Es läuft alles auf eine große These heraus: Dass es eine große Zivilisation gegeben hat, die am Ende der letzten Eiszeit untergegangen ist. Diese verschollene Hochkultur hat uns eine Botschaft hinterlassen: Passt auf, wenn euch wieder ein Komet auf die Nase fällt!
"Ancient Apocalypse" auf Netflix
Das sagenumwobene Atlantis soll einst im Meer versunken sein. In rechten Diskursen wird es als Ideal einer Diktatur angepriesen, wie der Archäologe Karl Banghard erläutert. © imago / Zoonar / Berit Kessler
Atlantis als Material für eine Verschwörungserzählung?
09:10 Minuten
In der Serie "Untergegangenen Zivilisationen auf der Spur" auf Netflix wird der Atlantis-Mythos neu inszeniert. Eine Verbindung zu rechten Weltbildern sieht der Archäologe Karl Banghard vor allem in der "bombastischen Erzählung von Hochkulturen".
In der vor allem in den USA erfolgreichen Netflix-Serie "Ancient Apocalypse" wird eine 2400 Jahre alte Fiktion neu und spektakulär aufgetischt: Die des angeblich versunkenen Inselreichs Atlantis und seiner hochstehenden Zivilisation, deren Errungenschaften von einzelnen Überlebenden weitergegeben worden seien an damals weniger entwickelte Menschen.
Unter dem Titel "Untergegangenen Zivilisationen auf der Spur" ist die Serie jetzt auch auf Deutsch zu sehen. Im Zentrum steht der britische Journalist Graham Hancock, der den Atlantis-Mythos schon in mehreren Büchern mehr oder weniger populärwissenschaftlich fortgeschrieben hat.
Zyklische Weltuntergänge
Stuart Heritage von der englischen Publikation "The Guardian" bezeichnete "Ancient Apocalypse" als gefährlichste Show auf Netflix. Es scheine, als sei sie allein für Verschwörungstheoretiker gemacht, schreibt der Film- und TV-Kritiker des Blattes: "Hancock geht zu einem Ort und sagt: 'Sie wollen, dass Du denkst, es ist so. Aber eigentlich ist es anders.'"
"Er kommt recht wissenschaftlich rüber", beurteilt der Archäologe Karl Banghard vom Freilichtmuseum Oerlinghausen in Nordrhein-Westfalen das Auftreten Hancocks.
Den Grad an verschwörungserzählerischem Charakter der Serie siedelt er auf einer Skala von eins bis zehn oberflächlich betrachtet bei "drei plus" an – wenn man tiefer gehe, bei "sieben".
Der Weltuntergang, der Klimawandel sei in dieser Logik nicht von Menschen verursacht, sondern komme einfach zyklisch, "weil eben wieder Kometen runterfallen bei bestimmten Sternenkonstellationen".
Atlantis als Idealbild einer Diktatur
Hancock wandere wie James Bond quer durch die Welt, sei sehr viel unterwegs und schaue sich verschiedene, "tatsächlich hochinteressante Fundstellen" an, schildert Banghard den Stoff der Serie.
Diese Fundstellen sehe er als Zeichen an, die die Jäger und Sammler der Warmzeit von den weisen Männern der Hochkultur mitgeteilt bekommen hätten. Das Problem sei: Hancock könne sich nicht vorstellen, dass Jäger und Sammler durchaus solche großen Monumente bauen könnten, sagt Banghard.
Damit unterschätze er aber deren Möglichkeiten, meint der Archäologe deutlich: Dass sie etwa in unterschiedlichen Gesellschaftsmodellen hätten denken können, dass sie auch Dinge deswegen nicht gemacht hätten, weil sie keine Lust darauf gehabt hätten, und nicht, weil sie es nicht hätten tun können.
Atlantis im rechten Diskurs
Der Mythos Atlantis sei seit der völkischen Bewegung ein Thema für die Rechten, weil diese angeblich versunkene Zivilisation "das Idealbild einer Diktatur" darstelle. Die Logik in der rechten Verschwörungstheorie heißt laut Banghard: "Atlantis war gut, weil es eine Diktatur war."
Der griechische Philosoph Plato hingegen habe Atlantis in seinem Spätwerk "Kritias" nicht als ein strahlendes Bild beschrieben, bemerkt der Archäologe: "Atlantis geht unter und wahrscheinlich aus gutem Grund, weil es nämlich sehr diktatorisch ist gegenüber dem Pendant, dem klassischen Athen."
Hancock verherrliche die Diktatur nicht, macht Banghard klar. Der Protagonist sage vielmehr: Die von ihm herbeifantasierte Hochkultur warnt uns vor künftigen Fehlern. Insofern sei er einigermaßen draußen aus rechtsextremen Diskursen.
Schwierig an seinem Weltbild sei, dass er gar nicht anders denken könne als im Rahmen der "bombastischen Erzählung von Hochkulturen". In diesem Denken sei alles, was Geschichte ist und was geschichtlich wirksam sei, nur die Menschen, die große Tempel gebaut oder viel Gold gehortet hätten.
Polemik gegen die etablierte Archäologie
Der große rote Faden und auch eine Masche bei "Ancient Apocalypse" sei, dass Graham Hancock in jeder Folge gefühlt drei Mal die "Mainstream-Archäologie" schelte. "Entweder hat er ein ganz großes Problem mit einer fruchtbaren Diskussion oder er nutzt es als bewusstes Stilmittel", kritisiert Banghard.
Den großen Erfolg der Serie in den USA führt der Archäologe vom Freilichtmuseum Oerlinghausen darauf zurück, dass Hancock Fundplätze von enormer Größe zeigt, die in den USA unterbelichtet seien: "Da kommt einfach Amerikas Größe heraus: Make America Great Again."