnergesteuert exakt im Raum verteilen.
Audiovisuell vernetzt ist übrigens die ganze Jubiläumsschau. Jedes Exponat, jede Installation ist mit einem sogenannten QR Code verlinkt, mit einem quadratischen Etikett, das man mit der Kamera seines Mobiltelefons einlesen kann. Dabei gelangt man übers Internet zu einer Datenbank, erklärt die zuständige Online-Redakteurin[*]:
"Wir hinterlegen in der Datenbank Textmaterialien, aber auch Soundfiles, kleine Videofiles, sodass sich der Benutzer über den Ausstellungsraum hinaus, sag ich mal, Hintergrundinformationen zum Künstler und zum Werk aufs Handy laden kann."
Für den Nutzer ist dieser technische Schnickschnack einstweilen nicht viel mehr als eine teure Spielerei. Vieles von dem, was im ZKM mit riesigem Aufwand an Geld und Technik erschaffen und erfunden wurde, ist in der hauseigenen Sammlung gelandet, meist zu moderaten Preisen; denn es gibt, sagt Peter Weibel, für diese Kunst fast keinen Markt.
"Die Medienkunst ist in meinen Augen die reinste Kunst heute, weil sie durch Marktmechanismen nicht verzehrt ist. Die wenigen privaten Sammler, die machen noch keinen Markt."
In der Tat: Wer etwa hat schon Platz für die riesige Lichtwand der Künstlerin Rosalie, die im Foyer des Hauses hängt, 27 Meter lang und fast zehn Meter hoch, bestückt mit Tausenden farbiger Leuchtdioden, computergesteuert und akustisch unterlegt? Kein Wunder, dass sogar ein Euphoriker wie Weibel, während er noch zukunftstrunken schwärmt von molekularer Musik und molekularen Materialien, von einem "Getto" der Medienkunst spricht und das ZKM auch als eine Art Arche Noah sieht, in der die Medienkunst vor ihrem eigenen Fortschritt gerettet werden muss.
"Man kann mittlerweile mit viel einfacheren, billigeren Computern größere Effekte erzielen. Also wir sind in einigen Fällen überholt worden."
Der technische Fortschritt ist auch der Fluch der Medienkunst. Schon hortet man Glühbirnen und Röhrenbildschirme, um diese Kunst auch künftig in Betrieb zu halten, und zerbricht sich den Kopf darüber, was zu tun ist, um die rasend schnell veraltenden Systeme zu warten, zu bedienen oder gar komplett zu rekonstruieren. Denn irgendwann, sagt Christoph Blase, der Experte vom ZKM-Institut für antiquierte Videosysteme, wird jeder Apparat mal seinen Dienst quittieren.
"Die Konsequenz daraus ist, dass man bei den Produzenten dieser Werke eigentlich das Bewusstsein schärfen muss, und das A und O ist eine ausgezeichnete Dokumentation, dass wir also ganz genau wissen, welche Hardware ist da drin. Wir kaufen teilweise schon Hardware nach in einem Moment, wo die Hardware noch funktioniert."
Wie lange das vorhält? Jahrzehnte vielleicht, Jahrhunderte wohl eher nicht. So mag es sein, dass die Medienkunst - nicht als solche, aber doch im Einzelfall - eine der kurzlebigsten Gattungen der ganzen Kunstgeschichte ist. Denn ihr technischer Absturz, ihr Verfall ist so gut wie programmiert: Immer ein Schritt voraus, und der Entwicklung doch stets hinterher.
Service:
Die Ausstellung "Imagining Media - produced@zkm" ist im Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe bis zum 31. Dezember 2010 zu sehen.
[*] Das Zitat wurde anonymisiert.