An der Medienfront
Nach dem Vietnam-Krieg entwickelten die USA eine neue Informationspolitik, um die Medienhoheit über ihre Kriegsführung zu behalten. Rasmus Greiner beschreibt, wie der fiktionale Film zu einem kritischen Reflexionsraum wurde, in dem die "neuen Kriege" diskutiert und aufgearbeitet werden.
Der Vietnam-Krieg war der letzte "unzensierte" Krieg: Journalisten hatten freien Zugang zu Kriegsschauplätzen und lieferten erstmals auch Bilder von Gräueltaten der amerikanischen Soldaten direkt in die Wohnzimmer des heimischen Publikums. Eine Welle der Empörung war die Folge. Nachdem der Krieg an der "Medienfront" verloren war, ließ er sich auch militärisch nicht mehr gewinnen. Die USA reagierten mit einer neuen Informationspolitik. Die Einrichtung von "News Pools" und das Modell des "Embedded Journalism" veränderten fortan den Blickwinkel der Berichterstattung grundlegend. Journalisten bekamen nur noch einen begrenzten Ausschnitt der militärischen Operationen zu Gesicht.
Rasmus Greiner beschreibt in seinem Buch "Die Neuen Kriege im Film", wie unter diesen Bedingungen der fiktionale Film zu einem kritischen Reflexionsraum wurde, in dem die neuen Kriege kontrovers diskutiert und filmisch aufgearbeitet werden. Im zeitgenössischen Kriegsfilm spiegeln sich die komplexen Regeln der neuen Kriege wider, die die Möglichkeiten der tagesaktuellen Berichterstattung zu sprengen drohen. Wenn anstelle von Regierungstruppen Heckenschützen und Kindersoldaten kämpfen, wenn Massaker gegen die Zivilbevölkerung die Schlacht zwischen Soldaten ersetzt oder ein Krieg aufrecht erhalten wird, weil Rebellen von seiner Schattenwirtschaft profitieren, lässt sich ein Krieg kaum noch mit den journalistischen Fragen - "Wer hat was, wann, wie, wo und warum getan?" - erfassen.
Um seine These zu untermauern, analysiert der Medienwissenschaftler elf Filme und zeigt, wie die Kriege in Jugoslawien, Zentralafrika, Irak und Afghanistan im amerikanischen und europäischen Kino reflektiert werden. Das Genre reagierte mit neuen Protagonisten, einer veränderten Bildästhetik, neuen Plots und Dramaturgien auf die Logik dieser Kriege: In Michael Winterbottoms "Welcome to Sarajevo" (1997) etwa rückt das moralische Dilemma der tagesaktuellen Berichterstattung in den Blick. In einer Szene wählt der britische Journalist Michael Henderson nach einem Massaker an Zivilisten die Toten und Verletzten aus, die sein Kameramann für die Abendnachrichten aufzeichnen soll. Im Film wird sichtbar, wie Nachrichtenbilder hergestellt, ausgewählt und im Schnitt neu zusammengesetzt werden. Trotz der eindringlichen Bilder unterliegt Hendersons Reportage der Meldung über die bevorstehende Scheidung des britischen Prinzenpaars - und wird nicht gesendet.
Heute haben jederzeit verfügbare Fotos und Videos aus Kriegsgebieten im Internet und arabische Fernsehsender wie "Al Jazeera" das Bildmonopol westlicher Nachrichtensender längst aufgebrochen. Skandale wie die Folterbilder aus dem irakischen Gefängnis "Abu Ghuraib" verkehrten das Bild des "guten" amerikanischen Soldaten im Kampf gegen das "Böse" in sein Gegenteil. Filme wie Brian de Palmas Kriegsdrama "Redacted" (2007) oder Robert Redfords "Lions for Lambs" (2007) hinterfragen die amerikanischen Einsätze im Irak und Afghanistan und thematisieren die Frage nach der eigenen Verantwortung.
Wie wichtig der Film für das Verständnis unserer medialisierten Welt ist, zeigt eine Randnotiz aus dem Jahr 2003: Angelehnt an den Blockbuster "Saving Private Ryan" inszenierte das amerikanische Militär eine Befreiungsaktion der verletzten Soldatin Jessica Lynch aus einem irakischen Krankenhaus unter dem Namen "Saving Private Lynch". Wo die Realität den Film kopiert, ist es wichtig, das Genre zu kennen - so ist Rasmus Greiners wissenschaftliches Grundlagenwerk nicht nur für Medienwissenschaftler relevant, sondern für alle, die in Zeiten komplexer Kriege und globaler Bilderfluten überhaupt noch etwas vom Krieg verstehen wollen.
Besprochen von Tabea Grzeszyk
Rasmus Greiner: Die neuen Kriege im Film
Schüren-Verlag, Marburg 2012
488 Seiten, 38 Euro
Rasmus Greiner beschreibt in seinem Buch "Die Neuen Kriege im Film", wie unter diesen Bedingungen der fiktionale Film zu einem kritischen Reflexionsraum wurde, in dem die neuen Kriege kontrovers diskutiert und filmisch aufgearbeitet werden. Im zeitgenössischen Kriegsfilm spiegeln sich die komplexen Regeln der neuen Kriege wider, die die Möglichkeiten der tagesaktuellen Berichterstattung zu sprengen drohen. Wenn anstelle von Regierungstruppen Heckenschützen und Kindersoldaten kämpfen, wenn Massaker gegen die Zivilbevölkerung die Schlacht zwischen Soldaten ersetzt oder ein Krieg aufrecht erhalten wird, weil Rebellen von seiner Schattenwirtschaft profitieren, lässt sich ein Krieg kaum noch mit den journalistischen Fragen - "Wer hat was, wann, wie, wo und warum getan?" - erfassen.
Um seine These zu untermauern, analysiert der Medienwissenschaftler elf Filme und zeigt, wie die Kriege in Jugoslawien, Zentralafrika, Irak und Afghanistan im amerikanischen und europäischen Kino reflektiert werden. Das Genre reagierte mit neuen Protagonisten, einer veränderten Bildästhetik, neuen Plots und Dramaturgien auf die Logik dieser Kriege: In Michael Winterbottoms "Welcome to Sarajevo" (1997) etwa rückt das moralische Dilemma der tagesaktuellen Berichterstattung in den Blick. In einer Szene wählt der britische Journalist Michael Henderson nach einem Massaker an Zivilisten die Toten und Verletzten aus, die sein Kameramann für die Abendnachrichten aufzeichnen soll. Im Film wird sichtbar, wie Nachrichtenbilder hergestellt, ausgewählt und im Schnitt neu zusammengesetzt werden. Trotz der eindringlichen Bilder unterliegt Hendersons Reportage der Meldung über die bevorstehende Scheidung des britischen Prinzenpaars - und wird nicht gesendet.
Heute haben jederzeit verfügbare Fotos und Videos aus Kriegsgebieten im Internet und arabische Fernsehsender wie "Al Jazeera" das Bildmonopol westlicher Nachrichtensender längst aufgebrochen. Skandale wie die Folterbilder aus dem irakischen Gefängnis "Abu Ghuraib" verkehrten das Bild des "guten" amerikanischen Soldaten im Kampf gegen das "Böse" in sein Gegenteil. Filme wie Brian de Palmas Kriegsdrama "Redacted" (2007) oder Robert Redfords "Lions for Lambs" (2007) hinterfragen die amerikanischen Einsätze im Irak und Afghanistan und thematisieren die Frage nach der eigenen Verantwortung.
Wie wichtig der Film für das Verständnis unserer medialisierten Welt ist, zeigt eine Randnotiz aus dem Jahr 2003: Angelehnt an den Blockbuster "Saving Private Ryan" inszenierte das amerikanische Militär eine Befreiungsaktion der verletzten Soldatin Jessica Lynch aus einem irakischen Krankenhaus unter dem Namen "Saving Private Lynch". Wo die Realität den Film kopiert, ist es wichtig, das Genre zu kennen - so ist Rasmus Greiners wissenschaftliches Grundlagenwerk nicht nur für Medienwissenschaftler relevant, sondern für alle, die in Zeiten komplexer Kriege und globaler Bilderfluten überhaupt noch etwas vom Krieg verstehen wollen.
Besprochen von Tabea Grzeszyk
Rasmus Greiner: Die neuen Kriege im Film
Schüren-Verlag, Marburg 2012
488 Seiten, 38 Euro