Analyse eines Skandals
Karl-Theodor zu Guttenberg stieß mit seinem jüngst erschienen Buch auf deutliche Kritik, mancher Bürger will ihn trotzdem in der Politik sehen. Zwei Bücher können helfen, Ansichten im Fall Guttenberg zu objektivieren.
Guttenbergs Plagiatsaffäre hat wochenlang ein ganzes Land aufgeregt. Und auch seine aktuelle Comeback-Inszenierung sorgt wieder für Schlagzeilen. Denn nie zuvor musste ein Minister wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens zurücktreten. Wohl deshalb befand sich das Land während des Guttenberg-Skandals Anfang dieses Jahres in einem emotionalen Ausnahmezustand. Jeder – ob Politiker, Wissenschaftler oder Wähler – hatte seine Version der Affäre. Zwei Bücher helfen nun, eigene Ansichten und Einschätzungen in der Rückschau zu objektivieren und sie bieten zugleich eine fundierte Bewertung.
In "Guttenbergs Fall" zeichnen die Journalisten der Süddeutschen Zeitung Roland Preuß und Tanjev Schultz das rasante Scheitern des Senkrechtstarters Guttenberg chronologisch nach. Sie selbst waren während des Skandals als Berichterstatter tätig. Ihr faktenreicher Report, der sich an eine breite Leserschaft richtet, ruft noch einmal die ersten Plagiatsentdeckungen Mitte Februar zurück ins Gedächtnis, beschreibt detailliert, wie es schließlich auf Druck von Medien, Wissenschaft und Netzgemeinde zur Demissionierung des Ministers kam und endet mit dem Urteil der Universität Bayreuth, Guttenberg habe vorsätzlich getäuscht.
Die sachkundige, in einfacher Sprache geschriebene Rekonstruktion des Guttenberg-Debakels liest sich spannend, auch deshalb, weil Preuß und Schultz nebenbei anschaulich das Wesen von Skandalen erklären und schlüssig darlegen, wie richtig es trotz aller Anfeindungen war, dass Journalisten mehrheitlich die Aufklärung der Plagiatsvorwürfe forciert haben – für Nichtkenner des Medienbetriebs insgesamt ein durchaus lesenswerter Einstieg in die komplexen Mechanismen öffentlicher Meinungsbildung.
Wer jedoch tiefer schauen will, findet im von Oliver Lepsius und Reinhart Meyer-Kalkus herausgegeben Sammelband fünfzehn Aufsätze, die in ihrer Substanz und Unterhaltsamkeit die (gerade wieder aufflammende) mediale Debatte über Guttenbergs Verfehlungen in den Schatten stellen. Autoren aus Literatur- und Kommunikationswissenschaft, Geschichte, Philosophie und Soziologie werfen grundsätzliche und wichtige Fragen auf – etwa nach der Akzeptanz unterschiedlicher rollen- und systemspezifischer Moralstandards, der Bedeutung des medialen Strukturwandels durch das Internet, dem Versagen der Wissenschaft, den Sehnsüchten, die der Popstar Guttenberg befriedigt hat sowie nach den Inszenierungsanforderungen des heutigen Politbetriebs, die das Phänomen Guttenberg erst möglich machten.
Hervorragend sind die Kapitel, die die scheinheilige "Rhetorik der kalkulierten Unschärfe" Guttenbergs, die Politikleere seiner Reden und das katastrophale Krisenmanagement analysieren. Entlarvt werden die Scheinheiligkeit, mit der er noch bei seinem Rücktritt Verantwortung von sich schob, seine mäßige wissenschaftliche Leistung und die im Gegensatz dazu stehende inszenierte Lässigkeit und Leichtigkeit als Ausdruck einer aristokratisch geprägten Selbstgenügsamkeit, die Guttenberg – wie schon die Überschrift seiner jüngsten Entäußerungen "Vorerst gescheitert" zeigt – bis heute beibehalten hat.
Die Autoren zerlegen Guttenberg derart gekonnt, dass man dem Ex-Minister fast dankbar sein möchte für seine Hybris: Ohne die hätten man ein so anregendes und gleichzeitig gesellschaftskritisches Buch vielleicht nie zu lesen bekommen. Außerdem hat man nach der Lektüre genug Argumente dafür, dass eine schnelle Rückkehr Guttenbergs in die Politik kein gutes Zeichen für Deutschland wäre – auch wenn der dieser Tage das Gegenteil suggerieren möchte.
Besprochen von Vera Linß
Roland Preuß, Tanjev Schultz: Guttenbergs Fall. Der Skandal und seine Folgen für Politik und Gesellschaft
Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2011
224 Seiten, 17,99 Euro
Oliver Lepsius, Reinhart Meyer-Kalkus (Hg.): Inszenierung als Beruf. Der Fall Guttenberg
Edition Suhrkamp, Berlin 2011
215 Seiten, 10 Euro
Links bei dradio.de:
Die zweite Selbstdemontage - Über den Comeback-Versuch von Karl-Theodor zu Guttenberg
"Mehr ein Showpolitiker als ein Substanzpolitiker" - Zu Guttenberg bastelt an seinem Comeback
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Die sachkundige, in einfacher Sprache geschriebene Rekonstruktion des Guttenberg-Debakels liest sich spannend, auch deshalb, weil Preuß und Schultz nebenbei anschaulich das Wesen von Skandalen erklären und schlüssig darlegen, wie richtig es trotz aller Anfeindungen war, dass Journalisten mehrheitlich die Aufklärung der Plagiatsvorwürfe forciert haben – für Nichtkenner des Medienbetriebs insgesamt ein durchaus lesenswerter Einstieg in die komplexen Mechanismen öffentlicher Meinungsbildung.
Wer jedoch tiefer schauen will, findet im von Oliver Lepsius und Reinhart Meyer-Kalkus herausgegeben Sammelband fünfzehn Aufsätze, die in ihrer Substanz und Unterhaltsamkeit die (gerade wieder aufflammende) mediale Debatte über Guttenbergs Verfehlungen in den Schatten stellen. Autoren aus Literatur- und Kommunikationswissenschaft, Geschichte, Philosophie und Soziologie werfen grundsätzliche und wichtige Fragen auf – etwa nach der Akzeptanz unterschiedlicher rollen- und systemspezifischer Moralstandards, der Bedeutung des medialen Strukturwandels durch das Internet, dem Versagen der Wissenschaft, den Sehnsüchten, die der Popstar Guttenberg befriedigt hat sowie nach den Inszenierungsanforderungen des heutigen Politbetriebs, die das Phänomen Guttenberg erst möglich machten.
Hervorragend sind die Kapitel, die die scheinheilige "Rhetorik der kalkulierten Unschärfe" Guttenbergs, die Politikleere seiner Reden und das katastrophale Krisenmanagement analysieren. Entlarvt werden die Scheinheiligkeit, mit der er noch bei seinem Rücktritt Verantwortung von sich schob, seine mäßige wissenschaftliche Leistung und die im Gegensatz dazu stehende inszenierte Lässigkeit und Leichtigkeit als Ausdruck einer aristokratisch geprägten Selbstgenügsamkeit, die Guttenberg – wie schon die Überschrift seiner jüngsten Entäußerungen "Vorerst gescheitert" zeigt – bis heute beibehalten hat.
Die Autoren zerlegen Guttenberg derart gekonnt, dass man dem Ex-Minister fast dankbar sein möchte für seine Hybris: Ohne die hätten man ein so anregendes und gleichzeitig gesellschaftskritisches Buch vielleicht nie zu lesen bekommen. Außerdem hat man nach der Lektüre genug Argumente dafür, dass eine schnelle Rückkehr Guttenbergs in die Politik kein gutes Zeichen für Deutschland wäre – auch wenn der dieser Tage das Gegenteil suggerieren möchte.
Besprochen von Vera Linß
Roland Preuß, Tanjev Schultz: Guttenbergs Fall. Der Skandal und seine Folgen für Politik und Gesellschaft
Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2011
224 Seiten, 17,99 Euro
Oliver Lepsius, Reinhart Meyer-Kalkus (Hg.): Inszenierung als Beruf. Der Fall Guttenberg
Edition Suhrkamp, Berlin 2011
215 Seiten, 10 Euro
Links bei dradio.de:
Die zweite Selbstdemontage - Über den Comeback-Versuch von Karl-Theodor zu Guttenberg
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