Überheblichkeit und eine gespaltene Mannschaft
Die Fußball-Nationalmannschaft schied bei der WM in Russland in der Vorrunde aus. Nun wurde die Analyse des Debakels präsentiert - mit diversen Eingeständnissen. Ein Thema vermisst unser Sportredakteur Thomas Wheeler jedoch.
Was war los in Russland bei der Fußball-Weltmeisterschaft mit der deutschen Nationalmannschaft? Ein Kader voller hervorragender Spieler – aber ein doch klägliches Ende in der Gruppenphase. Am heutigen Mittwoch haben Bundestrainer Joachim Löw und Nationalmannschafts-Direktor Oliver Bierhoff die Ergebnisse ihrer zweimonatigen WM-Analyse auf einer Pressekonferenz präsentiert.
Erwartungsgemäß hätten die beiden nicht den einen finalen Grund ausgemacht, berichtet unser Sportredakteur Thomas Wheeler. Ein wichtiger Schluss sei aber gewesen, dass man zu überheblich an die Mission Titelverteidigung herangegangen ist.
Als seinen größten Fehler sieht Löw, dass er dachte, mit dem dominanten Ballbesitz-Fußball durch die Vorrunde zu kommen. Stattdessen hätte er die Mannschaft nach eigenen Worten auf eine etwas sicherere Spielweise vorbereiten müssen.
Özil als Sündenbock?
Thema bei der Analyse-Pressekonferenz war auch der Umgang mit Mesut Özil. Er war im Zusammenhang mit Fotos mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, die im Mai aufgetaucht waren, heftig in die Kritik geraten. Im Juli trat Özil als Nationalspieler zurück.
Löw und Bierhoff hätten bei ihrer öffentlichen Analyse betont, Özil sei ein hervorragender Fußballer gewesen und dass sie seinen Rücktritt bedauerten, so Wheeler. Außerdem sagten sie, sie hätten die gesamte Affäre rund um den Fototermin mit Erdogan falsch eingeschätzt. Gegen Özils Vorwurf, es gebe Rassismus in DFB-Spitze, verwahrten sie sich.
Özils Kritik hatte sich in erster Linie gegen das Verhalten des DFB-Präsidenten Reinhard Grindel und dessen missverständliche Aussagen gerichtet; zum Teil auch gegen Bierhoffs Aussagen. Sportredakteur Thomas Wheeler hat darauf ebenfalls einen kritischen Blick:
"Da konnte man schon den Eindruck gewinnen, dass hier ein Sündenbock für das Versagen der Mannschaft in Russland gesucht worden ist."
Als befremdlich empfindet Wheeler, dass bei der Präsentation der Analyse das Thema Spaltungen in der Nationalmannschaft ausgespart worden sei. Das betreffe zum einen die Spieler mit migrantischem Hintergrund wie Ilkay Gündogan, Antonio Rüdiger, Jérôme Boateng - und auf der anderen Seite die Weltmeister Neuer, Müller, Kroos.
Zum anderen gebe es sehr unterschiedliche Denk- und Lebensweisen in der Mannschaft: auf der einen Seite die arrivierten Spieler, die "eher auf dem deutschen, bayerischen Boden angesiedelt sind" - und auf der Seite jüngere Spieler wie Boateng, Rüdiger oder Draxler, die unter dem Stichwort "L.A. Lifestyle" firmierten.
(abr)